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HUBBARD: EINE KLEINE REISE IN DIE HEIMAT VON ANDREW TAYLOR STILL

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Autor: Elbert Hubbard

Originatltitel: A Little Journey to the Home of A. T. Still. East Aurora, NY. (1912)

Es war im Jahr 1875, als an einem Sonntagmorgen Henry Ward Beecher seine Kanzel betrat und seiner Gemeinde mitteilte, dass er tausend Dollar brauche, um Bibeln für die armen Leute in Kansas zu kaufen. Er sagte, die Angelegenheit sei absolut dringlich und dass er den Gottesdienst nicht fortsetzen werde, ehe nicht das Geld aufgebracht sei.

Die Gemeinde der Plymouth Church glaubte an Henry Ward Beecher, sodass sie das Geld aufbrachte wie eine Selbstverständlichkeit.

Am nächsten Tag nahm Henry Ward Beecher die tausend Dollar, kaufte davon Sharps-Gewehre und schickte diese an Old John Brown nach Kansas.

Eine dieser „Bibeln“ bekam Major Pond, der mir das Dokument wiederum, als er keine Verwendung mehr dafür hatte, zeigte. Nun habe ich es, seine Initialen sind am Kolben eingeritzt und daneben befinden sich weitere Kerben. Ich weiß allerdings nicht, wofür diese Kerben stehen.

Eine andere dieser Bibeln wurde einem jungen Arzt gegeben, Major Andrew Taylor Still, der als Wundarzt Teil der Truppe war, die Old John Brown kommandierte. Zum ersten Mal hörte ich von Doktor Still aus dem Munde von Major Pond.

Wir waren unterwegs, um Wahlkampfreden zu halten, und wenn ihm die Gesprächsthemen ausgingen, redete der Major immer entweder über Henry Ward Beecher oder über Old John Brown.

Major Pond war den Fußstapfen von John Brown gefolgt, von Pennsylvania nach Ohio, von Ohio nach Iowa, schließlich von Iowa nach Kansas.

Diese Freiheitskämpfer hatten keinen Auftrag und sie machten keine Gefangenen. Sie lebten von dem, was das Land hergab. Alle waren sie Pioniere, draußen in der Natur zu Hause, und selbst wenn sie allein waren, waren sie in guter Gesellschaft, denn sie standen auf gutem Fuß mit den Sternen, mit dem Wolken, mit den Bienenbäumen, mit dem Wild, mit fließenden Quellen, Waschbären, Opossums und dieser ganzen Welt einer zufriedenen, überbordenden, reichen Natur.

Doktor Still war als Arzt für den gesamten Distrikt verantwortlich. Er war achtundzwanzig Jahre alt, als Pond ihm das erste Mal begegnete, und Pond war erst zwanzig. Zwischen ihnen beiden lag also eine Kluft an Jahren, denn für den Körper eines zwanzigjährigen Jungen ist ein Mann von achtundzwanzig ein Veteran.

Der Wundarzt Still richtete dem jungen Jim Pond einmal ein gebrochenes Handgelenk, und so blieb er in der Erinnerung des Mannes, der zum Vortragsmanager von Henry Ward Beecher werden sollte.

Die schlichte, alltägliche Fertigkeit von Major Still, die Leidenden, Kranken und Verletzten zu behandeln, brachte ihm den großen Respekt von Jim Pond und allen ein.

Major Still war ein gebildeter Mann.

Übrigens konnte er hinausgehen und mit einem Stück Wild zurückkommen, wenn sonst auch niemand wusste, wo das Wild war.

Neulich sah ich ein Bild von Rev. Abram Still, dem Vater von Andrew Taylor Still, wiedergegeben nach einer alten Daguerreotypie. Als ich einen Blick auf das Bild warf, sagte ich unwillkürlich: „John Brown.“ Es war da etwas dem Wesen nach Ähnliches im Gesichtsausdruck dieser beiden Männer – hager, schlicht, ernsthaft, intellektuell, starrsinnig, das hochgekämmte Haar strotzend von einem redlichen Kern.

Wenn man will, könnte man sie als religiöse Fanatiker bezeichnen. In jedem Fall aber waren es Männer von großer Leistungskraft.

Und dann, zur gleichen Zeit, sah ich auch ein Bild von Mrs. Martha P. Still, der Mutter von Andrew Taylor Still – eine starke, ernsthafte, edle Frau mit quadratischem Kopf und markantem Kiefer, wie gemacht für einen Mann, der nicht nur den Kampf mit den Elementen, mit Armut und Dummheit aufnehmen, sondern auch einen großen Kampf um die Menschenrechte führen sollte.

Es ist eine großartige Sache, wenn man wohl geboren wird.

Andrew Taylor Stills Eltern waren Leute mit Persönlichkeit und mehr. Sie verfügten über Gesundheit, körperliche Kraft, Geisteshaltung.

Andrew Taylor Still wurde im Jahr achtzehnhundertachtundzwanzig in der Nähe von Jonesboro, Lee County, Virginia geboren.

Wenn man es auf der Karte sucht, wird man feststellen, dass es in den Blue Ridge Mountains ist, einem Teil des Landes, der selbst heute noch abgelegen von der Zivilisation liegt.

Diese Bewohner der Berge von Virginia waren von edler Abkunft, und einige dieser Edlen waren von England ausgesandt worden zum Wohle Englands. Diejenigen überlebten, die sich am besten anpassen konnten, und in den Bergen schufen sie sich untereinander ein eigenes Recht.

Abraham Lincoln war vom selben Schlag – hoch aufgeschossen, schlank, sehnig, knochendürr, besaß er enorme körperliche Kraft und bewegte sich langsam, aber bestimmt auf ein Ziel hin.

Dies ist im Wesentlichen der Typus des Bergbewohners aus Virginia.

Abram Still war ein methodistischer Prediger, ein Wanderprediger, dessen Glück darin bestand, sein ganzes Leben im Grenzland der Zivilisation zu leben.

