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Weihnachtlicher Fünfkampf

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Die Aula des Gymnasiums war mit der Holzklasse bestuhlt. Breite Sitzflächen, ziemlich hart, aber doch bequem.

Zum Konzert heute waren fünf Chöre angekündigt, die einen Einblick in ihre Sangesleistung und Weihnachtsprogramme geben wollten. Ich traf kurz vor Beginn ein und konnte aus zirka 200 freien Plätzen einen auswählen. Der Sturm draußen, die Kälte und der einsetzende Schneefall hatten sicherlich viele davon abgehalten, abends nochmals das Haus zu verlassen.

Die übliche Begrüßung war vorüber und ein bunter Mix an Kindern betrat die Bühne. Kleine, Große, Mädchen, Jungen, fein im Rock oder Hemd, quergestreift und kariert, lässig oder cool. Zur Einstimmung gab es ein beschwingtes „Jingle Bells Rock“, das mit Musikuntermalung erklang und so die winterkalten Herzen erfreute. Wer konnte ahnen, dass dieser Song das Highlight des Abends sein sollte? Der junge Chor hing noch ein englisches und ein spanisches Lied an, dann wurden die Sänger schnell verabschiedet. Sie hätten heute noch einen weiteren Auftritt.

Es folgte eine Beamer-Präsentation für eine Kinderhilfsorganisation. Der Moderator im knallroten Anzug machte ständig Anspielungen auf Florian Silbereisen. Dann stellte er aber ein Projekt vor, dessen Hauptaufgabe das Verteilen warmer Mahlzeiten an bedürftige Chemnitzer Kinder ist. Sicherlich muss das alles sein, aber auf einen längeren Werbebeitrag hatte ich keine Lust. Ich unterdrückte ein Gähnen und versuchte weiterhin, interessiert auszusehen. Das Licht im Saal blieb die ganze Zeit an, Publikum und Vortragende konnten sich somit immer betrachten. Ich frage mich, ob das so eine gute Idee ist. Nicht umsonst werden große Bühnen derart mit Scheinwerfern beleuchtet, dass die Zuschauer im Dunkel verschwinden. Der Künstler wähnt sich allein und kann somit in seiner Rolle vollends aufgehen. Vielleicht war das das Problem des Abends …

Als der Rotgewandete nach Zeitüberzug endlich von der Bühne weg war, schöpfte ich neue Hoffnung. Eine gemischte Truppe betrat nun die Bretter, die für sie nie die Welt bedeuten würde, denn sie schaffte nicht mal eine ordentliche Aufstellung. Die Großen standen vorn, dahinter versteckt ein paar Kleinere. Ein unordentlicher Haufen in Schwarz, die Frauen mit orangegelben Schals. Ihre Liedauswahl enttäuschte schon nach den ersten Zeilen. „Mein Mund, der singet“ wollte ich nicht hören. Zum ersten Mal bedauerte ich, dass hier eine Fernbedienung nicht funktioniert. Sonst wäre ich auf fast forward gegangen, 16-fache Geschwindigkeit. Wie sich herausstellte, war das noch zu wenig, next wäre sinnvoller gewesen. So hätte ich mir die Qual vier weiterer falsch gesungener Lieder erspart. Der Chor-Leiter erkannte das Dilemma auch und stoppte sogar während eines Werkes seine Schäfchen. Vermutlich dirigierte er sie auch mit Blicken. Doch diese kamen nicht an, denn der Hauptübeltäter, eine kleine Mittfünfzigerin, versteckte sich gekonnt hinter dem Liedtextordner. So sang sie weiter viel zu laut, zu hoch und zu schief. Ich wünschte mir die Taste mit dem durchgestrichenen Lautsprecher her. Dieser Chor war nur taub zu ertragen …

Endlich war es ausgestanden. Die Frauen und Männer trauten sich kaum, ins Publikum zu schauen, das diese magere Leistung auch nur mit spärlichem Applaus bedachte. Nur eine schien vollauf mit sich zufrieden, Sie können sich denken, wer das wohl war.

