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Deutschland trauert

Gedenkgottesdienste in pluraler Gesellschaft

Benedikt Kranemann

1. Gottesdienst in der pluralen Gesellschaft –ein Feld liturgiewissenschaftlicher Forschung

Mehr denn je stellt sich heute in Deutschland die Frage, wie gesellschaftliches Zusammenleben angesichts sozialer, politischer und kultureller Unterschiede gelingen kann. Dabei spielt das Neben- und Miteinander der Religionen und insbesondere ihrer Rituale eine Rolle. Dass Religionsgemeinschaften ihre Feste feiern und ihre Rituale zu Lebenswenden praktizieren, ist unproblematisch, denn dabei bleiben diese in aller Regel unter sich. Immer öfter aber gibt es Situationen, in denen nicht nur christliche Konfessionen in mittlerweile eingeübter Ökumene gemeinsam Gottesdienst feiern, sondern das Zusammenwirken von Religionen im Rituellen und Gottesdienstlichen erwartet wird.1 Das kann im familiären Bereich u. a. Trauung und Begräbnis meinen, kann im schulischen Bereich z. B. bei Feiern zu Einschulungen oder Schulentlassungen zum Thema werden und ist mittlerweile eine Herausforderung für Trauerfeiern, die nach Großkatastrophen öffentlich begangen werden.

Diese Trauerfeiern fallen aus dem vertrauten Rahmen der Liturgie,2 werden als „riskant“ empfunden,3 dürften aber mehr und mehr zu einer Normalität werden. Nicht nur das Verhältnis der Religionen zueinander, sondern auch das Zusammenwirken von Staat und Kirchen ist angesprochen. Gerade in diesen Gottesdiensten trifft aufeinander, was gesellschaftliches Zusammenleben ansonsten beeinflusst und prägt. Zudem zeigt sich angesichts einer Katastrophe: Eine Gesellschaft spürt, dass sie solche Formen der gemeinschaftlichen Feier braucht und sie aktiv entwickeln muss.

Das Folgende gilt dem Neben- und Zueinander der Religionen und – was nicht vergessen werden darf – der Weltanschauungen. Das ist derzeit die Herausforderung: Wie stehen diese Rituale der Religionen zueinander, wo ergibt sich die Möglichkeit, wo geradezu eine Notwendigkeit zu Ritualen, die verschiedene Religionsgemeinschaften, aber auch Konfessionslose und Atheisten integrieren oder von ihnen gemeinsam verantwortet werden? Und welche Räume für gemeinschaftliches rituellgottesdienstliches Handeln lassen Liturgien der christlichen Kirchen zu, die bei Trauerfeiern nach Großkatastrophen bis heute die Hauptakteure sind?

Für die Liturgiewissenschaft, die von ihrer Fachgeschichte her ursprünglich Gottesdienste innerhalb einer Religion oder Konfession analysiert,4 hat sich längst ein neues Aufgabenfeld aufgetan. Insbesondere ist an liturgische Feiern im öffentlichen Raum (Schule, Krankenhaus, Militär etc.) mit einer diffusen Gruppe von Teilnehmenden zu denken. Solche Feiern können interreligiöse Elemente enthalten oder als Feiern, in denen verschiedene Religionen zusammenwirken, konzipiert sein. Diese Liturgien folgen einer anderen „Grammatik“ als beispielsweise die Eucharistiefeier oder Tagzeitenliturgie in der Gemeinde. Das tradierte Repertoire von Liturgien mit seinen Normen kommt angesichts der Situation, der Teilnehmenden, der Einmaligkeit der Feier usw. an seine Grenze. Um die Trauerfeiern verstehen und reflektieren zu können, müssen neue Fragestellungen entwickelt, überkommene Untersuchungsansätze kritisch gesichtet und vor allem die theologischen Kriteriologien liturgischer Feiern angesichts veränderter empirischer Befunde diskutiert und weiterentwickelt werden. Für Trauerfeiern nach Großkatastrophen stellt sich mit besonderer Dringlichkeit die Frage, wie das Zusammenstehen der Gesellschaft in der Situation der Katastrophe und wie gemeinsame Trauer in ritueller Form ermöglicht werden können. Solche Feiern sind weniger unter den üblichen normativen als unter situativen Gesichtspunkten zu betrachten.5 Menschen sind radikal erschüttert, trauern, wollen ihre Verunsicherung und Verzweiflung klagend zum Ausdruck bringen, suchen Trost, Hoffnung und Perspektive. Sie verlangen nach Gemeinschaft, die schützt, stärkt und ermutigt. Die christlichen Kirchen mit ihrem Hoffnungs- und Trostpotenzial müssen aufgrund ihres diakonischen Anspruchs helfen. Sie haben in den vergangenen Jahren bereits reagiert und vorsichtig bislang rein christlichökumenische Gottesdienste für die Mitwirkung von Juden und Muslimen geöffnet.6 Bei der Vorbereitung dieser Feiern ist der Bezugspunkt das konkrete Ereignis. Die jeweilige Liturgie richtet sich an den Betroffenen aus, insbesondere den unmittelbaren Angehörigen. Die plurale Gesellschaft muss als Trauer-„Gemeinschaft“ wahrgenommen werden. Das lässt sich an der verbalen Sprache, aber ebenso an den unterschiedlichen nonverbalen Zeichensprachen ablesen. Zunehmend werden Angehörige anderer Religionen als aktiv Handelnde in diese Feiern einbezogen, ein deutliches Signal einer Öffnung in die Gesellschaft hinein. „Deutschland trauert“ – das wird immer mehr im umfassenden Wortsinne ernstgenommen.