Ob Andrew Taylor Still nun jemals zur Schule gegangen wäre oder nicht, so wäre er doch ein gebildeter Mann gewesen, und zwar im Sinne eines ausgeglichenen Mannes. Er kannte intuitiv die Gesetze der Gesundheit, und er hatte die Fähigkeit, selbst für sich zu sorgen. Selbsterhaltung ist die erste Regel eines jedes Bergbewohners.

Doch seine Eltern befürworteten eine schulische Ausbildung. Sie glaubten an Disziplin und gewiss waren sie nicht sparsam im Umgang mit der Rute. Eine der Strafen für schlechte Rechtschreibung bestand darin, auf einem Pferdeschädel sitzen zu müssen. Niemand weiß, wie viele scharfe Kanten ein Pferdeschädel hat, solange er nicht auf einem sitzen musste. Und man sollte bedenken, dass die Zeit der Unterwäsche erst nach der Kindheit von Doktor Still begann. Womöglich war genau dies der Anfang der Wissenschaft der Osteopathie oder der Wissenschaft der richtigen Anpassung von Knochen und Geweben.

Im Jahr achtzehnhundertsiebenunddreißig wurde Abram Still von der methodistischen Conference als Missionar nach Missouri geschickt. Missionare waren damals Ärzte der Seele wie auch des Körpers.

Die Bevölkerung bewegte sich entlang paralleler Linien nach Osten oder Westen. Leute aus Virginia zogen nach Tennessee und Kentucky, und dann drangen sie weiter durch den Süden Indianas und von Illinois nach Missouri.

Abram Still war der erste methodistische Prediger im Nordwesten Missouris. Das Land war noch unerforscht und nicht kartiert und zumeist gab es auch keine Straßen – nur die Pfade entlang der Wege von Wildtieren und Büffeln, auf denen die Indianer in ihren Mokassins stapften.

Der Prediger baute mit der Hilfe seiner Familie eine Blockhütte im Wald. Und diese Hütte war eine Schule, eine Kirche, eine Arztpraxis und ein Zuhause, bis weitere Gebäude errichtet werden konnten.

Unten in La Plata gab es eine Schule, die von Rev. Samuel Davidson von der Cumberland Presbyterian Church geleitet wurde. Die Methodisten hielten zwar nicht viel von den Presbyterianern, doch Mrs. Still war entschlossen, ihren Kindern eine vorteilhafte Erziehung zu verschaffen. Deshalb wurde Andrew rasch durch die Wälder dorthin geschickt, all seinen weltlichen Besitz mit einem roten Taschentuch zusammengebunden, zum Zentrum des Lichts und des Lernens.

Zur großen Überraschung des jungen Andrew stellte sich der presbyterianische Pastor als sehr sanftmütiger, freundlicher und besonnener Mann heraus. Er und seine Frau nahmen den Jungen in ihr Haus auf und behandelten ihn, als wäre er ihr eigener Sohn. Und er seinerseits half ihnen. Er hackte Holz, molk die Kühe, versorgte den Garten, kümmerte sich um die Kinder, kochte, wusch und schruppte. Er war das, was man einen Handlanger nennt. Und natürlich ging er auf die Jagd und zum Angeln. Jeder tat das damals.

Und so wuchs der Knabe heran an Körper und Geist. Er beobachtete das Wunder der Jahreszeiten, den Zuckerahorn, das Hochwasser, wie es die Brücke mit sich riss, die ersten Frühlingsblumen, die auf der Sonnenseite faulender Baumstämme aus dem Schnee hervorlugten; er sah die Bäume ausschlagen, weiße Hügel gesprenkelt von Kirsch- und Weißdornblüten. Es gab Waschbärenjagden bei Mondlicht, Rehe hinterließen ihre Spuren bei ihren Lecksteinen. Es gab Bären im grünen Mais, die Erntezeit, Schweine-Schlachttage, Frost auf den Kürbissen und auf dem Futter in den Heuhaufen; es gab wilde Truthähne auf den Lichtungen, Erweckungstreffen, Buchstabierwettbewerbe, Diskussionen, Apfelwein, gelegentliche Ladenschlägereien; Scheunen wurden gebaut, Quiltkreise fanden statt, Rinder waren zu zähmen, junge Fohlen zu reiten; Apfelkraut, Schmierseife, eingelegte Schweinsfüße, Räucherschinken, Schweinebauch, geschälte Hickory- und Walnüsse, Waschbärenfelle an der Scheunentür, Winter und der erste Schnee; Spuren der wilden Tiere, die man jagen und verfolgen konnte; Schuhe, die einzufetten, Pferdegeschirre, die zu flicken waren; Vorräte und eben alles, was es im Leben der Pioniere so gab, die Tage vollgepackt, die Nächte dem Schlaf vorbehalten, wobei sich die erschöpfte Natur ausruhte ohne aufzuwachen und der Morgen dann allzu früh kam.

Andrews Wunsch war es, ein Wanderprediger zu werden wie sein Vater. Doch seine Erfahrungen mit dem guten presbyterianischen Pastor klärten ihn auf, da er so feststellen konnte, dass die Presbyterianer beinahe so gut waren wie die Methodisten. Und später stellte er fest, dass alle Konfessionen sich sehr ähnlich waren; das ist hauptsächlich eine Sache des Temperaments. Ein großer Teil der Arbeit der Wanderprediger bestand darin, den körperlichen Nöten der Leute beizustehen, nicht minder als ihren spirituellen und geistigen. Eigentlich war es noch gar nicht lange her, dass diese drei Lehrberufe noch in einer Person zusammengefallen waren.

So entschloss sich Andrew, etwa in seinem neunzehnten oder zwanzigsten Lebensjahr, Arzt zu werden. Und deshalb besuchte er eine medizinische Fachhochschule in Kansas City und fing zu gegebener Zeit an, zusammen mit seinem Vater und einem älteren Bruder, der ebenfalls Arzt war, zu praktizieren.

