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Soziale Arbeit in Palliative Care

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Palliative Care ist nach der Definition der WHO von 2002 »ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und deren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen: durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art« (vgl. WHO 2002d). Palliative Care ist demnach ein Konzept zur Beratung, Begleitung und Versorgung von am Ende des Lebens stehenden Patientinnen und Patienten durch verschiedene Berufsgruppen. In enger inter- und multiprofessioneller Vernetzung werden Wünsche, Bedürfnisse und der Willen von Sterbenden sowie deren Angehörigen als nahestehende Begleiterinnen und Begleiter von Schwerkranken wahrgenommen und umgesetzt. In der Palliative Care sind Ärztinnen, Pflegepersonal, Psychologinnen, Physiotherapeutinnen, Seelsorgerinnen, Theologinnen, ehrenamtliche Helferinnen sowie Sozialarbeiterinnen tätig.

Im Folgenden wird ein Profil der Sozialen Arbeit in Palliative Care zusammenfassend dargestellt, das von der Sektion Soziale Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin entwickelt wurde und die aktuellen fachlichen Standards gut abbildet (Sektion Soziale Arbeit der DGP 2012). Darin sind die oben angesprochenen Wissensebenen der Sozialen Arbeit deutlich erkennbar (Staub-Bernasconi 2007).

Dieses Profil umfasst sechs übergreifende handlungswissenschaftliche, theoriefundierte Ansatzpunkte zentraler Themen und Aspekte, auf die in allen Artikeln des hier vorliegenden Buchs jeweils unter spezifischen Gesichtspunkten explizit oder implizit Bezug genommen wird.

1. Erstes Grundprinzip und unverzichtbarer Eckpfeiler in der Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden sowie von Zugehörigen ist die notwendige Inter- und Multiprofessionalität. Darunter wird ein ganzheitlicher und mehrperspektivischer Behandlungsansatz in einem multiprofessionellen Team verstanden, mit dem Ziel, Leiden umfassend zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern, zu ermöglichen und zu erreichen. Das verbindende Element der verschiedenen Professionellen ist die Haltung, die die Profis in der Begegnung und Auseinandersetzung mit den Betroffenen einnehmen.

2. Zentral ist der gesellschaftliche Auftrag Sozialer Arbeit – ganz im Sinne der IFSW. Soziale Arbeit in Palliative Care bedeutet, Menschen in besonderen sozialen Problemlagen bei der Partizipation in der Gesellschaft zu unterstützen, ihre Ressourcen zu stärken, ihre Selbstbestimmung zu fördern und soziale Härten zu vermeiden. Im palliativen Arbeitsfeld ergeben sich auf der Handlungs- und Reflexionsebene folgende Schwerpunkte, in denen der Gegenstand der Sozialen Arbeit und der Palliative Care miteinander verbunden werden:

• Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Krankheit, Sterben und Tod sowie Integration dieser Prozesse in die Behandlungsplanung

• Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit

• Minimierung der Gefahr von Isolierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung

• Achtung vor dem besonderen Wert und der Würde aller Menschen und Unterstützung bei der Wahrnehmung der Rechte, die sich daraus ergeben

• Entwicklung und Förderung von Solidarität, mitmenschlichem Beistand und Entlastung, auch durch ehrenamtliche Begleitung

3. Soziale Arbeit hat spezifische Kernaufgaben und wirksame Handlungsmethoden. Konzepte und Arbeitsweisen Sozialer Arbeit tragen dazu bei, dass schwerkranke und sterbende Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der Wechselbeziehungen mit dem persönlichen Umfeld ihr Leben selbstbestimmt und würdevoll gestalten können. Hier ist ein ganzheitlicher, systemischer Blick erkennbar, der ermöglicht, komplexe Lebenslagen zu erkennen, zu analysieren und angemessene Methoden anzuwenden.