Was lässt sich angesichts einer jeweils extremen Trauersituation nach einer Katastrophe und mit Blick auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer ganz unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen über solche Feiern anhand der bisherigen Praxis sagen? (Kap. 2) Gehört aus theologischer Perspektive Trauerfeiern die Zukunft, die nach dem sogenannten Assisi-Modell7 Religionen im Nebeneinander handeln lassen, dies aus Sorge, sonst die Bekenntnisse zu vermischen oder gegeneinander zu stellen? Oder eröffnen sich im Rahmen christlich verantworteter Wortgottesdienste gerade neue Möglichkeiten, andere Religionen einzubeziehen, eigene Texte verlesen und Gebete sprechen zu lassen bis hin zur Möglichkeit gemeinsamen Gebets, indem innerhalb einer Feier verschiedene Bekenntnisse akzeptiert werden?

Das kirchliche Dokument „Tote begraben und Trauernde trösten“8 beschreibt, wie Ritus und Liturgie angesichts von Tod und Trauer gestaltet sein sollen, wenn die Toten nicht der Kirche angehört haben (s. u. 3.1). Was besagt das mit Blick auf das Handeln in Trauerfeiern nach Großkatastrophen? Die kirchliche Arbeitshilfe „Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen“9 setzt sich mit Gebetszusammenkünften von Juden, Christen und Muslimen auseinander. Ist es wirklich ausgemacht, so muss die Theologie fragen, dass ein gemeinsames Gebet dabei nicht möglich ist? (3.2) Vom Neuen Testament her kann die breitere Perspektive aufgemacht werden, dass Liturgie in dieser Situation eine „Praxis der Barmherzigkeit“ ist (3.3). Dann allerdings diskutiert man Trauerfeiern nach Großkatastrophen in der pluralen Gesellschaft unter neuen Vorzeichen.

Die These, die zugrunde gelegt wird, lautet, dass in genau dieser Situation der Katastrophe und des Leidens theologisch begründet ein Miteinander der Religionen im Gottesdienst möglich ist. Mit Blick auf die Kirchen und ihre Gottesdienste sind diese Trauerfeiern eine Art Nagelprobe für die Pluralismusfähigkeit der Kirchen und ihre liturgische Praxis in der säkularen Öffentlichkeit.10 Hier entscheidet sich, wie ernst es den Verantwortlichen ist, wenn von Liturgie mit diakonischer Bedeutung gesprochen wird.

2. Befunde

Die Trauerfeiern nach Katastrophen sind in Deutschland in den letzten Jahren auf eine gute Resonanz gestoßen und haben sich in problematischen Situationen bewährt. Der Journalist Matthias Dobrinski hat 2016 in der Süddeutschen Zeitung kommentiert, gerade im Zwecklosen liege „Sinn und Stärke des Trauerrituals“. Er fährt dann fort: „Ein Ritual bleibt ohne Fragen und Antwort, es urteilt und verurteilt nicht, es bildet eine Gemeinschaft, bei der die Zugehörigkeit nicht ausdiskutiert werden muss.“ Öffentliche Trauer sei deshalb „ein zutiefst menschlicher und zivilisierender Vorgang“. Er zählt die „Stunden der gemeinsamen Trauer zu den stärksten Momenten des Republikanismus, der Demokratie, der Zivilität in der Geschichte der Bundesrepublik.“11

Dem widerspricht auch ein Positionspapier der Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ der Partei Bündnis 90/ Die Grünen zur „Religions- und Weltanschauungspolitik“ nicht, das 2016 vorgelegt wurde.12 Es diskutiert das Verhältnis von Staat, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und fragt nach Veränderungsbedarf. Dabei kommen die Trauergottesdienste nach Großkatastrophen und ihre Rolle in der pluralen Gesellschaft zur Sprache. Sie werden wertgeschätzt, aber es wird zugleich Kritik geäußert:

„Die Ausschließlichkeit, mit der der Staat bei solchen Anlässen Sinnstiftung an diese beiden Glaubensgemeinschaften delegiert, kann angesichts der ständig zunehmenden Anzahl von Nichtchristinnen und -christen in Deutschland keinen Bestand mehr haben. […] Das gegenwärtig deutliche Übergewicht an christlichen Inhalten und von kirchlichen Repräsentanten bei solchen Ritualen hat auch eine vereinnahmende Dimension, die religionsfreie oder andersgläubige Menschen – als Betrauerte und Trauernde – in ihrer Weise[,] zu trauern und Leid zu verarbeiten, ausgrenzt.“13

Es wird deshalb eine öffentliche Debatte über diese Feiern angeregt, die allerdings bislang nicht stattgefunden hat.

Folglich haben diese Feiern ihre Probleme, das weitere Nachdenken über sie ist unerlässlich. Überhaupt bedarf es in Deutschland einer breiteren gesellschaftlichen Diskussion über solche Rituale und Feiern im öffentlichen Raum. Trauer der Gesellschaft angesichts einer Katastrophe ist etwas höchst Sensibles und für das Zusammenleben von herausragender Bedeutung. Rückfragen betreffen Formen und Elemente, Rollen, Beteiligungsformen, Räume. Es gibt um diese Trauerfeiern derzeit also ein Ringen. Es handelt sich nicht um eine kirchlich geordnete Liturgie in einem fest umrissenen institutionellen Kontext. Es geht vielmehr um eine kirchlich verantwortete Trauerfeier in einer Notsituation und in einer sich verändernden Gesellschaft mit je neuer Teilnehmergruppe. In einer extremen Ausnahmesituation helfen Menschen mit ritueller Erfahrung und einer sie tragenden Überlieferung – einer großen Erzählung – Trauernden, Verzweifelten, Gläubigen und Nichtgläubigen. Kirchliche Rituale oder einzelne Elemente dieses Rituals, die in dieser Situation Hilfe bieten können, kommen zur Anwendung. Man kann diese Zeit der Trauer mit Victor Turner als liminale Phase, als Phase des Durchgangs und Übergangs beschreiben,14 in der viele Gesetze außer Kraft gesetzt sind, darunter Gesetze der vertraut geordneten Liturgie. Es braucht eine Hilfestellung in dieser diffusen Situation, ein Geländer, an dem man sich festhalten kann auf dem Weg durch ein für Menschen schwieriges Terrain. Liturgie bietet sich mit ihrer diakonischen Qualität auch denen als Halt an, die diesen Halt sonst nicht suchen. Das funktioniert, weil solche liturgischen Rituale vielfältig deutbar und anschlussfähig sind. Das Licht einer Kerze kann Orientierung im Dunkeln geben, kann auf eine transzendente, wie auch immer geartete Hoffnung verweisen, kann Christus, das Licht, symbolisieren.15 Es ist für vielfältige Assoziationen offen und deshalb vielfältig lesbar. Aus solchen Riten und Elementen, die zum Grundrepertoire christlichen Gottesdienstes gehören, lebt eine Liturgie nach Großkatastrophen.