Er wurde ein Allgemeinmediziner. Um jede Art von Leiden, die des Fleisches Erbteil1 war, kümmerte er sich.

Rev. Abram Still war aufgrund seiner gewissenhaften Haltung in der Frage der Sklaverei in Schwierigkeiten mit seinen Nachbarn geraten. Die ersten Bewohner der Berge Virginias besaßen keine Schwarzen, vielmehr waren sie eigentlich die ersten Abolitionisten.

Thomas Jefferson hatte Sklaven, doch in seinem letzten Willen verfügte er, dass alle seine Sklaven mit seinem Tod freigelassen werden sollten. Und jeder, der über das Leben von Thomas Jefferson liest, wird Aussagen finden, die seine Unzufriedenheit mit dieser „Einrichtung“ zum Ausdruck bringen. Thomas Jefferson trug die feine Linie der Bergbewohner in der Anlage seiner eigenen Person. Doch bei ihm mischte sie sich mit dem Plantagenbesitzer, denn er erbte ein großes Anwesen, auf dem sich eine ganze Menge jener düsteren Habe befand.

Abram Still jedoch hatte nicht dieses Unglück. Andrew Taylor Still war ein Abolitionist aufgrund vorgeburtlicher Anlage. Er nahm es mit der Muttermilch in sich auf.

Missouri war das große Schlachtfeld für die abolitionistische Idee in den Fünfzigern, und die ganze Familie Still empfand es da als zweckdienlich, von Missouri nach Kansas zu ziehen, um ihre Haut zu retten.

Der junge Doktor Still praktizierte beinahe im ganzen Kansas-Territorium und geriet so, natürlich, in den Grenzkrieg hinein, der sich um das Jahr achtzehnhundertfünfundfünfzig zu einem Bürgerkrieg entwickelte.

Banden von Befürwortern und Gegnern der Sklaverei marschierten gegeneinander auf. Ob Kansas ein „Sklaven-Staat“ oder ein „freier Staat“ werden solle, das war die Frage.

Doktor Still stand ein für die Freiheit, nicht nur seine eigene, sondern auch für andere Leute, weiß wie schwarz.

Und als Old John Brown nach Kansas kam, etwa im Jahr achtzehnhundertsiebenundfünfzig, da war es beinahe die natürlichste Sache der Welt, dass er Doktor Still über den Weg lief.

Als sich das erste Parlament von Kansas versammelte, im Jahr achtzehnhundertsiebenundfünfzig, war Doktor Still eines der Mitglieder.

Die Frage der Sklaverei schien, wie alles andere auch, eine Frage des Standpunkts zu sein. Die, welche Sklaven besaßen, betrachteten die Abolitionisten als „Negerdiebe.“

Ihr Argument war es, dass, wenn die Abolitionisten keine Sklaven halten wollten, sie es nicht müssten. Sie sollten sich aber auch nicht bei denen einmischen, die welche hatten.

Es war eine wunderbare Erfahrung für Doktor Still, als Kämpfer, als praktizierender Arzt, als Wundarzt in der Armee. Er half, in den Bürgerkrieg einzutreten, noch fünf Jahre bevor auf Fort Sumter geschossen wurde.2 Um Freund und Feind kümmerte er sich gleichermaßen. Wenn zu kämpfen war, kämpfte er. Er kämpfte für das, was er für richtig und wahr und gerecht hielt; und wenn es Knochen einzurenken, hungrige Leute zu verpflegen und Kranke zu versorgen galt, so war er zur Stelle. Ob sie nun Grau oder Blau trugen3, machte keinen Unterschied. Für immer und ewig stand der Wundarzt Still auf der Seite der Menschlichkeit. Er war ein Mensch. Er stand direkt an der Schusslinie – und war seitdem stets dort.

Doch die eine Sache, mit der dieser Mann die Menschheit beeindrucken sollte, sollte erst später kommen. Die Wissenschaft der Osteopathie existierte damals nur als ein Keim in seinem Verstand. Er war von Natur aus ein zweifelnder Mensch, doch, seltsam genug, aber es entspricht dem Gesetz des Paradoxen, ein Zweifler ist ein Mann mit mehr als nur Glauben. Um voranzuschreiten, muss man glauben, dass etwas Besseres vor einem liegt, und natürlich zweifelt man dann an der Vollkommenheit der gegebenen Ordnung.

Doktor Still, glücklich verheiratet, war sesshaft geworden, um eine Farm zu betreiben und die Medizin auszuüben.

Nur ein Mann, der sehr auf sich gestellt ist, am Rande der Zivilisation, und in herrlicher Indifferenz allem gegenübersteht, das zuvor getan und gesagt worden ist, konnte die Verknöcherung der orthodoxen Medizin aufbrechen.

Doktor Still war ein Naturforscher. Jede Pflanze und jedes Kraut, jede Wurzel, jede Blume und jedes Blatt mit heilenden Eigenschaften waren ihm bekannt. Er heftete seinen Glauben an die einfachen Dinge.

Und wir müssen bedenken, dass es die Zeit war, als alle Ärzte nur Linderung verschafften. Wenn sie einen Menschen von seinen Schmerzen befreien konnten, beglückwünschten sie sich, als wäre er geheilt.

Doktor Still hatte genügend Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass hinter den Symptomen eine Ursache stand. Und beständig war er bestrebt, den Grund, weshalb etwas war, ausfindig zu machen.

Ich glaube, dass er der erste Mann in der Geschichte ist, der unumwunden sagte, dass es so etwas wie Krankheit streng genommen gar nicht gibt.

Stattdessen handelt es sich bei diesen individuellen, besonderen Sachen, die wir Krankheiten nennen – sechshundert verschiedene und mehr sind in den Büchern verzeichnet –, nur um Symptome unter jeweils bestimmten Bedingungen.