Soziale Arbeit in Palliative Care folgt in ihrem Handeln den wesentlichen Grundsätzen ihrer Profession – entsprechend der internationalen Definition Sozialer Arbeit: In sozialen Notlagen werden die betroffenen Menschen auf Basis von Ressourcenerschließung in ihrer Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit unterstützt, und der Zugang zu sowie die Nutzung von weiteren professionellen Hilfesystemen werden ermöglicht. Die Betroffenen werden dabei immer als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt gesehen. Die Einbettung im persönlichen Netzwerk wird durch Förderung der Kommunikation, eine Bearbeitung des Spannungsfeldes divergierender Bedürfnisse und Wünsche sowie durch Entlastung gestärkt. Hierbei werden neben den klassischen Methoden auch spezifische Methoden und Konzepte angewandt, z. B. Netzwerkarbeit, sozialarbeiterisches Case- und Care-Management und Biografiearbeit. Weitere typische sozialarbeiterische Handlungs- und Arbeitsweisen sind:

a) Beratung von schwerkranken Menschen und ihren Angehörigen

Beratung bedeutet stützende Interaktion zwischen Ratsuchenden und Beratern. Der Beratungsprozess strukturiert sich in die Schritte (Sozial-)Anamnese, Diagnose, Maßnahme und Evaluation. Als Entscheidungshilfe werden dem Ratsuchenden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt und seine Handlungsfähigkeit wird unterstützt. Die Beratung basiert auf rechtlichen Grundsätzen und beinhaltet auch sozialanwaltschaftliches Handeln. Sie findet als Einzel-, Paar- oder Familienbzw. Zugehörigengespräch unter Berücksichtigung individueller sowie kultur- und religionsspezifischer Aspekte statt. Dazu gehören laut der Sektion »Soziale Arbeit« der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin:

• Beratung im Umgang mit Krankheit und begrenzter Lebenserwartung

• Auseinandersetzung mit Krankheit, Sterben und Tod

• Unterstützung beim Verstehen von Befunden, Behandlungsvorschlägen und

• deren Konsequenzen

• Schließen von Informationslücken

• Aufzeigen von Möglichkeiten zur weiteren Pflege- und Wohnsituation, von Versorgungsperspektiven und Entlastungsmöglichkeiten (z. B. ehrenamtlichen Hilfen etc.)

• Vermittlung von Selbsthilfegruppen und weiteren Dienstleistern

• Beratung in sozialen, ökonomischen und sozialrechtlichen Fragen

• Unterstützung in besonders belastenden Situationen (Suizidalität, Trennung/Scheidung, Sucht und Gewalt etc.), ggf. Krisenintervention

• Unterstützung in sozialen Notlagen (Arbeitsplatz- oder Wohnungsverlust, Schulden/Insolvenz etc.)

• Unterstützung bei bzw. von Kindern als Betroffene oder Zugehörigen (Sicherung der Betreuung etc.)

• sozialrechtliche Beratung zur existenziellen Absicherung (Versicherungsansprüche, Grundsicherung/Sozialleistungen etc.), ggf. Beantragung

• Information zu Erbschaft und Testament, Sorgerechtsregelung für Kinder, Hinterbliebenenrente etc.

• Beratung im Rahmen von Pflege und Versorgung

• Organisation weiterer ambulanter/teilstationärer/stationärer Pflege (Pflegedienst, Hospiz etc.) und zusätzlicher fachlicher Hilfen (SAPV, Beratungsstellen etc.)

• Organisation von ergänzenden Hilfen (Notrufsystem, Essen auf Rädern etc.), hauswirtschaftlichen Hilfen und Pflegehilfsmitteln sowie deren Kostensicherung

• Organisation der Betreuung von Kindern oder anderer betreuungsbedürftiger Zugehöriger

• Beratung zur Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung

• Unterstützung in der Umsetzung letzter Wünsche (z. B. Gestaltung der letzten Lebensphase, der Suche nach Zugehörigen, dem Sterbeort oder der Bestattung)

• Unterstützung und Angebote für Trauernde

Deutlich wird die große Bandbreite und Tiefe sozialpädagogischer Beratung, die hohe fachliche Ansprüche an Sozialarbeiterinnen, ihr Wissen und ihre Handlungskompetenzen stellt.