Mit den folgenden Reflexionen soll auf einige Erkenntnisse und Einschätzungen aus der bisherigen Forschung zu diesen Trauerfeiern hingewiesen werden.16 Dabei werden Aspekte herausgegriffen, die besonders in der Diskussion stehen. Welche Feierform ist zum „Normalmodell“ geworden? Welche Räume werden genutzt? Mit welchen Teilnehmern ist zu rechnen? Und in welche rituellen Kontexte sind sie eingebunden? Im Weiteren soll dann der Versuch einer vorläufigen theologischen Einordnung unternommen werden.

2.1 Der Wortgottesdienst als Grundmodell

Analysiert man Trauerfeiern der vergangenen 20 Jahre auf der Basis von Berichten, Ablaufplänen, Fernsehmitschnitten, Gebets- und Predigttexten, so wird für Deutschland eine Grundform sichtbar, die sich sehr an kirchlichen Wortgottesdiensten (unterschiedlicher Kirchen) orientiert.17 Wiederkehrende Elemente sind die Verlesung biblischer Texte, Predigten, Fürbittgebet, Segensgebet. Zeichen, die immer wieder auftauchen, sind Licht- oder Kerzenriten, die unterschiedlich ausgeprägt sind und entsprechend verschiedene Rezeptionen zulassen.18 Dass Zeichen – wie beispielsweise Holzengel – überreicht werden, dass eine Performance in die Liturgie eingebaut wird usw., ist die Ausnahme.19 Eine große Bedeutung kommt in diesen Trauerfeiern der Musik zu. Regelmäßig begegnen instrumentale wie vokale Musik. In der Regel ist ein Chor beteiligt, weil gemeinsamer Gesang in dieser Situation für eine inhomogene Teilnehmergruppe schwierig ist.

Man kann von einer bewährten Grundform mit einigen wiederkehrenden Elementen sprechen, die mittlerweile zu einer Ritualisierung innerhalb der Feiern geführt haben. Diese Grundform ist ausbaufähig, wie die Integration von Gebeten anderer Religionsgemeinschaften zeigt.

Die Leitung solcher Gottesdienste liegt heute in der Hand von Geistlichen, Männern und Frauen unterschiedlicher christlicher Konfessionen. Zumeist handelt es sich um Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Kirchenleitung. Sie sind durch liturgische Kleidung als Amts- und Rollenträger ausgewiesen und unterscheiden sich darin beispielsweise sowohl von anwesenden Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgern, die ihre eigene Dienstkleidung tragen, als auch von den Politikerinnen und Politikern der in aller Regel folgenden staatlichen Trauerfeier. Über Kleidung, Sprache, Ritus, Gestus usw. werden kirchenamtliches, weiteres seelsorgliches und staatliches Handeln voneinander abgesetzt.20

Eine Ausnahme sind bislang Trauerfeiern, die nicht das Miteinander, sondern das Nebeneinander der Trauernden und ihrer Religionsgemeinschaften betonen. Bei der Gedenkfeier in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz, die am 20. Dezember 2016 und damit am Tag nach dem Terrorakt stattfand, kamen die Religionsgemeinschaften im Nebeneinander zur Sprache.21 Das Gedenken entsprach eher dem Assisi-Modell, der Form eines durch Papst Johannes Paul II. initiierten Friedensgebets, in dem die Religionsgemeinschaften von Feier zu Feier immer mehr in ein Nebeneinander gebracht worden sind.22 Wo überwiegt bei einer solchen Anordnung der Feier das Nebeneinander, wo das Miteinander der Religionsgemeinschaften? Welche Form des Totengedenkens wird dem in dieser Situation entscheidenden Aspekt des Miteinanders gerecht? Es muss diskutiert werden, ob ein solches Modell für die Situation gemeinschaftlicher Trauer geeignet ist und ob sich nicht andere Modelle eher anbieten.23 Wie immer man sich entscheidet: Von der Lebenssituation her, die zur Sprache gebracht wird, aus der Perspektive der Betroffenen wie aus der Verantwortung der beteiligten Kirchen, die zu wirklicher Seel-Sorge aufgerufen sind, geht es um Erstrangiges.

2.2 Kirchenräume als Heterotopien der Trauerfeiern

Die Trauerfeiern sind in den letzten Jahren in aller Regel in Kirchenräumen durchgeführt worden. Eine Ausnahme war die Trauerfeier in Erfurt (2002) nach dem Amoklauf im Gutenberg-Gymnasium, die auf dem Domplatz und damit dort stattfand, wo Kirche und Stadt aneinandergrenzen. In Duisburg (2010) fand parallel zum Gottesdienst in einer Kirche eine Trauerfeier in einem Stadion statt. Kirchenräume – Kölner Dom, Münchener Frauenkirche, Dresdener Frauenkirche, Berliner Dom, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche – „bieten in jedem Fall die Möglichkeit einer Beruhigung und Abstandgewinnung, der Transzendenz.“24 Sie sind Heterotopien der Gesellschaft: utopische Orte, Andersorte inmitten der Gesellschaft, die eine Geschichte jenseits des Alltags und somit von Tod und Terror erzählen. Die christlich-religiöse Nutzung im Umgang mit Leben und Tod hat Spuren hinterlassen. Es sind umbaute Räume mit einer u. a. durch Licht und Bildprogramme sowie durch religiöse Praxis geschaffenen Atmosphäre, die Beziehungsräume stiftet. Die Räume haben mehr Gewicht, als das erste Hinsehen vermuten lässt. Sie ermöglichen Miteinander und Zusammenrücken, Gemeinschaftserfahrung in Notlagen. Diesen Räumen wohnt eine eigene Ordnung inne, die im Gegensatz steht zur Un-Ordnung anderer Räume – gerade in dieser Situation der Bedrängnis. Deshalb sind Kirchenräume nicht beliebig gegen andere Räume austauschbar.

