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Annika Kämmerer
ОглавлениеLiebe gegen Wasser
Es war der Morgen des 13. Mai 2495, ein Freitag, ein verdammter Freitag, der 13.! Noch war dieser Tag so wie jeder andere, aber das würde sich schon bald ändern. So wie jeden Morgen ließ Prof. Dr. Theodor Waldmann, von allen nur Theo genannt, sich um halb sechs einen Kaffee von Squatch bringen. Squatch war der neueste und beste Roboter weltweit. Theo hatte ihn selbst entwickelt und war sehr stolz auf sein Werk. Diese neueste Generation der Roboterreihe »Sputnik 3000« nimmt dem Menschen jegliche Hausarbeit ab. Kaffee kochen, sauber machen, bügeln, ja, sogar Zimmer aufräumen. Durch Theos Arbeit bleiben hier und da auch mal ein paar schmutzige Sachen liegen. Erfinder sind eben zum Erfinden da und nicht zum Aufräumen.
Auf einmal klingelte das Ascot, ein telefonartiges Gerät, durch das man sich gegenseitig sehen kann. Theo ging ran und ein kleiner rundlicher Mann namens Prof. Brown war an der anderen Seite der Leitung. Er war ganz aufgeregt und lief hektisch hin und her. Prof. Brown erzählte etwas von einer großen Überschwemmung, bei welcher wir alle sterben würden und dass wir uns retten müssten. Theo verstand kein Wort und wollte seinen Kollegen erst einmal beruhigen. Dieser aber war immer noch total fertig. Er dachte über die Worte, die ihm Prof. Brown gesagt hatte, nach. Doch einen Zusammenhang fand er immer noch nicht. Nach mehrmaligen Versuchen, seinen Kollegen zu beruhigen, schaffte Theo es endlich.
Prof. Brown erzählte alles noch einmal ganz genau: »In drei Wochen soll eine große Flutwelle kommen, die uns alle sterben lässt.«
Theo glaubte, er höre nicht richtig. »Eine Flutwelle, sagst du?«, versuchte er nachzuhaken. Schließlich waren all seine Kollegen ziemliche Spaßvögel und er wollte wissen, ob dies nur ein dummer Streich sei. Deshalb rief er gleich, nachdem er aufgelegt hatte, das Wetterzentrum »Nachtgesang« an.
»Hallo, Wetterzentrum ›Nachtgesang‹, was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine dumpfe Stimme.
»Ich hätte gern die Wetteraussichten der nächsten vier Wochen«, sagte Theo.
Der Mann fragte Theo, ob er sie per Fax oder per E-Mail haben wolle. Theo dachte kurz nach, entschied sich aber für die E-Mail. Eine halbe Stunde später kam Squatch mit den Ergebnissen: Es war wahr, was Prof. Brown gesagt hatte. In drei Wochen würde eine große Flutwelle kommen. Theo musste sich setzen. Er konnte und wollte einfach nicht glauben, dass er schon in drei Wochen nicht mehr da sein würde. Dabei hatte er sich doch gerade in die schöne Linda Weißenfels verliebt mit ihren goldbraunen Locken und den roten weichen Lippen. Zudem war Linda auch noch wahnsinnig intelligent, aber nicht intelligenter als Theo.
»Apropos Linda«, meldete sich Squatch zu Wort. »Wollten Sie sich nicht mit ihr in der Eisdiele ›Bots‹ heute um 15:00 Uhr treffen?«
»Ohhhh, Mist, das habe ich total vergessen«, fluchte Theo.
In Windeseile zog er seinen Kittel aus und schlüpfte in eine Jeans, zog sich ein ordentliches Hemd an, schnappte sich den Schlüssel seines Kaspersky und fuhr sofort zur Eisdiele. Eine Viertelstunde nach der vereinbarten Zeit kam Theo in der Eisdiele an. Linda war nicht so böse und sie redeten und redeten. Dabei erzählte Theo Linda von der Flutwelle.
