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Geleitwort zur 2. Auflage Soziale Arbeit in Hospiz und Palliative Care – vielfältig, unscheinbar, wirkmächtig

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Die Konzepte, die der Hospizbewegung zugrunde liegen und die später auch in der Palliative Care und Palliativmedizin übernommen worden, haben mich von Anfang an fasziniert. Vielleicht, weil ich hier Antworten auf drängende Fragen des Lebens und Sterbens entdecken konnte und weil sie sich von vielen herkömmlichen Konzepten so wohltuend unterschieden, vielleicht aber auch deshalb, weil ich so vieles von dem, was mir an der Sozialen Arbeit wichtig ist, entdecken konnte. Die Arbeit in interprofessionellen Teams auf Augenhöhe – im Gesundheitsbereich keine Selbstverständlichkeit – war vielversprechend. Sozialarbeitende gehörten zum Kernteam, hieß es zudem. Cicely Saunders, die Grand Dame der Hospiz- und Palliativbewegung, die neben anderen Berufen auch den der Sozialarbeiterin erlernt und ausgeübt hatte, hat eindeutige Spuren hinterlassen. Ist doch wunderbar!

Sozialarbeiterische Grundüberzeugungen und Denkmuster finden sich denn auch in den Konzeptionen von Hospiz und Palliative Care wieder. Und zwar so stark, dass Douglas McDonald bereits 1991 die Frage stellte, ob die Soziale Arbeit Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden sei, weil das Spezifische der Sozialarbeit schwer herauszudestillieren sei (McDonald 1991). Diese Schlagkraft der Sozialen Arbeit ist einerseits überaus erfreulich, macht es andererseits aber auch schwieriger, sich im Kreis des großen interprofessionellen Teams eindeutig abzugrenzen. Dazu kommt eine Eigenschaft der Sozialen Arbeit, sich Veränderungen und widrigen Umständen flexibel anzupassen, welche sie manchmal unscheinbar wirken lässt. Schließlich gehört die Soziale Arbeit innerhalb der Gesundheitsdienste zu den Randprofessionen, zumindest wenn man die Anzahl der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in diesem Bereich mit Professionen wie Pflege und Medizin vergleicht.

Dieser Befund hat mich sehr nachdenklich gemacht und mich zur Frage geführt, ob es denn im Hospiz- und Palliativbereich überhaupt noch Sozialarbeit als eigenständige Profession brauche. Der damalige Pflegedirektor des St. Christopher‘s Hospizes in London gab mir vor fast 20 Jahren eine bemerkenswerte Antwort auf diese Frage: er meinte, die Soziale Arbeit sei die »Hefe im Teig«, also fürs erste einmal unscheinbar, aber dann doch sehr wirkmächtig. Denn, was wäre der Teig wohl ohne Hefe?

Knapp 20 Jahre später lässt sich sagen: Der Teig ist aufgegangen! Zwar nicht überall gleichmäßig, nicht überall auf gleiche Weise, aber er ist aufgegangen. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind aus den Kernteams und Palliative Care nicht mehr wegzudenken, würde ich gern sagen. Das stimmt leider nicht immer und nicht an jedem Ort. Aber im Grunde genommen konnte sich die Soziale Arbeit in diesem Bereich gut entwickeln und beweisen, dass der Beitrag der Sozialen Arbeit ein wesentlicher Beitrag zum Gelingen einer guten Hospiz- und Palliativversorgung ist.