Nach Michel Foucault versiegen die Träume in einer Zivilisation, wenn sie solche Heterotopien nicht kennt.25 Mit Blick auf die Orte der Trauerfeiern darf dieser Aspekt nicht vernachlässigt werden. Gerade solche öffentlichen Räume, die ja nicht nur Räume der Kirche, sondern, was nicht vergessen werden darf, der ganzen Gesellschaft sind,26 erzählen von einer anderen Wirklichkeit, die das grausam Erlebte übersteigt und dadurch Lebensmut und Perspektiven zusprechen kann. Sie sind „herausragende Orte der Kontrastierung des Alltäglichen“27 und damit des Schrecklichen der Katastrophe. Gerade in multireligiösen und säkularen Kontexten, so neuere Untersuchungen, besteht dafür eine besondere Sensibilität.28 Die Unterscheidung „gläubig“ – „ungläubig“ tritt hierbei zurück zugunsten einer Unterscheidung von Beheimateten und Suchenden, so Jörg Seip unter Rückgriff auf eine Aussage des tschechischen Theologen Tomáš Halík. „Sakrale Orte würden dann weniger bestimmt durch normative Trennungen und viel eher durch praktische Überschreitungen bzw. Übertretungen.“29

Die Trauerfeiern in Köln (2015) und München (2016) bestätigen das. Juden und Muslime waren an den Feiern als Betende beteiligt. In Köln traten eine Muslima und ein Jude an den Ambo, um Fürbitten zu sprechen. In München beteten Vertreter beider Religionen und ein griechischorthodoxer Priester in einer Raumzone vor dem Altar. Der orthodoxe Geistliche verließ dafür sogar den Altarbereich. Wenn man analysiert, was im Raum geschah und was unterschwellig, wenn auch sicherlich unbewusst, vermittelt wurde, stellen sich Fragen: Wurde eine Grenze im Raum markiert? Wurde ein neuer Raum aufgemacht, in dem nun Juden, Christen und Muslime gemeinsam beteten? Geschah dies dann vor den Augen der Christen? Was bedeutete die gemeinsame Gebetsrichtung zum Altar hin? Und warum betete ein orthodoxer Geistlicher mit einem Juden und einer Muslima zusammen? Das sind Fragen an die Durchführung einer solchen Feier, nicht aber an die Entscheidung an und für sich, andere Religionen zu integrieren. So viel kann gesagt werden: Ein Raum im Raum entstand, den man als ausgrenzenden wie als schützenden Raum interpretieren konnte. Ausgrenzung, weil der Zutritt zum Altarbereich augenscheinlich vermieden werden sollte; Schutz, weil im Rahmen des christlichen Gottesdienstes ein neuer ritueller Raum geschaffen wurde, in dem im Angesicht Andersgläubiger, aber von deren Solidarität mitgetragen, jüdisches und muslimisches Gebet erklingen konnte. Solche praktischen „Überschreitungen“ oder „Überschreibungen“ oder „Verschiebungen“30 sind sehr gut zu beobachten. Das entspricht heutigen Raumtheorien, in deren Analysen Raum nicht wie ein Behälter abgegrenzt und festgelegt verstanden wird, sondern als etwas, das in unterschiedlichen Nutzungen und Wahrnehmungen je neu konstituiert wird.31 Es zeigt sich zugleich, dass es Unterschiede von Feier zu Feier gibt und dass die Kirchen gerade im Umgang mit anderen Religionen auf der Suche sind.

2.3 Vielfältige Beteiligungen

Zunehmend werden also andere Religionen in die Gruppe der Akteure eingebunden, besonders eindrücklich geschah dies in München. Konfessions- und Religionsgrenzen verlieren angesichts des Geschehenen an Gewicht. Das religiöse Ritual segregiert im Idealfall nicht zwischen religiösen Gruppen, sondern integriert in neuer Weise. Eine temporäre Gemeinschaft mit Menschen unterschiedlicher Bekenntnisse und Weltanschauungen wird durch das gottesdienstliche Ritual begründet.32 Es geht im besten Sinne des Wortes für alle Beteiligten, nicht nur die Kirchen, um einen Lernprozess. Er steht allerdings noch ganz am Anfang. Das zeigen Kerzen für getötete Muslime bei einer Trauerfeier in Duisburg, die mit christlicher oder zumindest als christlich deutbarer Ikonografie geschmückt waren,33 und die gerade erwähnten Suchbewegungen bei der Verortung jüdischer oder muslimischer Gebete im Ritus. Zudem muss die Frage diskutiert werden, wie Menschen ohne Religionszugehörigkeit in solchen Feiern vorkommen.34 Positiv gewendet experimentieren die Kirchen in eine Richtung, die für das Zusammenleben der Gesellschaft insgesamt von Interesse ist.

Vielfalt der Partizipation spricht ein Doppeltes an: Die Vorstellung einer „tätigen Teilnahme“, wie sie mit längerer Vorgeschichte durch die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils formuliert und dann durch die nachkonziliare Kirche, kirchliche Praxis und Liturgiewissenschaft vor allem für den Gemeindegottesdienst weiter ausgearbeitet worden ist, greift nur zum Teil. Das traditionelle Verständnis liturgischer Teilnahme geht vom Mitbeten und Mitfeiern aus und hat das christlich-konfessionell sozialisierte und initiierte Glaubenssubjekt vor Augen.35 Heute bedarf es eines breiteren Verständnisses von Teilnahme, welches das Handeln der Gemeinschaft wie des Subjekts besser zusammendenken kann.36 Dazu zählt die Akzeptanz unterschiedlicher Formen der Teilnahme, und zwar vom wirklichen Mitbeten bis hin zu einem bewussten Anwesendsein.37 Das gilt für die Trauerfeiern, ist aber ebenso auf andere Liturgien hin zu diskutieren.