Verletze ein Mensch die Gesetze der Natur, sei er unter- oder überernährt, sei er geistig verwirrt, wirke der Druck eines Knochens auf die Arterien, sodass der Blutfluss beeinträchtigt werde, oder auf einen Nerv, so vermag dieses Individuum eine oder ein Dutzend dieser sogenannten Krankheiten zu haben.

Fieber, Schüttelfrost, Lungenentzündung, eine Erkältung im Kopf, geschwollene Lider, Hexenschuss, die Brightsche Krankheit, Rheumatismus, Koliken, Pseudokrupp, Masern – alle diese Sachen gehen auf eine spezifische, individuelle Ursache zurück. Und diese Ursache zu bestimmen, dies machte Doktor Still zu seiner Aufgabe.

Zwischen achtzehnhundertsechzig und achtzehnhundertvierundsiebzig widmete er sich dem Nachdenken und Studieren, dem Beobachten und Vergleichen, und schließlich ergab sich in seinem Verstand die ausgearbeitete, klare, besondere Wissenschaft, die nun als Wissenschaft der Osteopathie bekannt ist.

Am zweiundzwanzigsten Juni achtzehnhundertvierundsiebzig, als er seine These ausgearbeitet hatte, entließ er sie in die Welt.

Das war ein großer Meilenstein auf dem Weg des Fortschritts.

Die Wissenschaft der Medizin reicht zurück bis auf Hippokrates, der in Athen in jener herrlichen Epoche lebte, die man als das Zeitalter des Perikles kennt.

Vor Hippokrates waren Medizin und Priestertum eins. Zauberformeln hatten eine große Bedeutung in der Heilkunst. Es war allgemeine Überzeugung, dass Krankheit durch einen Teufel verursacht würde, der den menschlichen Körper in Besitz nehme. Deshalb spielten grässliche Geräusche und abstoßende Gerüche eine Rolle, um den Eindringling auszutreiben, der seinen Anspruch erhoben hatte.

Hippokrates scheint herausgefunden zu haben, dass bestimmte Gifte unmittelbare chemische Wirkungen hatten. Er kannte vier starke Arzneimittel, die etwas bewirkten, was er genau vorhersagen konnte, und zwar ein abführendes, ein harntreibendes, ein schweißtreibendes und ein Brechmittel. Indem man diese Arzneimittel verabreichte, ließen sich Ursachen und Wirkungen verfolgen, Abfolge und Konsequenz, und insofern war es wissenschaftlich.

Das Verabreichen von Giften beruhte auf dem alten Irrtum, dass die Person von einem bösen Geist besessen wäre. Der ganze Zweck der ekelerregenden oder giftigen Arzneimittel bestand darin, den Eindringling auszuräuchern und es ihm so unangenehm zu machen, dass er nicht an Ort und Stelle bleiben konnte.

Durch all die Jahrhunderte, über zweieinhalbtausend Jahre, trat dieser Aberglauben zu Tage. Gelegentlich, hier und da, gab es zweifellos vernünftige Ärzte. Aber deren Stimmen vernahmen wir nur in pianissimo.

Es war ziemlich anmaßend von einem Arzt, der an einer allopathischen Schule ausgebildet worden war, seiner Alma Mater abzuschwören, die Verbundenheit mit seinen Berufsbrüdern aufzukündigen und zu erklären, die gesamte sogenannte medizinische Wissenschaft gründe auf einem Aberglauben.

Das ist im Grunde das, was Doktor Still im Jahr achtzehnhundertvierundsiebzig tat. Aber das war keine übereilte Verallgemeinerung, sondern seine Schlussfolgerung war über lange Zeit herangereift, und er zögerte noch einige Jahre, ehe er sie vorlegte.

Nur ein Mann, der in Zeiten der Pioniere geboren und aufgewachsen war, inmitten der Umgebung des Pionierlebens, konnte den Mut und die Kühnheit haben, in dieser Weise alle Brücken zurück niederzubrennen, ohne an eine Fähre oder eine Unterführung zu denken. Notfalls hätte er sich allein direkt ins Freie gestellt und es ausgefochten. Genau das tat er auch. Sogar alles in seinem Wortschatz drehte sich in diese Richtung. Er wurde verleugnet und verurteilt als Fanatiker, als Dummkopf, als Abtrünniger und Rebell.

Doktor Still jedoch blieb bei der geraden Richtung seines Weges.

Statt seinen Patienten in schlechtem Latein geschriebene Rezepte mitzugeben und sie mit Begriffen und in einer Sprache zu verwirren, die sie nicht verstanden, sprach er mit ihnen deutlich in Worten, deren Bedeutung sie begriffen. Er zog den Patienten in sein Vertrauen, freundlich, schonend und bestimmt. Er erlaubte es ihnen, ihren Fall vorzubringen und ihre Symptome zu erklären, da Doktor Still sehr gut verstand, dass dies Teil des Heilungsprozesses war.

Doktor Still begriff, dass wir von dualer Natur waren. Der Mensch besteht aus Materie und Seele.4

Wenn die Seele den Körper verlässt, ist der Mensch tot; doch solange die Seele ihr Lehmhaus5 bewohnt, ist sie mehr oder weniger Herr darin. Der Geist ist der König.6

Und so bestritt Doktor Still auch nicht den Einfluss der Seele auf die Materie, was die alten Männer der Medizin im Grunde getan hatten. Er war kein Metaphysiker. Denn ein Metaphysiker ist jemand, der seine Ansichten sogar vor sich selbst verbirgt.

Die alten Schulen der Medizin waren so gewissenhaft darin, die Leute zu betrügen, dass sie sich im Laufe der Zeit auch selbst betrogen haben. Insofern stellten sie das geflügelte Wort unter Beweis, dass die Strafe für einen Lügner darin besteht, dass er schließlich an seine eigenen Lügen glaubt.