Linda hatte eine Idee: »Ein Schiff, wir brauchen ein großes Schiff.«
»Aber wo sollen wir so ein großes Schiff herbekommen?«, fragte Theo.
»Och Mann, Theo«, sagte Linda etwas genervt, »wir müssen es natürlich selber bauen!«
Noch am Abend schrieb Theo eine E-Mail an alle Leute aus Metro City und bat sie, ihnen bei dem Schiffbau zu helfen. Am Morgen versammelten sich alle auf dem großen Platz. Na ja, fast alle. Theos Erzfeind der Wissensbranche war nicht da.
Um 9:00 Uhr begann der Bau des Schiffes. Alle hatten etwas dazu beigetragen: Frau Mausewitz, die Frau des Bürgermeisters, hatte ein paar alte Bleche und zigtausend Nägel. Frau und Herr Lampke, die Bäcker der Stadt, brachten ein altes Autolenkrad mit und versprachen, wenn die Reise losgehe, seien sie für die ganze Versorgung zuständig. Der Mann aus dem Computerfachladen brachte sehr viele Kabel mit und wollte die, wenn das Schiff fertig war, mit ein paar Freunden anschließen. So brachten alle Leute etwas mit und der Schiffbau konnte beginnen.
An den ersten beiden Tagen schafften sie nur das Grundgerüst, was die Leute aus dem Baumarkt »Office Line« erledigten. Sobald sie damit fertig waren, nahmen die Helfer alle Bleche, die sie hatten, und befestigten sie mit den Nägeln der Frau des Bürgermeisters, sodass sie hielten und kein Wasser durchkam. Das dauerte drei Tage. Ab jetzt war Arbeitsteilung angesagt. Die einen strichen mit bunter Farbe die Außenwand des Schiffes, die anderen machten sich an die Inneneinrichtung. So gingen die Arbeiten voran.
Am Abend legte sich Theo erschöpft in sein Bett und dachte darüber nach, ob Linda ihn mochte oder nicht. Schließlich schlief er vor lauter Nachdenken ein. Morgens weckte ihn eine zarte Stimme. Diese konnte nur von einer Person stammen, Linda. Sie sagte zu ihm, dass die große Flutwelle jeden Moment eintreffen würde, und auf einmal kam etwas großes Dunkles hinter Linda hervor. »PENG!« Ein lauter Knall.
Theo wachte auf, als eine Tür wegen des Windes in ihr Schloss fiel. Er hatte alles nur geträumt. Für einen Moment dachte er, dass es wahr sei. Da kam auch schon Squatch und brachte Theo sein Frühstück.
»Dich nehme ich auf jeden Fall auch mit auf das Schiff«, sagte Theo zu Squatch.
»Ohhhhhhh … Danke, Theo!«, erwiderte Squatch dankbar.
Nachdem Theo sein Frühstück gegessen hatte, ging er zum Schiff. Doch was war das? Das Schiff war vollkommen zerstört. Es lagen nur noch verbeulte Bleche und Holz herum. Und schon in fünf Tagen sollte die große Flutwelle kommen! Was sollten sie jetzt nur machen?
Da kam Linda. »Was ist denn hier passiert?«, fragte sie verwundert und auch ein bisschen ängstlich.
»Jemand hat alles zerstört! Nichts ist mehr so, wie es war«, sagte Theo.
Als dann alle Leute eintrudelten, waren sie total empört. »Jemand hat unser wunderbares Schiff kaputt gemacht!«, schrien die einen. Andere weinten, wieder andere schlugen um sich. Die ganze Arbeit der letzten Wochen und Tage war zerstört.
»Bewohner von Metro City«, sagte Theo in einem etwas lauteren Ton, »unser Schiff ist zwar zerstört, doch das hindert uns alle nicht daran, diese Stadt in fünf Tagen mit einem Schiff zu verlassen.«
»Das stimmt«, schritt Prof. Dr. Erich, Theos schlimmster Erzfeind der Wissensbranche, ein, »denn ich habe ein Schiff! Da passen wir alle drauf!«
Alle Leute jubelten Prof. Erich zu und gingen fröhlich nach Hause.