Müssen diese Trauerfeiern religiös exklusiv, also dem Wortsinn nach „ausschließend“ sein, oder müssen sie andere Religionen und Weltanschauungen so einschließen (können), dass diese aktiv partizipieren können? Sie sollten sich dann als Trauernde im jeweiligen Ritual in der Weise angesprochen fühlen, dass sie trauern und Hoffnung schöpfen können; es kann aber auch heißen, dass sie selbst aus ihren heiligen Schriften Texte verlesen und Gebete sprechen können. Insbesondere die Trauerfeier in München zeigt, dass dies offensichtlich praktikabel ist. Dafür gibt es theologische Gründe wie kirchliche Grundlagen(dokumente).

Die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra Aetate, eröffnet insbesondere in den Art. 1 und 2 Perspektiven, ohne dass die bestehenden theologischen Differenzen zwischen den Religionen negiert werden.38 Das Dokument geht von der Einheit der Heilsgeschichte aus, die alle Menschen umgreift. Diese Erkenntnis wird trinitätstheologisch unterlegt. Gottes- und Menschenliebe werden eng aufeinander bezogen, sodass das Engagement für die Menschheit jenseits religiöser Grenzen als Ausdruck der Gottesliebe verstanden wird.39 Nostra Aetate hat nicht nur eine enorme Wirkung in der Doktrin der katholischen Kirche40 und in der Theologie41 bis in die Gegenwart entfaltet, sondern zugleich rituell-liturgische Konsequenzen gehabt, beispielsweise in den – in unterschiedlicher Form durchgeführten – Gebetstreffen von Assisi seit 1986.42 Gemeinschaft kann in extremer Bedrängnis wie nach einer Naturkatastrophe oder einem Anschlag auch im Gebet innerhalb einer Liturgiefeier zum Ausdruck kommen. Dafür gelten aus guten Gründen besondere Kriterien. Es muss situationsgerecht beurteilt werden, wann wie zu handeln ist, und es darf nicht nach starren Normen verfahren werden.43 Die Trauerfeier muss seitens religiöser Akteure so gestaltet sein, dass sie der pluralen Gesellschaft eine Hilfe bietet. Dementsprechend ist mit religiösen und konfessionellen Identitäten und Profilen umzugehen. Entscheidend ist das Miteinander, das durch den Rahmen einer Feier und an einem Ort begangen wird. So entsteht ein gemeinsamer Raum zum Trauern.

2.4 Trauerfeiern im Kontext eines Trauerprozesses

Eine kurze Bemerkung muss genügen, eigene Forschung ist notwendig: Solche Trauerfeiern stehen im Kontext weiterer Feiern und Riten, was bislang wenig beachtet und untersucht worden ist. Bevor eine solche Trauerfeier überhaupt geplant ist, gibt es fast immer schon Orte, an denen Kerzen, Blumen, Briefe, Bilder, Blätter mit Gebeten, ein Plakat mit der Frage „Warum?“ abgelegt werden. Hier findet individuelle Trauer statt. Einzelne können sich mit dem, was sie für sich persönlich als wichtig erachten, ausdrücken. Es gibt oft zudem schon Gottesdienste im kleinen Kreis, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind.

Und es gibt ein Nachher, Trauerzeiten und Gedenkgottesdienste. Die Angehörigen der Toten der Loveparade in Duisburg treffen sich bis heute zum Gedenken und zum Gottesdienst. In Erfurt wird weiterhin am Gedenktag des Amoklaufs in einem Gymnasium der Toten gedacht und in einem Gottesdienst für alle Betroffenen gebetet. Andernorts werden Gedenkorte eingerichtet.44 Die Trauerfeiern stehen folglich nicht isoliert da, sondern sind Teil eines vermutlich lebenslangen Weges. Sie sind aber der Akt, in dem Gemeinschaft angesichts der Katastrophe dicht erfahrbar wird. Auch das spricht für eine gemeinsame Feier, wie sie heute üblich ist, und macht skeptisch gegenüber anderen Formen – wie etwa dem Assisi-Modell, die letztlich nach Religionsgemeinschaften und damit Menschen trennen.

3. Liturgie mit diakonischem Anspruch

3.1 Kirchliche Perspektive

Eine Liturgie mit diakonischem Anspruch will in einer schwierigen Lebenssituation helfen und muss sich folglich nach den Anforderungen dieser Lebenssituation richten, wenn sie Trost und Hoffnung zusprechen will. Die Liturgie erweist sich dabei als dynamisch und richtet sich an der jeweiligen Lebenssituation aus. Das ist katholischer Liturgie im Umfeld von Tod und Trauer offensichtlich nicht fremd, wie eine Analyse von Dokumenten der katholischen Kirche zeigt. So hat die Deutsche Bischofskonferenz 2017 in dritter Auflage eine Broschüre „Tote begraben und Trauernde trösten“ veröffentlicht, in der u. a. Möglichkeiten der Bestattung von Nichtkatholiken beschrieben werden. Der entsprechende Passus im Heft steht unter der Überschrift „Begleitung, wenn ein kirchliches Begräbnis nicht möglich ist“. Es handelt sich um Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind und mit ihr gebrochen haben. Dabei geht es um ein Ritual – die Arbeitshilfe spricht nicht von „Liturgie“, obwohl es sich faktisch darum handelt –, dem sich die katholische Kirche lange verweigert hat. Aber die Kirchenleitung kann sich eine solche Form der Beteiligung mit Blick auf die Angehörigen vorstellen, die bewusst kirchlich leben und deshalb um diese seelsorgliche Unterstützung bitten. „Die Teilnahme eines Seelsorgers kann Angehörige in ihrer Trauer stützen und heilsam begleiten.“45

