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b) „Deus ludens creator“
ОглавлениеWerfen wir auch einen systematischen Blick auf den Deus ludens als Schöpfergott: Inwiefern ist das Spiel eine treffende Beschreibung für Gottes Schöpfertätigkeit? Was haben Spielen und göttliches (Er-)Schaffen miteinander zu tun?
Der mit der Weisheit Gottes identifizierte Christus „spielt“ eine zentrale Rolle im Schöpfungsgeschehen, er ist der Schöpfungsmittler und als göttlicher Logos sozusagen der Bauplan der Schöpfung, wie schon Paulus bzw. die paulinische Theologie unterstreichen (vgl. Röm 11,36; Kol 1,16). Alois Hudal schreibt hierzu: „Die Chokma war bei Gott, wie die Idealform dem Künstler das treibende Agens in seiner Tätigkeit ist.“33 Und bereits für Tertullian stand außer Frage, dass diese Weisheit identisch ist mit dem Logos. So schreibt er über Christus, dass er von Ewigkeit her modulans cum ipso,34 d. h. mit dem schaffenden Vater zusammen gestaltend-modellierend tätig sei. Oder noch poetischer: compingens cum ipso35 – wörtlich: mitmalend mit diesem, d. h. dem Vater. Diese Lesart der Schöpfungsmittlerschaft Christi lässt sich durchaus auch mit dem Bild des Tanzens verbinden: Die Weisheit, ob nun spielend oder tanzend, ist der Inbegriff der Fülle der göttlichen Kreativität und des Schöpfungsplans. So schreibt der vielleicht mystischste der kappadozischen Väter, Gregor von Nazianz: „Der erhabene Logos spielt nämlich, indem er den ganzen Kosmos mit buntesten Bildern auf jegliche Weise schmückt, wie es ihm gefällt.“36
Der Schöpfergott als Spieler, Schöpfung als Spiel – was könnte das heißen? Im bildlich-erzählerischen Zeugnis der Hl. Schrift vom Schöpfungsgeschehen, in der Leichtigkeit und Behändigkeit etwa des Sechstagewerks in Gen 1, liegt in der Tat etwas sehr Spielerisches – ganz ähnlich dem mit der Sphaira spielenden Zeuskind in seiner Höhle oder dem jungen Eros. Gott schafft spielerisch, d. h. zunächst einmal, er schafft völlig frei und ungezwungen: Niemand und nichts zwingt den sich selbst ewig genügenden Gott (er ist ja in sich schon Beziehung und vollkommenes Spiel), eine Schöpfung aus sich herauszusetzen, und doch tut er es. Er schafft weiterhin ohne Anstrengung und, wie die Natur dem nicht völlig verschlossenen Menschen allenthalben zeigt, in unendlicher Kreativität und spielerisch-kindlicher Maßlosigkeit: Dort modelliert er allerlei aus Wasser, Luft und Erde, hier hängt er – wörtlich – ein paar „Lampen“ (Gen 1,14: ) an den Himmel, dort gibt er mit spielerischer Geste der unendlich variantenreichen Flora, dort der Fauna und hier schließlich dem Menschen das Leben. Gott freut sich am eigenen Spiel – „Und er sah, dass es gut war“ – und ruht sich am siebten Tage aus; wohl kaum, weil das Werk ihn überanstrengt hätte (vom Gegenteil zeugt der vorherige Bericht), sondern um nochmals gerade die Leichtigkeit des Schaffens (er braucht nicht einmal sieben Tage) und die Muße/Ruhe als Vollzugsweise der „Zustimmung zur Welt“ zum Ausdruck zu bringen. Hier zeigt sich auch die Freude Gottes an seiner Schöpfung, ihr von Gott her völlig harmonischer und guter Charakter sowie ihre Zweckfreiheit.
Der Schöpfungsakt Gottes ist wie das Spiel frei von vordergründigen Zwecken: Man könnte in Abwandlung eines berühmten von Bonaventura überlieferten Wortes sagen, dass es vielleicht gar keines Schöpfungszweckes bedarf, sondern dass absolute Güte und Kreativität sozusagen automatisch überlaufen und schaffen: bonum est diffusivum sui,37 das Gute ist wesentlich das sich Ausbreitende, Verströmende – so sein neuplatonisches Axiom. Übersetzt in den vorliegenden Kontext hieße das: Ein absolutes Spiel läuft vor Kreativität automatisch über und generiert – „kreiert“ – neue Regeln, Schauplätze, Rollen, Spielzeuge. Könnte der Schöpfungsakt aber – wie auch das Spiel – bei aller Zwecklosigkeit doch einen tieferen Sinn, ein Ziel haben? Der Christ darf mit einem anderen großen Franziskaner, Johannes Duns Scotus, ein positives Schöpfungsziel, eine Schöpfungsintention auf Seiten Gottes annehmen: Gott schafft – dem Kölner Gelehrten zufolge –, weil er, der in sich schon ewige Liebesgemeinschaft ist, weitere Mitliebende sucht.38 Hier ließe sich nun übersetzen: Der ewige Spielergott schafft, nicht bloß um Spielzeuge (Platon!), sondern um Mitspieler, um Spielgefährten zu gewinnen, er erschafft also den ganzen Kosmos um des Menschen als seines möglichen (Spiel-)Partners willen. Schöpfung ist somit wesentlich Eröffnung der Möglichkeit eines Beziehungsgeschehens, Einrichtung eines Spielfeldes.
Wie vollzieht sich nun aber diese Beziehung zwischen Gott und Schöpfung, nachdem diese einmal geschaffen ist?