Die Bühne füllte sich erneut. Ungefähr 20 gestandene Männer bevölkerten nun das Halbrund. Schon ihr Anblick unterstrich ihre Qualität. Durchweg dunkelgraue Anzüge, weinrote Hemden mit silbernem Schlips. Der Sprecher erklärte mit Witz die Vereinsstrukturen, der Abend begann, lockerer zu werden. Er erzählte, dass nächstes Jahr das 175-jährige Jubiläum anstehen würde. Einigen Herren sah man dieses stolze Alter nicht an, einigen glaubte ich sofort. Dann wurde noch die sogenannte „Frauenquote“ vorgestellt, die Chorleiterin – eine attraktive Brünette. Die in der ersten Reihe strengten sich nun besonders an. „Herbei, oh ihr Gläubigen“ war der Auftakt und mich überzog sofort eine Gänsehaut ob der tiefen Stimmen und dem starken satten Klang, den sie verteilten.

Genau! So hatte ich mir das vorgestellt, danke Jungs. Ich atmete durch, entspannte ein wenig und im Saal wurde es ganz still. Die folgenden Stücke „Gloria, Gloria, Gott in der Höh“, „’s Raachermannl“ und „Jubilate – Hört die Weihnachtsglocken klingen“ genoss ich noch, war ganz dabei und ließ meine Gedanken ziehen. Es folgte stürmischer Applaus und die Herrschaften bemühten sich zum Ausgang.

Inständig hoffte ich, der Abend sei doch noch gerettet, aber dann betrat der nächste Dorf-Singe-Clan die Stätte der Aufmerksamkeit. Grundfarbe der Anzüge war schwarz, gelbe Tücher für die Damen, orange Krawatten für die Herren. Die Aufstellung gelang so einigermaßen. Immerhin sangen sie die ersten geläufigeren Weihnachtslieder: „Alle Jahre wieder“ und „Leise rieselt der Schnee“. Das passte, war in Ordnung, weder besonders gut, noch besonders schlecht. Etwas lustig empfand ich das „Carillon de Vendome“. Das Programm wies es als Italienisch aus, es klang eher nach sächsischem Französisch. Das stimmte mich wieder heiter und lies mich auch noch ein Stück Wagners ertragen: „Weihnachten is, stille Nacht“. Dann waren sie wirklich still, fassten den mageren Beifall ab und trotteten davon. Auf zur letzten Runde, dachte ich mir und seufzte leise. Die Bühne füllte sich abermals und ward nun derart vollgestellt, dass sich mein Spott in Anerkennung wandelte. Der „Seniorenchor“ hielt Wort, es war keiner unter 60 Jahren dabei. Von den Farben her präsentierten sich die 50 Leute in schwarzen Hosen oder Röcken, weinroten Oberteilen mit (Sie ahnen es schon) gelborangen Schals für die Damen und weißen Hemden mit rotsilbernen Schlipsen für die Herren. Ich fragte mich die ganze Zeit, ob dieses textile Etwas um die Hälse Zufall ist (vielleicht ein Sonderangebot?) oder ein Erkennungsmerkmal: „Bitte lassen Sie mich durch, ich bin Chormitglied!“

Nun, die alten Leutchen sangen ganz passabel „Süßer die Glocken nie klingen“, „Vom Himmel hoch“ und „Oh Bethlehem, du kleine Stadt“. Es macht schon etwas aus, ob da nur zwölf Sänger stehen, von denen drei verkehrt unterwegs sind, oder viermal so viel, von denen man keine Ausrutscher hört. Die Senioren hatten meinen vollsten Respekt, der Abend war doch nicht ganz aus dem Ruder gelaufen. Gemeinsam stimmten wir noch das beliebte „Oh du fröhliche“ an, was alle Zweifler und Kritiker etwas versöhnte. Dann war alles vorbei, orange Nelken (Hilfe!) wurden verteilt und alles erhob sich von den Holzstühlen. Ich warf einen kleinen Geldbetrag in die überdimensionale Spendenbox, zog meine Wintersachen an und begab mich hinaus ins Dunkel.

Winter – Weihnacht – Wunderbares

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