In der Situation des Verlustes eines Menschen kann, so muss man diese Arbeitshilfe lesen, aus seelsorglichen und theologischen Gründen eine durch die Kirche gesetzte Norm von ihr selbst überschritten werden. Der Ritus, der angeboten wird, kann Einführung, Gebet, Lesung, Ansprache, Stilles Gedenken, den Gang zum Grab, Beisetzung, Gebet des Herrn und Segenswort umfassen. Der Unterschied zum Begräbnis wird durchgehalten, wenn es beispielsweise heißt: Der Priester, Diakon oder eine andere beauftragte Person „geht nicht vor dem Sarg, sondern begleitet die Angehörigen zum Grab.“46 Dennoch handelt es sich um eine kirchlich mitgestaltete Liturgie, in der die Kirche aber mit Respekt vor der Entscheidung des Toten wie der Bitte der Angehörigen mit einem anderen Habitus handeln will als bei einem kirchlichen Begräbnis. Wie immer man den Ritus im Einzelnen beurteilen mag: Im Umgang mit dem Tod kennt die Kirche unterschiedliches rituelles Auftreten. Sie kann ihre Rollen ändern und auf Menschen zugehen, die sich von ihr abgewandt haben. Jeder Mensch ist von Gott „geschaffen und geliebt“, heißt es etwa in der Eröffnung. Die verstorbene Person wird Gottes Erbarmen empfohlen. Es wird Trost für die Trauernden erbeten.47 Wenn das für Menschen möglich ist, die sich von der Kirche abgewandt haben, muss es dann nicht ebenso für Menschen gelten, die in einer Notsituation die Kirche um ihre Hilfe in Gottesdienst und Ritual bitten?

Menschen werden in der Trauer nicht allein gelassen, Seelsorgerinnen und Seelsorger sollen ihnen zur Seite stehen, soweit dies kirchlicherseits eben möglich ist. Dafür wird ein eigener Ritus der Beisetzung entworfen. Die Frage ist, ob es im Szenario für Trauerfeiern nach Großkatastrophen nicht eine ähnliche Entwicklung geben kann und bereits gegeben hat. Auf eine neue pastorale Situation hin ist ein neuer Ritus entwickelt worden. Die Kirche kommt aber nicht begleitend hinzu, sondern hat die Leitung inne.48 Sie muss jetzt die Offenheit zeigen, anderen Religionen Platz zu bieten. Die Beispiele aus Köln und München zeigen, dass dies im Angesicht des Todes möglich ist.

Interessant ist eine andere Situation, zu der sich das kirchliche Dokument „Tote begraben und Trauernde trösten“ ebenfalls äußert. Es geht um die Mitwirkung der Kirche an der Bestattung von Nichtkatholiken. Das Papier geht von einem Handeln „aus Gründen der Pietät gegenüber dem Verstorbenen wie auch der christlichen Diakonie an den Hinterbliebenen“ aus.49 Die Kirche trennt zwischen doktrinär-rechtlichen Vorgaben – genauer benannt wird das nicht – und pastoralen Erfordernissen. Die Bitte der Hinterbliebenen könne „Ausdruck dafür sein, dass in der Situation der Trauer vom christlichen Glauben Halt und Trost erhofft werden.“50 Im Blick ist ein Nichtgetaufter, „der in einer gewissen äußeren oder inneren Nähe zur katholischen Kirche gelebt hat“.51 Die Situation wird so beschrieben: „In der Praxis der Seelsorge kommt es vor, dass für verstorbene Nichtkatholiken von den Angehörigen die Mitwirkung der katholischen Kirche bei der Bestattung erbeten wird.“52 Es werden dann verschiedene pastorale Situationen durchgespielt und das mögliche Handeln der Kirche reflektiert. Was sind die Motive dafür, einen Nichtgetauften zu bestatten? Genannt werden die „Pietät gegenüber dem Verstorbenen“, hingewiesen wird auf die „christliche […] Diakonie“, aber ebenso auf Trost aus dem Glauben heraus.53 Das sind nun durchaus Motive, die sich auf die Trauerfeiern nach Großkatastrophen übertragen lassen. Das Andenken der Verstorbenen steht im Vordergrund. Es geht klar um ein diakonales Handeln sowohl an den Toten als auch an ihren Hinterbliebenen und der gesamten Gesellschaft. Der Zuspruch von Trost ist selbstverständlich zentral für diese Feiern. Anders ist zum einen, dass es um Verstorbene geht, die nicht dem christlichen Glauben nahestanden, und dass solche Trauerfeiern zum anderen Elemente verschiedener Religionen enthalten sollten. Aber wieder zeigt sich, dass es bereits katholische Liturgien gibt, in denen situationsbezogen gehandelt werden soll.54

Ein weiteres kirchliches Dokument soll noch hinzugenommen werden, um mögliche Positionen der katholischen Kirche weiter herauszuarbeiten. Gemeint sind die „Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen“. Sie sprechen von verschiedenen „Anlässe[n] zu religiösen Begegnungen“ und meinen damit offensichtlich Gottesdienste, denn anders würde der folgende Satz keinen Sinn ergeben: „Sie können für keine der genannten Religionen und für Christen insbesondere das eigene kirchliche, also das konfessionelle sowie das ökumenische Gebet ersetzen.“ Es handelt sich um Ausnahmeereignisse, zu denen u. a. Katastrophen gerechnet werden.55 Es wird nicht von „Gottesdiensten“, sondern von „Gebetstreffen“ gesprochen. Dabei müssten die „Unterschiede zwischen den Vertretern der christlichen Konfessionen und der anderen beteiligten Religionen von den Mitfeiernden wahrgenommen werden können.“56 Wichtig ist vor allem, dass solche „Gebetstreffen“ anlässlich von „Ausnahmeereignissen“ denkbar sind. Das passt zu der diakonal-pastoralen Grundierung, die sich in der Schrift „Tote begraben und Trauernde trösten“ finden lässt. Wie ein roter Faden zieht sich durch, dass keine religiösen Handlungen und Gebete gewünscht sind, die Unterschiede zwischen den Religionen verwischen oder einen der beteiligten Partner vor den Kopf stoßen könnten. Als Ort wird ein neutraler Raum empfohlen, doch handelt es sich allein um eine Empfehlung. Denkbar ist, dass nach dem Vorbild des Assisi-Modells alle Religionen zunächst an einem eigenen Ort beten und dann erst zusammenkommen. Aber das wird nicht vorgeschrieben, scheint allerdings favorisiert zu werden. Vieles davon wäre nach dem bereits Dargelegten kritisch zu diskutieren.