»Tja, Waldmann, das hättest du nicht gedacht, was?«, sagte Prof. Erich mit einem spitzen Unterton.
»Du warst das, du hast unser Schiff zerstört. Nur weil du den ganzen Ruhm und die Ehre haben willst!«, meinte Theo wütend.
Da kam Linda um die Ecke und sagte ebenfalls: »Du hast unser Schiff zerstört? Du warst das!«
Damit drehte sich Prof. Erich um und schrie sie an: »Ja, ich habe euer Schiff zerstört, und ratet mal, wen ich nicht mit auf mein Schiff nehme. Ja genau, euch zwei!«
»Jetzt müssen wir uns aber beeilen«, sagte Linda. »Wir müssen unser Schiff reparieren!«
»Ja, klar«, sagte Theo etwas abwesend.
Sie bauten Tag und Nacht, bis sie eines Mittags endlich fertig waren.
»Das Schiff ist perfekt«, meinte Linda. Dann gingen sie beide in ihre Häuser, legten sich in ihre Betten und schliefen sofort ein.
Annika Kämmerer
Am Morgen wachte Theo von lautem Gebrüll auf. Er stand auf und da fing es an, das Gewitter. Schnell packte Theo alle seine sieben Sachen und machte sich auf den Weg zum Schiff. Es war extrem viel Wasser auf den Straßen, sodass man schon fast schwimmen konnte. Theo musste Squatch sogar tragen, da Roboter natürlich kein Wasser vertragen. Gerade als Theo ablegen wollte, fiel ihm etwas auf. Wo war Linda? Theo schrie immer wieder nach ihr, doch es kam keine Antwort.
»LINDA! LINDA! LINDA!«, schrie er immer wieder, doch er bekam keine Antwort. »Squatch«, sagte Theo verzweifelt, »pass bitte auf das Schiff auf, und ich geh Linda suchen!«
Sputnik 3000 Roboter können denken und handeln wie Menschen, Gefühle wie Schmerz oder Ironie sind ihnen fremd.
Wie ein wild gewordener Stier suchte Theo, so schnell er konnte, alles ab, doch die Häuser waren bereits mit Wasser vollgelaufen. In Lindas Haus suchte Theo zuletzt. Er holte tief Luft und tauchte ab. Er fand sie in einem Luftloch der ersten Etage und packte sie am Arm. Sie küssten und umarmten sich kurz, dann verließen sie das Haus. Draußen schlugen ihnen die Wellen entgegen und der Wind peitschte erbarmungslos. Mit letzter Kraft erreichten sie das Schiff. Die Stadt war bereits kaum noch zu sehen.
Theos Widersacher, Dr. Erich, hatte sein Schiff fatalerweise zu weit von der Hafenausfahrt festgemacht. Durch den Druck der Wellen an dieser Seite des Hafens war es ihm unmöglich, den Hafen zu verlassen. Theo, Linda und die Mannschaft schafften es gerade noch aus dem Hafen, ohne an die Kaimauer gedrückt zu werden. Geschickt steuerte das Hightechschiff durch die Wogen, gesteuert per Autopilot.
Nach weiteren drei Stunden hatten sie die offene See erreicht, als plötzlich der Wind nachließ. Trotz aller Erwartungen schwächte sich der Sturm im Laufe des Tages ab und alle waren erleichtert. Theo und Linda hatten sich in die Kajüte zurückgezogen, lagen erschöpft, aber glücklich in der Koje und schliefen sehr schnell ein.
Am nächsten Tag erreichten sie wieder die Stadt, wo sich ihnen ein Bild der Zerstörung bot. Alle Menschen, die nicht auf die umliegenden Schiffe gelangt waren, hatten sich in die Berge gerettet. Die Arbeitsroboter fingen unverzüglich an, die Stadt wieder aufzubauen. Mit der Entwicklung des Sputnik 3000 würde dies jedoch viel schneller vorwärtsgehen. Theo wollte weiterforschen.