Die Schulen der Medizin wurden auf Lehrbüchern errichtet, die größtenteils im Mittelalter verfasst wurden. Vorlesungen erläuterten diese Lehrbücher und die Studenten wurden für ihre Leistungen darin benotet, auswendig lernen zu können, was ihnen in den Vorlesungen erzählt wurde und was sie in Büchern gelesen hatten. Jede Abweichung von dem, was in Buch oder Vorlesung gelehrt worden war, wurde bestraft.

Dementsprechend gab es eine direkte apostolische Sukzession der Unkenntnis, die sich durch die Jahrhunderte noch vertiefte. Das Geschäft eines jeden Arztes schien großenteils darin zu bestehen, die Dinge, die ihm gelehrt worden waren, zu bewahren und für sie zu kämpfen. Weder verstand er sie, noch begriff er ihre Bedeutung, doch er gründete sein Wissen darauf, was das Buch sagte. Wenn man die Wahrheit oder die Genauigkeit seiner Aussagen anzweifelte, berief er sich voll Stolz auf eine bestimmte Seite und einen Absatz dieses Buches. Das genügte.

Doch Doktor Still genügte es nicht. Er nahm Anstoß an den Büchern. Die erste Position in seinem Diagnoseplan bestand darin, den Patienten in einen entspannten, hoffnungsvollen Gemütszustand zu versetzen, wobei Vertrauen eine ausgezeichnete Rolle spielen konnte.

Dementsprechend erlaubte er es dem Patienten, zu erklären. Mag er auch im Voraus alles gewusst haben, was ihm der Patient zu erzählen hatte, verstand er doch, dass er so etwas wie ein Beichtvater für den Betroffenen war.

Wenn er dann den Mann in einen entspannten körperlichen Zustand gebracht hatte, frei von Spannung, Angst und Sorgen, begann er mit seinen Manipulationen. Er fand den schmerzenden Punkt und kam für sich dahinter, warum der Punkt schmerzte. Für gewöhnlich stellte er fest, dass es dort einen Druck des Knochens auf die Arterie gab, welcher den Blutfluss störte. Seine Aufgabe bestand dann darin, die Knochen so anzupassen, dass der Druck erleichtert und der Blutfluss wieder ausgeglichen wurde.

Zielsicher entdeckte er, dass Druck auf Nerven oder Arterien Krankheiten hervorrief. Schritt für Schritt kam er zu der Erkenntnis, nachdem er viele Tausende an Fällen behandelt hatte, dass diese sogenannten Krankheiten in verschiedene allgemeine Typen zerfielen. Auf diese Weise wurde aus der Manipulation der Knochenstruktur des Körpers eine Wissenschaft, und dem folgte die Linderung für die Betroffenen. Doch Doktor Still vergaß nicht, dass der gesunde Menschenverstand nicht nur in der Heilkunst, sondern auch im Leben an erster Stelle stand.

Damit es ihm gut geht, muss ein Mann nicht nur gut mit seiner Frau, seinen Kindern und seinen Nachbarn auskommen. Er muss auch gut über sich selbst und über die Natur denken. Er muss Pferde lieben, Rinder, Geflügel und Haustiere; und je stärker er sich für die großartige wimmelnde, atmende Welt jenseits der Türen interessierte, desto besser stehen seine Chancen, dass er gesund bleibt.

Doch darüber hinaus ist der Körper des Menschen ein mechanischer Apparat, und wenn die Gelenke verschoben sind oder anomal, so folgt dem gewiss eine Fehlanpassung, und diese Fehlanpassung wird Krankheit verursachen.

Osteopathie ist schlicht die Anwendung des gesunden Menschenverstands. Das Offensichtliche ist das Letzte, was Menschen lernen, und zwar insbesondere gelehrte Menschen, da gelehrte Menschen meistens nur gelehrt sind in der Wissenschaft der Bücher, nicht aber in der Welt der Natur.

Ein guter Osteopath muss sich nicht nur mit der Anpassung der Knochenstruktur des menschlichen Körpers auskennen, sondern er eignet sich umso besser zur Ausübung der Heilkunst, je mehr er über das Leben im Allgemeinen weiß. Wer nur England kennt, weiß wenig über England.7

Wer nur eine Sache kennt, kennt diese doch nicht recht.

Wäre Andrew Taylor Still bloß ein Arzt gewesen, versiert und sehr bewandert in allem, was die Bücher lehren, hätte er niemals die Wissenschaft der Osteopathie entwickelt.

Mühsal, Entbehrung, Hindernisse, Schwierigkeiten waren es, was ihn zurückzugehen zwang auf sein erfinderisches Genie.

Doktor David Starr Jordan sagte, dass der Wert einer Fachhochschule im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Ausstattung stehe. Das bedeutet im Grunde, dass dort, wo man viel für einen jungen Menschen macht, er niemals viel für sich selbst tun wird. Gegenstände selbst herzustellen, Erfindungsgeist, die Notwendigkeit, sich eigene Werkzeuge zu machen und das eigene Leben zu leben, sind wichtige Faktoren der Erziehung.

Ich kenne Doktor Still seit vielen Jahren. Ich habe seine Vorlesungen gehört. Ich habe ihn in der Klinik beobachtet. Ich habe mit ihm Gestrüpp auf einer Lichtung verbrannt, über viele Themen mit ihm diskutiert, bin mit ihm über die Felder, durch die Wälder und hinunter zum Bach gelaufen.

Doktor Still interessiert sich stets mehr für das Leben als für die Medizin. Er interessiert sich mehr für Gesundheit als für Krankheit. Er sucht nicht nach dem Anomalen. Er besitzt die Fähigkeit, sich das Ideal vollkommener Gesundheit im Geiste gegenwärtig zu halten, und stets arbeitet er im Hinblick auf dieses Ziel. Wenn er schreibt oder spricht, redet er über Gesundheit, und stets scheint es seine Absicht zu sein, einen Seitenkanal zu öffnen, die Felsen im Kanal wegzusprengen, einen Pfad durch die Wälder frei zu machen. Er strebt hin zu einem bestimmten Punkt, und dieser Punkt ist Glück und Gesundheit.