Für die Gebetstreffen verschiedener Religionen werden zwei Modelle der Vorbereitung angeboten: gemeinsame Vorbereitung (Team-Modell) oder Einladung in den Gottesdienst einer Religion (Gastgeber-Modell). Die bisherigen Trauerfeiern nach Großkatastrophen entsprechen dem letztgenannten Modell. Es soll kein gemeinsames Gebet geben. Vielmehr ist ein Rahmen mit Eröffnung und Abschluss vorgesehen, innerhalb dessen einzelne Partner Texte vortragen und Gebete sprechen. Dies muss so geschehen, dass jeder mit Respekt folgen kann.

Zweierlei muss festgehalten werden: Im Blick sind Juden und Muslime, zu anderen Religionsgemeinschaften werden keine Aussagen gemacht. Und: Die Erstauflage der Leitlinien sprach noch im Titel von „multireligiösen“ Feiern. Nun ist der Begriff getilgt worden, er kommt im Text nur ganz am Rande vor. Die kirchlich Verantwortlichen scheuen offensichtlich Entsprechendes, obwohl theologisch gesehen Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind und die Praxis zum Teil schon weiter ist. Dennoch zeigt dieses kirchliche Dokument, dass sich Suchbewegungen beobachten lassen, und zwar gerade im Umgang mit Tod und Trauer.

3.2 Kein gemeinsames Gebet? –

Theologische Rückfragen

Aus theologisch-wissenschaftlicher Perspektive müssen allerdings gerade an das zuletzt genannte Dokument einige Fragen gestellt werden, die für die weitere Diskussion hilfreich sein können:

Ist angesichts der Tragödie, die sich hinter solchen Trauerfeiern verbergen, ein gemeinsames Gebet wirklich kategorisch ausgeschlossen? Wenn man die Aussagen von Nostra Aetate und die theologische Aussage der gemeinsam geteilten Heilsgeschichte ernst nimmt, muss in einer solch extremen pastoralen Situation eine Nähe im Gebet vor Gott möglich sein. Es gibt eine Geschwisterlichkeit der Menschen, die schon allein aus christlichem Schöpfungsglauben resultiert, die sich in solch bedrohlicher Lage bewähren muss. Bewährung kann bedeuten, einen Schritt zu tun, der in anderen Situationen so nicht möglich wäre. Mit LG 16 geht die Kirche davon aus, dass Juden und Muslime mit den Christen „den einen Gott anbeten“. Und über die „anderen, die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen“, heißt es, Gott sei ihnen „nicht ferne“. Wenn man hinzunimmt, dass NA 2 im Rekurs auf Hinduismus und Buddhismus sagen kann, die Kirche lehne in diesen Religionen nichts ab, was in ihnen „wahr und heilig ist“, dann ist so viel Nähe beschrieben, dass eine sensibel gestaltete gemeinsame gottesdienstliche Trauerfeier im Angesicht der Toten möglich sein muss.

Zugleich muss gefragt werden, ob alles, was an „Doktrin“ der Kirche in einem Gottesdienst zur Sprache kommt, in jedem Detail von allen geglaubt und dadurch mitvollzogen werden muss.57 Entscheidend ist im konkreten Fall, dass mit allen Anwesenden die Überzeugung geteilt wird, im Rahmen einer religiösen Feier gemeinsam zu trauern, sich Hoffnung zusprechen zu lassen, der Toten zu gedenken und – so man den Gottesglauben teilt – für sie, füreinander und miteinander zu beten. Auf keinen Fall geht es um einen Dialog, ein Ringen um Glaubenswahrheiten oder deren Sicherung. Es geht nicht um die Infragestellung der sonstigen Liturgie der Kirche, ihrer Theologie und Praxis. Vor diesem Hintergrund ist ein gemeinsames Trauern und Hoffen im Rahmen einer Liturgie möglich.

Ganz fremd scheint dieser Gedanke den Verfassern der eben genannten „Leitlinien“ nicht zu sein. Im Anhang des Papiers findet man eine „Auswahl christlicher Gebete“, von denen einige deutlich christologisch oder trinitarisch formuliert sind, andere aber so offen bleiben, dass sie zumindest für Juden und Muslime akzeptabel sein dürften. Darunter befindet sich das Gebet der Vereinten Nationen:

„Herr, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns den Mut und die Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst mit Stolz den Namen Mensch tragen.“58

Der Text stammt aus dem Jahre 1942, ist von Stephen Vincent Benét verfasst worden und von US-Präsident Franklin D. Roosevelt am 14. Juni 1942 in einer Radioansprache zum Flag Day rezitiert worden. Der englische Text, der wesentlich umfangreicher ist als die gerade wiedergegebene deutsche Übersetzung, beginnt mit den Worten: „God of the free, we pledge our hearts and lives today to the cause of all free mankind.“ Das Gebet entstand inmitten des Zweiten Weltkriegs und ist klar als ein Gebet konzipiert, das nicht Gebet einer Religionsgemeinschaft allein ist. Es beten die Menschen vor Gott. Das wird wieder im letzten Absatz des Gebets deutlich, das mit den Worten beginnt: „Yet most of all grant us brotherhood, not only for this day but for all our years – a brotherhood not of words but of acts and deeds.“ Ob den Verfassern der Leitlinie Gesamtzusammenhang und Kontext des Gebets bewusst gewesen sind? Sie weisen das Gebet jedenfalls als einen Text aus, der sich in pluralen und multireligiösen Zusammenhängen bewährt hat und gleichsam als ein Modell solchen Betens anbietet.59