b) Die psychosoziale Begleitung von schwerkranken Menschen und ihren Zugehörigen beinhaltet das Aufzeigen und Erkennen von Wechselwirkungen zwischen physischen, psychischen, seelischen, kulturellen, spirituellen und sozialen Bedürfnissen zur Sensibilisierung schwerkranker Menschen und ihrer Zugehörigen zur Förderung ihrer Kommunikation.

c) Relevant sind auch ethisch-rechtliche Entscheidungsprozesse, für die Beratungen zu Vorausverfügungen und Vertretungsbefugnissen, Unterstützung und Beratung zur Eruierung des (mutmaßlichen) Patientenwillens, Unterstützung und Beratung zur Wahrnehmung der gesetzlichen Vertretung, Vorbereitung und Mitwirkung bei Round-table-Gesprächen zur Entscheidungsfindung, Unterstützung und Beratung bei der Umsetzung von Behandlungsentscheidungen und den daraus resultierenden psychosozialen Belastungen notwendig sind.

d) Es bedarf interner und externer Netzwerkarbeit und Koordination, um die Öffentlichkeit zu Themen von Palliative Care in regionalen und überregionalen Zusammenhängen zu informieren. Möglich wird das z. B. durch das Mitwirken von Sozialarbeitern und anderen Experten der Palliative Care bei Veranstaltungen, Fortbildungen und Medienarbeit (Internet, Zeitschriften, Fernsehen …). Notwendig ist auch eine Vernetzung mit anderen professionellen und ehrenamtlichen Versorgern in der Palliativarbeit sowie die Koordination und Steuerung der unterschiedlichen Hilfen in der Palliativversorgung eines Betroffenen (und seiner Zugehörigen), die Förderung der Kommunikation untereinander und die Stärkung der Zusammenarbeit. Auch Fundraising ist eine wichtige Teilaufgabe für Sozialarbeiterinnen.

e) Fachlichkeit entsteht aus Sicht der Sektion »Soziale Arbeit« der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin nur durch professionellen Austausch und gegenseitiger Unterstützung des fachlichen Bezugssystems. Dafür sind Teamgespräche innerhalb des eigenen Teams, Moderation und Gesprächsführung, kollegiale Beratung und Sensibilisierung anderer beteiligter Professionen zu psychosozialen Fragestellungen, Fallbesprechungen mit allen an der Versorgung beteiligten Helferinnen, Unterstützung der Überleitung bei Wechsel des Versorgungskontextes sowie die Arbeit in intraprofessionellen Gremien und Arbeitsgruppen notwendig. Hilfreich ist es auch, eine gemeinsame Sichtweise der Profession zu definieren, zu festigen und sie in der Öffentlichkeit darzustellen sowie gesetzliche Defizite in der Versorgung von Betroffenen zu entdecken und auf politischer Ebene darzustellen. Zentral ist ein Austausch von Erfahrungen und Informationen in multiprofessionellen Gremien und Arbeitsgruppen, mit dem Ziel, die Soziale Arbeit in der Palliativversorgung in fachliche Diskussionen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie bei der Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen einzubringen und sie dort zu vertreten.

f) Palliative Care braucht ehrenamtliche Mitarbeitende, die koordiniert und geleitet werden müssen. Sozialarbeiterinnen tragen zur Gewinnung und Auswahl, Vorbereitung, Praxisbegleitung und Einsatzkoordination bei und tragen die fachliche und organisatorische Verantwortung für die Vernetzung von Haupt- und Ehrenamt.

g) Im Sinne eines notwendigen Wissenstransfers zwischen Praktikern, Theoretikern und Lehrenden (vgl. das oben skizzierte interdependente Modell nach Engelke 2004, S. 258) gehören Wissensvermittlung, Dokumentation, Evaluation, Forschung und Lehre zu den zentralen Aufgaben für Sozialarbeiterinnen in Palliative Care: Sie bieten Information zu Grundlagen und Konzepten von Palliative Care für Betroffene, Zugehörige und interessierte Bürger und beteiligen sich an Aus-, Fortbzw. Weiterbildung von Ehrenamtlichen und weiteren Professionen, die im palliativen Feld tätig sind. Nicht zu vergessen ist die notwendige Entwicklung von Qualitätskriterien für das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in Palliative Care auf Grundlage von Dokumentation, Evaluation und Forschung.