Alles Pathologische ist ihm mehr oder weniger zuwider, und im Gespräch redet er immer über die wundervollen Dinge der Natur – über das Vieh, Dampfmaschinen sowie Maschinen im Allgemeinen und über Bildung durch das Zusammenwirken von Kopf, Hand und Herz. Gesundheit ist sein Hobby. Die Medizin ist da nur ein Zufall.

Wir haben es hier mit einer herrlichen großen, weiten, großzügigen Weltsicht zu tun. Ich denke nicht, dass er das Ausmaß an Gegnerschaft je realisiert hat, welches die Entstehung der Osteopathie mit sich brachte. Dem stand er einfach gleichgültig gegenüber. Er war von Natur aus ein Kämpfer und kämpfte für die menschliche Freiheit, das Recht des Einzelnen, sein eigenes Leben zu leben, gemäß den Vorgaben des eigenen Gewissens.

Deshalb löste er sich von der Welt der Medizin und begründete seine eigene Wissenschaft.

Zugleich war Doktor Still jedoch niemals dogmatisch in seinem Versuch, die Osteopathie zu verbreiten. Er verstand, dass es sich um eine Wissenschaft handelte, die sich selbst entwickelte und dass alles mehr oder weniger floss. Das will er nicht verfestigen oder erstarren lassen. Er sagt einfach, was er für wahr hält, und berichtet davon, was er durch seine lange und vielfältige Erfahrung festgestellt hat.

Ursprünglich hatte er nicht die Absicht, eine Schule zu begründen. Er lebte ein Leben, seine Missachtung der Verfahren der alten Schulen bestand schlicht in der Ankündigung, dass er fortan seine Patienten gemäß seiner eigenen höchsten Erkenntnisse behandeln werde.

Und die Patienten kamen zu ihm in Wagen, auf Tragen, humpelnd auf Krücken und Stöcken, und Tausende von ihnen ließen ihre Krücken und Stöcke und Stützen aufgehäuft in seinem Vorgarten zurück. Wenn die Leute zahlen konnten – alles in Ordnung. Wenn sie nicht zahlen konnten – alles in Ordnung! Doktor Still war kein großer Geschäftsmann, wenn es ums Geld ging.

Etwa um das Jahr achtzehnhundertneunzig fasste Doktor Still die Idee, eine Medizinschule zu gründen, und zwar tat er das schlicht zur Selbstverteidigung.

Zu dieser Zeit lebte Doktor Still in Kirksville, Missouri. Er war Farmer und Arzt. Die Leute kamen zu Hunderten über viele Meilen Entfernung, um von ihm behandelt zu werden. Das war mehr als ein bloß örtlich begrenzter Wahn. Die, die geheilt wurden, gingen fort und verkündeten die frohe Botschaft. Und die Leute kamen in solchen Massen, dass sie den Ort geradezu in Besitz nahmen.

Doktor Still unterrichtete eine ganze Anzahl junger Männer darin, wie sie die Manipulationen auszuführen hatten, und im Wesentlichen setzten sich seine Idee und seine Methoden dadurch in deren Köpfen fest. Sie wurden sozusagen zu Experten in der Wissenschaft der rechten Anpassung.

Einige der jungen Männer und Frauen, die geheilt worden waren, waren begierig darauf, diese Kunst selbst zu lernen, hinauszugehen und sie auszuüben. Und so wurde eine kleine Hütte mit einem Raum beschafft, wo diesen Schülern tägliche Unterrichtsstunden erteilt wurden.

Doktor Charles E. Still, Sohn des Alten Doktors, hatte verschiedene Schulen und Krankenhäuser in New York, Chicago, Philadelphia und Boston besucht. Nun klemmte er sich gemeinsam mit seinem Vater richtig hinter die Sache und arbeitete sechzehn Stunden am Tag.

So wuchs das Geschäft. Bald schon war die kleine Hütte zu klein und ein Vortragssaal wurde errichtet. Weitere Gebäude entstanden zu gegebener Zeit.

Im Jahr 1900 ging ein Anteil an der Schule an Doktor George M. Laughlin über, der eine der Töchter des Alten Doktors Still geheiratet hatte. Dies war ein Glückstag für die Osteopathie, da Laughlin ein Mann von seltener Begabung ist.

Kürzlich unternahm ich eine kleine Reise nach Kirksville und verbrachte zwei glückliche Tage unter Studenten, Professoren und Patienten.

Die School of Osteopathy in Kirksville umfasst inzwischen ein Dutzend oder mehr Gebäude. Es gibt zwei prächtige Ziegelbauten mit Büros, einem Hörsaal und Vortragsräumen sowie etwa fünfzig Zimmern, in denen Behandlungen stattfinden.

Nie geht die Anzahl der Patienten zurück. Täglich finden Sprechstunden statt und der Professor stellt Diagnosen oder gibt der Klasse Vorlesungen und demonstriert die Behandlungen. Jede Art, jeder Stand der von Krankheiten geplagten Menschheit, wie man sie sich nur vorstellen kann, lassen sich antreffen – jung und alt, reich und arm, gelehrt und ungebildet, sie alle kommen zur Behandlung.

Kein Ort der Welt bietet solche Möglichkeiten für das Studium der Heilkunst wie Kirksville.

Verschiedene andere Colleges und Schulen ähnlicher Ausrichtung wurden in verschiedenen Teilen des Landes eröffnet, seit die School vor zwanzig Jahren gegründet wurde. Doch Kirksville ist die Heimat der Osteopathie. Es ist die Heimat von Doktor Andrew Taylor Still, von Doktor Charles E. Still, von Doktor George M. Laughlin und von Doktor George Still, einem sehr begabten Chirurgen und Neffen des Alten Doktors.

Diese vier Männer haben diese Einrichtung aufgebaut, darin geschickt unterstützt durch E. C. Brott als Geschäftsführer.