Das lässt sich nicht nur auf der nationalen Ebene etwa in Deutschland oder in Österreich gut nachverfolgen, sondern ist auch auf der europäischen Ebene nachweisbar. Die Task Force Social Work der European Association of Palliative Care (EAPC) hat in den Jahren 2015–2017 eine europaweite Studie zur Sozialen Arbeit in Hospiz und Palliative Care in Europa durchgeführt. 32 Dachorganisationen aus 25 Ländern sowie 360 Sozialarbeitende aus 29 Ländern beteiligten sich an der Onlinebefragung. Das Erfreuliche zuerst: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind in allen Bereichen der Hospiz- und Palliativversorgung zu finden, am häufigsten in Hospizen, Palliativstationen, in Krankenhaus-Konsiliardiensten und in ambulanten Palliativdiensten, wie z. B. der SAPV. Schwächer vertreten sind sie bei ambulanten Hospizdiensten und in Tageshospizen. Auch wenn die Ausprägung von Land zu Land und von Region zu Region ganz unterschiedlicher Gestalt sein kann, ist dieser Befund doch ein Beweis dafür, dass die Soziale Arbeit in allen Bereichen der Hospiz- und Palliativversorgung aktiv präsent und wirksam ist. Dies gilt insbesondere für die Arbeit mit Erwachsenen, etwas schwächer ausgeprägt aber auch für die Sozialarbeit in Kinderhospiz- und Palliativdiensten. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung finden sich in Europa die meisten Palliativ-Sozialarbeitenden in Deutschland, Österreich und Schweden. In Deutschland waren es 10,3 Sozialarbeiternnen pro 1 Million Einwohner*innen. Nur in jedem fünften der beteiligten Länder gab es nationale Leitlinien zur Sozialen Arbeit in diesem Bereich. Dazu zählen Deutschland und Österreich. Eine spezialisierte Ausbildung für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Hospiz- und Palliativbereich gab es ebenfalls nur in jedem fünften Land. Bemerkenswert ist auch die Erkenntnis, dass die Befragten deutlich mehr angehörigenbezogene Aufgaben als direkt patientenbezogene Aufgaben wahrnehmen. Im direkten Ländervergleich zeigte sich das besonders deutlich bei den österreichischen und britischen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, während bei den deutschen ein hoher Anteil an administrativen Aufgaben sichtbar wurde. Keine signifikanten Unterschiede zeigten sich bei den Rollen, die die Befragten innehatten. Die Studie zeigt insgesamt ein sehr buntes Bild der palliativen Sozialarbeit in Europa, Stärken und Schwächen, Präsenz und Absenz von Sozialer Arbeit. Sie macht auch deutlich, dass es noch viel zu tun gibt, damit die Soziale Arbeit in ihrem einzigartigen und nicht verzichtbaren Beitrag für die Hospiz- und Palliativversorgung in Europa adäquat wahrgenommen und anerkannt wird.

Schließlich sollen alle Menschen in Europa, die im Umfeld des Sterbens Unterstützung bedürfen, auch in Zukunft mit dem wirksamen Beitrag und der qualifizierten Expertise von Sozialarbeitenden rechnen können. Grundlagen für die fachliche Weiterentwicklung sind u. a. das vorliegende Buch und das White Paper der EAPC aus den Jahren 2014/15 zu den Kernkompetenzen von palliativer Sozialarbeit in Europa (Hughes et al. 2014; Hughes et al. 2015). Es bedarf aber weiterer Reflexion und Forschung auf nationaler und auf europäischer Ebene. Es bedarf des Fachdiskurses auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene, allein schon, um sicherzustellen, dass alle dasselbe meinen, wenn sie vom selben reden und die Konzepte und Methoden, die wir anwenden, auf einem soliden Fundament stehen. In einer Zeit, in der in vielen europäischen Ländern die Strukturen für die Hospiz- und Palliativversorgung gesetzt sind, geht es darum, die Position der Sozialen Arbeit zu festigen und fachlich weiter zu entwickeln, sodass die Qualität, die Soziale Arbeit in die Versorgung einbringt, sichtbar wird und fachlich wie monetär anerkannt wird.

Das vorliegende Buch ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Es ist international eines der wenigen Fachbücher, die sich spezifisch dem Beitrag der Sozialen Arbeit in der Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen sowie deren Angehörigen widmet. Es stiftet großen Nutzen – nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Feld arbeiten, sondern für alle, die sich in der Sozialen Arbeit engagieren. Denn, wer sich dem Leben stellt, wird auch mit dem Sterben konfrontiert, und wer sich dem Sterben stellt, wird bald bemerken, dass Sterbende auch Lebende sind, die unserer Solidarität bedürfen.

Karl W. Bitschnau

Co-Vorsitzender der Social Work Task Force der European Association for Palliative Care (EAPC)

Soziale Arbeit in Palliative Care

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