4. Dazu ist eine exzellente fachliche Qualifizierung notwendig, um Kompetenzen zu entwickeln und zu vertiefen: Formale Voraussetzung für die Soziale Arbeit im Bereich Palliative Care ist das Studium der Sozialen Arbeit mit den Abschlüssen Diplom, Bachelor oder Master. Persönliche Voraussetzungen sind die Bereitschaft und Fähigkeit, sich mit Krankheit, Tod und Sterben auseinanderzusetzen, in einem multiprofessionellen Team zu arbeiten und das eigene Handeln zu reflektieren. Als besondere Voraussetzung bringen Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialpädagoginnen aufgrund ihrer Ausbildung und des praxisbezogenen, wie auch wissenschaftlich fundierten Studiums die notwendige Schnittstellenkompetenz zur Zusammenschau der Bereiche Pädagogik, Psychologie, Medizin, Soziologie, Politik, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften mit. Die spezifische Beratungskompetenz ermöglicht eine handlungs- und zielorientierte Vorgehensweise, die alle am Prozess beteiligten Personen oder Dienste vernetzt – unter besonderer Berücksichtigung der Autonomie, Selbstbestimmung und Würde der Betroffenen.

Professionelle der Sozialen Arbeit verfügen über folgende Schlüsselkompetenzen:

• Beratungskompetenz: Beratung in der Sozialen Arbeit hat meist eine systemische Sichtweise, ist biografie- und lebensweltbezogen, ressourcen- und netzwerkorientiert; sie bezieht sich auf spezielle Zielgruppen, Aufgaben, Ziele, typische Fragestellungen; sie bedient sich spezieller Methoden und Techniken und stützt sich auf spezielles Wissen und Können der Berater

• Methodenkompetenz: Spezifische Methoden und Techniken (z. B. Krisenintervention, Schnittstellen- und Netzwerkarbeit etc.) werden für den Einzelfall planmäßig ausgewählt und reflektiert angewendet

• strategische Kompetenz: Systematisch, strukturiert und zielführend werden z. B. Ressourcen gebündelt oder unterschiedliche Interessen beachtet

• sozialpädagogische Kompetenz: Bildung, Lehren und Lernen kommen in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern/Erwachsenen zum Tragen (z. B. Weiterbildungsangebote, Angebote für Geschwister) sowie in der Kompetenzvermittlung (z. B. bei der Befähigung von Ehrenamtlichen)

• sozialrechtliche Kompetenz: Kenntnis der gesetzlichen Regelungen des SGB, angrenzender relevanter Rechtsbereiche und die Einhaltung des Datenschutzes sind Grundlage von Beratung und anwaltschaftlichem Handeln

• sozialadministrative Kompetenz: Kenntnisse über verwaltungstypische Grundlagen ermöglichen es, Arbeitsabläufe systematisch und transparent zu gestalten

• personale, kommunikative und mediative Kompetenz: Diskurs- und Diskussionsfähigkeit, Respekt und Achtung gehören ebenso zu den Schlüsselkompetenzen Sozialer Arbeit

• berufsethische Kompetenz: Die Sozialethik beachtet die ethischen Verhältnisse und Pflichten, die sich aus dem Gemeinschaftsleben ergeben (leitende Handlungsregeln, Wertehaltungen und -kanon, Verhaltensnormen)

• Kompetenzen zur Praxisforschung und Evaluation: (Empirische) Sozialforschung und Evaluation befassen sich mit der alltäglichen Praxis der Sozialen Arbeit, mit deren Rahmenbedingungen, Methoden und Zielen

5. Basis für all dies ist eine ethische Grundhaltung, die sich zum einen auf die berufsethischen Prinzipien der International FederationofSocialWorkers (IFSW) und zum anderen auf die ethische Grundhaltung von Palliative Care bezieht. Dadurch wird anerkannt und gefördert, den Tod als natürlichen Teil des Lebens zu betrachten und schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Zugehörigen mit Würde zu begegnen.

Soziale Arbeit in Palliative Care

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