Emerson sagt, dass jede große Institution der verlängerte Schatten eines Mannes sei. Für die Osteopathieschule in Kirksville trifft das gewiss zu.

Mehr als siebenhundert Studenten besuchen die Schule. Etwa ein Drittel davon sind Frauen. Ich fand es interessant und erfreulich, dass Frauen zumeist zu den besten Studenten der Osteopathie zählen und, in der Regel, den Beruf sehr erfolgreich ausüben.

Frauen sind gute Ärzte. Das große, überströmende Mutterherz ist in der Lage, seine liebevolle Fürsorge auszuweiten und sich um die Nöte einer großen Zahl an Leuten zu sorgen.

Die Osteopathie erhebt nicht den Anspruch, alles darüber zu wissen. Keine Schule der Medizin ist so vollständig im Recht, dass sie es sich leisten könnte, zu behaupten, alle anderen lägen völlig falsch.

Es liegt Gutes auch in anderem, ansonsten könnte es gar nicht existieren. Indem sie dies anerkennt, strebt die Osteopathie danach, jede Idee, jede Gerätschaft, jede Erfindung, die den von Krankheiten betroffenen Menschen dienstbar sein könnten, zu nutzen.

In Kirksville gibt es ein vollständig ausgestattetes chemisches Laboratorium. Die Gerätschaften des Krankenhauses dort sind vermutlich ebenso gut wie auch sonst in Amerika, einschließlich des sachkundigen Personals, um sie zu betreiben, wenn Bedarf dazu besteht.

Natürlich ist die „richtige Anpassung“ die Hauptsache in der Osteopathie und bringt auch, in einer großen Anzahl exemplarischer Fälle, Linderung. Darin liegt das Geheimnis der Osteopathie, wenn es denn überhaupt eines gibt, was natürlich nicht der Fall ist, weil sie allen gehört und jedem, der sie zu verstehen, aufzunehmen und anzuwenden vermag.

Ich habe bemerkt, dass diese Studenten in Kirksville nicht „aufs College geschickt“ worden sind. Sie sind dort aus eigenem Antrieb und freiem Willen hingegangen. Viele von ihnen mussten zweifellos Opfer bringen, um von diesen Ausbildungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, und so nutzen sie ihre Zeit. Faulenzer kommen in Kirksville nicht rein.

Ich hatte das Vergnügen, vor der ganzen Schule zu sprechen, und konnte den wunderbaren und empfänglichen Geist bemerken, den die Studenten besitzen. Sie waren eine sehr gesunde, glückliche, kraftvolle, ernsthafte und gutmütige Gruppe von Männern und Frauen.

In keinem College, an dem ich jemals gesprochen habe – und ich habe in Schulen, Colleges und Universitäten überall in den Vereinigten Staaten, in England, Schottland, Irland und Frankreich vorgetragen –, habe ich jemals eine ernsthaftere, empfänglichere und vernünftigere Gruppe an Studenten erlebt.

Sie sind gut ausgebildet, nicht allein in der Heilkunst, sondern sie sind gleichermaßen belehrt in der Notwendigkeit, auch selbst gesund zu bleiben.

Alles in allem sind Ärzte kein sehr gutes Versicherungsrisiko. Sie neigen dazu, sich übermäßig zu stimulieren, übermäßig zu essen und zu wenig Luft zu holen, und wenn sie nicht durch die Erfordernisse ihrer Arbeit ins Freie getrieben werden, sitzen sie am glühenden Ofen und müssen modrige Bücher und Medizinzeitschriften lesen, die sich dem Geheimnisvollen, Anomalen, Ungewöhnlichen widmen.

Der Osteopath ist ein ziemlich gutmütiger Mensch. Zudem ist er ein hart arbeitender Mensch.

Osteopathie ist nicht allein ein Beruf, sondern auch ein Geschäft. Wenn man den Leuten nutzt und ihnen einen Dienst leistet, sollten sie dafür bezahlen. Wohltätigkeit hat keinen Platz in der Welt der modernen Wirtschaft. Ein Dienst, der nicht bezahlt wird, wird nicht gewürdigt.

Eins ist gewiss: Osteopathie vergiftet nicht, korrumpiert nicht und tötet nicht. Und ich bin überzeugt, dass sie in neunundneunzig von hundert Fällen zu einem positiven Ergebnis führt.

Gelenke zu befreien, übermäßige Spannung zu lösen, vollständige Entspannung herbeizuführen – dies alles bedeutet eine Verbesserung des Blutflusses und infolgedessen eine natürliche Beseitigung der Giftstoffe, welche der Körper angesammelt hat und loswerden sollte. Die aufrechte Position entspricht nicht dem ursprünglichen Plan der Natur. Als der Mensch anfing, auf zwei Beinen zu laufen, schlug er Mutter Natur ein Schnippchen, und sie straft ihn seitdem von Zeit zu Zeit mit einem krummen Rücken.

Uns geht es nur gut, wir sind nur dann glücklich und in der Lage, zu denken, zu arbeiten, zu lieben, duldsam und erfolgreich zu sein, wenn die Wirbelsäule ihre vollkommene Arbeit leisten kann.

Ich stelle fest, dass die Osteopathen nicht davon sprechen, Leute zu „heilen.“ Alles, was ein guter Arzt tun kann, ist es, der Natur zu erlauben, mittels des menschlichen Organismus zu spielen. Es ist die Natur, die heilt.

Wir alle wollen den göttlichen Strom gut übertragen, um einen aufnahmebereiten Geist, ein gastliches Herz zu kultivieren, und wir wollen Körper besitzen, die eine angemessene Bleibe sind für den Heiligen Geist.

