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5. Niesels Name und der Name, der über alle Namen ist
ОглавлениеWilhelm Niesel gehört heute nicht zu den bekannten Personen der jüngeren Theologie- und Kirchengeschichte Deutschlands. Weder ein bedeutsames noch ein einheitliches Werk hat Niesel hinterlassen, so dass sein theologisches Œuvre nicht wirklich überragend ist, auch wenn eine umfangreiche Bibliographie vorliegt.106 Er hat keine «Schule» gebildet, es gibt keine Theologen von Rang, die sich unmittelbar als seine Schüler verstünden. In der Kirche wurde ihm zu Lebzeiten keine herzliche Sympathie entgegengebracht, eher Respekt und manchmal wohl auch Furcht, weil er derart unnachgiebig war: intransigent in der vom ihm vertretenen Glaubenslehre, unnachgiebig im von ihm geforderten Glaubensgehorsam. Die Zeitläufte haben ihn aber an vordere kirchen- und konfessionspolitische Plätze getragen. Diese Einschätzung soll weder seine Begabungen noch seine Leistungen mindern, ihn aber doch historisch kontextualisieren und relativieren.
Es war hier Aufgabe, an Wilhelm Niesel zu erinnern und ihn in seiner Bedeutung für die reformierte Identität im 20. Jahrhundert auch in globalen Bezügen vorzustellen. Bei ihm hatten Theologie und Kirchenpolitik – beides Funktionen der Kirche – einen Grund, eine Ausrichtung und ein Ziel. Der christliche Glaube als Glaube an Jesus Christus kann nicht anders als bei allem, was im Glauben getan wird, «Zeugnis» zu sein und zu geben (vgl. 1Kor 9,16). In der reformierten Tradition entdeckte Niesel dafür gute Grundlagen, in der für ihn zeitgenössischen Theologie Karl Barths sah er das entscheidende Interpretationsformat und im Kirchenkampf machte er die prägenden Erfahrungen seines Lebens. Wenn es nach Wilhelm Niesels zu vermutendem eigenen Willen ginge, dann wird er für seinen Namen und seine Person wohl nur ernsthaft eine Bedeutung |100| erhofft haben, nämlich dass sein Lebenszeugnis Hinweis sein darf für den einen Namen, der über alle Namen ist: Jesus Christus.