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Der Tarifvertrag der IG Metall zur Zeitarbeit

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Für einen kurzen Moment wundert sich die Republik: Gerade erst hatte der Gesetzgeber den boomenden Einsatz von Zeitarbeit in deutschen Betrieben begrenzt und sich damit vonseiten der Gewerkschaften neben viel Lob unter anderem die Kritik zugezogen, dass die Einschränkung der Verleihfristen nicht weit genug gehe. Und im nächsten Moment macht die IG Metall von einer weise ins Gesetz eingebauten Klausel Gebrauch, die eine tarifvertragliche Abweichung von den gesetzlichen Bestimmungen erlaubt, und vereinbart im ersten Anwendungsfall dieser gesetzlichen ‚Privilegierung‘ der Tarifparteien eine Ausweitung der Leiharbeitsfristen bis zu vier Jahren, mit den Worten einer teilnehmenden Öffentlichkeit „Leiharbeit als Dauerzustand“ (FR.de, 19.4.17). Das erstaunt nicht nur die Fraktionssprecherin der Linken für Arbeit und Mitbestimmung Jutta Krellmann: „Wenn das Gesetz am Ende besser ist als der Tarifvertrag, dann fragt sich der mündige Gewerkschafter, wozu er eine Gewerkschaft braucht.“ Rio Antas, IG-Metall-Vorstand mit Fachbereich Tarifpolitik, kann da weiterhelfen:

„Eine Höchstverleihdauer von vier Jahren sieht die IG Metall als Ausnahme an, um betrieblich über den tarifvertraglich geregelten Rahmen hinaus bessere Beschäftigungsbedingungen zu sichern. Nach Einschätzung der Gewerkschaft ergänzen die Regelungen des Tarifvertrages das neue Gesetz. Dieses regele, dass die Leihbeschäftigten höchstens 18 Monate einem Betrieb überlassen werden dürfen. Das könnten Zeitarbeitsfirmen auch mit Rotationsmodellen umsetzen, indem sie ihre Beschäftigten austauschen, sagt Rio Antas. Nach dem Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie dürften die Betriebe ihre Leiharbeiter zwar sechs Monate länger beschäftigen – dann aber seien sie verpflichtet, eine unbefristete Übernahme anzubieten.“ (haz.de, 19.4.17)

Bei rechtem Licht betrachtet handelt es sich bei der Ausweitung der zulässigen Verleihdauer also gar nicht um eine Verschlechterung, weil die gesetzliche Regelung sonst mit Rotationsmodellen einfach umgangen würde. Eine Verlängerung um sechs Monate ist folglich im Sinne derer, die sonst schon vorher rotieren müssten. Warum dann die unbefristete Übernahme stattfinden sollte, deren Umgehung mittels fristgerechter Rotation eben noch unterstellt war, bleibt zwar ein Rätsel. Das muss aber auch gar nicht sein, denn auch für den Bedarf nach längerer befristeter Anstellung von Leiharbeitern hat die IG Metall eine konstruktive Lösung parat. Sie kann sich auch eine Verlängerung der Verleihdauer auf bis zu 48 Monate vorstellen:

„Da es sich bei solchen Vereinbarungen um ein Geben und Nehmen handele, könnten die Betriebsräte als Gegenleistung für eine 48-monatige Überlassungsdauer andere Vorteile – etwa übertarifliche Entlohnung oder Sondergratifikationen – für Leiharbeiter verlangen, so der Gewerkschaftssprecher. In diesem Sinne eröffne die Vier-Jahres-Grenze die Möglichkeit, bessere Beschäftigungsbedingungen zu sichern.“ (FR.de, 19.4.17)

Keine Frage, die IG Metall hat ihre Lektion in Sachen Leiharbeit gelernt: Den Anforderungen der Betriebe gilt es sich nicht entgegenzustellen, sondern sie bedingungslos zu unterschreiben, um sie auszunutzen: Das ist die Lösung! In diesem Sinne gibt die Gewerkschaft den Betriebsräten das machtvolle Instrument in die Hand, Verschlechterungen im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung einzuräumen, um im Gegenzug möglicherweise Verbesserungen als Preis verlangen zu können. So lässt sich aus dem neuen Gesetz zur Leiharbeit noch richtig etwas im Sinne der Leiharbeiter herausholen. Und ganz nebenbei gibt die IG Metall damit der gesetzlichen Privilegierung der Tarifpartnerschaft genau den gemeinten Inhalt: Die nationalen Standortbedingungen werden sozialpartnerschaftlich, also friedlich, optimiert.

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