Wir sind getränkt in einem Ozean der Intelligenz. Die Welt ist Geist. Der Geist nimmt materielle Gestalt an und eine solche materielle Gestalt ist der menschliche Körper. Die menschliche Seele scheint Teil eines Großen Geistes zu sein, zu einem Teil gewissermaßen abgesondert im einzelnen Körper. Unsere Aufgabe ist es, es dem göttlichen Geist zu ermöglichen, durch uns zu spielen. Daher ist die glückliche, entspannte, freigebige Gemütslage stets die gesunde.

Streift den Druck des Hasses ab, die Verengung der Eifersucht, die Last des Kummers, und bestimmt wird etwas Gutes folgen.

Druck der Knochen auf die Nerven, der Gelenke auf die Arterien – sie behindern den freien Fluss der Körpersäfte.

Die „Manipulationen“ versetzen die Maschine einfach wieder in volle Funktionsfähigkeit, sodass die Natur ihren Weg nehmen und ihre vollkommene Arbeit verrichten kann.

Wir sind Teil der Natur – genau genommen sind wir Natur. Die Natur ist unsere Mutter, und je stärker wir die Natur lieben, desto mehr werden wir sie verstehen, je mehr wir uns mit der Natur bewegen, desto glücklicher und besser werden wir sein.

Die Strafen des Lebens treffen uns für Ungehorsam gegenüber den Gesetzen der Natur. Die Segnungen des Lebens erhalten wir dafür, eins zu sein mit der Universalen Mutter.

Niemand kann erwarten, dass sich die Wissenschaft der Osteopathie in einem einzelnen kleinen Buch wie diesem hier erklären lassen könnte. Was ich versuche, ist, einen allgemeinen Eindruck vom Werk Andrew Taylor Stills und seinen fähigen Helfern zu vermitteln, die seine Ideen weitertragen und erweitern.

Dass diese starken, fähigen, vernünftigen Männer und Frauen die Wissenschaft der Osteopathie bereits über das hinausgeführt haben, was der Alte Doktor je erwartete, ist ohne Zweifel vollkommen wahr. Der gute Alte Doktor selbst hat es mir gegenüber eingeräumt. Doktor Charles E. Still, im Grunde das Haupt der Schule, ist ein sehr robuster, tüchtiger und aufrichtiger Typ Mann. An dem Tag, als ich zuletzt dort war, gab es eine Viehausstellung in Kirksville.“Doktor Charlie“ und ich besuchten die Ausstellung und diskutierten mit den Farmern über Pferde, Maultiere, Schweine und Schafe. Ich konnte bemerken, dass Doktor Charlie den Respekt jedes einzelnen von ihnen genoss. Seine Nachbarn glauben an ihn – seine Familie glaubt an ihn – und er glaubt an sich selbst. Er ist ein Mann, der nichts zu verbergen hat. Er ist zugänglich, freundlich, wohlgesinnt und großzügig. Er verkehrt allerorten im Menschen jeder Art und Stellung. Er ist ein Mann, den man respektieren und bewundern kann.

Wir saßen auf der Veranda in der schönen Oktobersonne und blickten hinaus auf das welkende, sich tief ins Rote, Braune und Rotbraune verfärbende Blattwerk, das sich meilenweit in alle Richtungen erstreckte.

„Das Jahr stirbt,“ sagte der Alte Doktor.“Vielleicht sterben wir alle.

Ich bin deutlich über achtzig, und die große Arbeit geht dort unten ohne mich weiter. Sie scheint ohne mich sogar besser zu laufen als mit mir. Und dennoch bin ich von ganzem Herzen daran interessiert.

Alle diese Jungen und Mädchen, die zum Studieren hierher kommen, sind meine Kinder. Heute kenne ich nur noch wenige von ihnen beim Namen. Einst kannte ich jeden einzelnen Studenten hier und einen guten Teil ihrer Geschichte. Ich rief sie beim Namen, wenn wir vorübergingen. Nun ist das nicht mehr so. Das Geschäft wächst über mich hinaus und ich fühle, dass ich dahinscheiden könnte und die Arbeit würde weitergehen.

Das macht mich nicht traurig. Ich habe den schwarzen Wolf des Todes erlegt. Ein anderer Name für diesen Wolf ist Angst, und Angst findet sich in allen Ställen der Lämmer Gottes. In allen Religionsgemeinschaften findet man dieses Element der Angst und des Schreckens angesichts der Vorstellung vom Tode.

Ich habe viele Leute sterben sehen. Ich stand an der Seite des Bettes und erzählte dem Mann, dass er morgen um diese Zeit ein Leichnam sein werde, und noch nie habe ich jemanden kennengelernt, der für die Ewigkeit abberufen wurde, der irgendetwas über das Leben danach wusste. Dies alles ist Glauben, Gerücht, Mutmaßung.

Ich weiß gleichwohl, dass es weder Angst noch Furcht vor dem Tod gibt, wo wir den Körper bei guter Funktionsfähigkeit erhalten, sodass alle seine Teile zusammen alt werden. Der Tod ist so natürlich wie das Leben und ebenso gut. Ich bin bereit und willens zu gehen und zuversichtlich, dass die Veränderung auf eine höhere Stufe führen wird, dass meine Seele irgendwo in irgendeiner Form weiterleben wird und dass die Große Macht, die hier all diese Jahre für mich gesorgt hat, mich auch dort nicht verlassen wird.

Der Große Architekt des Universums ist auf unserer Seite. Er ist eins mit uns, und ich bin bereit, all die Veränderungen zu empfangen, die der Große Architekt für notwendig erachtet, um das Werk zu vollenden, für welches der Mensch geschaffen wurde.

Aufgabe des Menschen ist dies: Erkenne dich selbst und sei in Frieden mit Gott.“

„Jede große Institution ist der verlängerte Schatten eines Mannes.“

Ralph Waldo Emerson

„Wenn du Zweifel hast, erzähle deinem Patienten die Wahrheit“8

George Laughlin

„Finde es, bring es in Ordnung und lass es in Ruh.“9

Andrew Taylor Still

Erinnerungen an Andrew Taylor Still

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