3.3 „Praxis der Barmherzigkeit“ – im Ritual

Kann es für solche Gebete und Gottesdienste, an denen Menschen unterschiedlicher Religionen beteiligt sind, eine weitgehende theologische, möglicherweise sogar eine biblische Grundlegung geben? Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder dem Samariter mit seiner barmherzigen Tat (Lk 10,30–37) kommt in den Sinn.60 Ein Mensch ist auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho. Das ist eine sehr unsichere Wüstengegend. Er wird überfallen, brutal misshandelt und liegen gelassen. Ein Priester und ein Levit gehen achtlos vorbei. Erst ein Samariter, im Israel seiner Zeit selbst eine umstrittene Figur, hilft. Er sieht den überfallenen Menschen und ist „im Innersten berührt“. François Bovon hat in seinem Lukaskommentar darauf hingewiesen, dass es sich um einen Begriff handele, der andernorts bei Lukas gebraucht werde, „um die Herablassung Gottes oder Christi auszusagen; hier bezeichnet es eine evangelische Verhaltensweise“61. Der Text gibt eine Antwort auf die Frage „Wer ist mein Nächster?“62 Zwei Ritualexperten, wenn man Priester und Levit so bezeichnen darf, gehen vorbei, ohne das, was sie im Ritual begangen und gefeiert haben, in der konkreten Situation am Nächsten umzusetzen. Sie sind, wie Bovon formuliert, „tot für die Gegenwart“63. Das ist eine scharfe Kritik an Priester und Levit, von denen jeder weiß, was ihr Tagewerk ist. Erst der Samariter handelt, und zwar an einem Menschen, über dessen Bekenntnis oder Weltsicht er nichts weiß. Er sieht sich in Beziehung zu dieser überfallenen Person. Der „Nächste“ ist ein „Beziehungsbegriff“,64 es geht um die Beziehung zum nahen Menschen schlechthin. Die Erzählung ist eine Verpflichtung der „Gläubigen zur Praxis der Barmherzigkeit“65. Als Kontext der Perikope sieht Bovon die Frage nach dem „Zugang zum ewigen Leben“66. Es folgt Lk 10,38–42, die Perikope von Maria und Martha, in der die Frage der Gottesliebe thematisiert wird. Die Perikope vom barmherzigen Samariter stellt die Nächstenliebe in den Mittelpunkt. Beide Perikopen gehören aber zusammen und kommentieren sich gegenseitig: Gottesliebe und Nächstenliebe sind die beiden Seiten ein- und derselben Medaille.

Wenn man bereit ist, zuzugestehen, dass Hilfe für den Nächsten in ritueller Form und durch Liturgie erfolgen kann – Paul Michael Zulehner spricht von „Ritendiakonie“67 –, dann darf man Menschen in der Wüstenei der Moderne, die im übertragenen Sinne unter die Räuber gefallen sind, denen Schreckliches widerfahren ist, rituell nicht allein lassen. Patristik und Mittelalter sahen im Samariter ein Bild Jesu. Das verlangt umso mehr, Nächstenliebe radikal zu denken, und zwar nicht nur von der inneren Haltung her, sondern ebenso von den Formen her, in denen sie sich ereignet. „Im Innersten berührt“ zu sein, kann dann bedeuten, die eigenen Rituale und liturgischen Formen auf diese Situation in der Wüste hin zu öffnen. Die Voraussetzung ist, dass man der Liturgie eine diakonische Dimension zugesteht. Liturgie muss dann situationsgerecht vorbereitet und begangen werden. Auch wenn sich ein Grundmodell herausgebildet hat, bleiben diese Feiern ein großes Experimentierfeld, auf dem im Extremen die rituellen Kompetenzen und Möglichkeiten der Kirchen nachgefragt werden.

Es handelt sich um ein Feld, über das die liturgietheologische Debatte noch längst nicht abgeschlossen ist und das wegen seiner hohen Komplexität und Außergewöhnlichkeit der Situation nicht durch enge Normen oder Vorgaben eingegrenzt werden darf. „Katastrophen sind agendarisch nicht bändigbar.“68 Gefragt sind theologische Denk- und liturgische Praxismodelle, die hinreichend Flexibilität zulassen, notwendig ist gerade hier die Suche nach neuen, besonders geeigneten Formen für die Trauerfeiern. Sie wird sich nicht beenden lassen, sondern mit Veränderungen in der Gesellschaft immer wieder neu aufgerufen werden müssen.

Zu dieser Debatte tragen die Beiträge des vorliegenden Bandes bei. Sie sind in vier thematische Schwerpunkte aufgeteilt. Am Anfang stehen Berichte aus der Praxis bzw. ein Interview über die Praxis. Christiane Alt, Brigitte Benz und Markus Hoffmann beschreiben, wie an einer Schule und in einer Stadt sowie durch ein Luftfahrtunternehmen mit der Trauer und Erinnerung nach einer Katastrophe umgegangen worden ist. Ansgar Hense und Alexander Thumfart diskutieren öffentliche Trauerfeiern aus staatskirchenrechtlicher und politikwissenschaftlicher Perspektive. Mit Blick auf die Trauerpraxis erörtern Alexander Saberschinsky und Michael Meyer-Blanck das mögliche Neben- und Miteinander kirchlicher und staatlicher Trauerfeier. Liegt die Zukunft dieser Feiern im Multireligiösen? Dieser Frage gehen Winfried Haunerland, Jochen Arnold und Stephan Winter nach.

1 Einige solcher Feiern sind jetzt beschrieben und dokumentiert in: Öffentliche Liturgien. Gottesdienste und Rituale im gesellschaftlichen Kontext, hg. v. J. Arnold u. a., Leipzig 2018 (gemeinsam gottesdienst gestalten 30).

2 Vgl. dazu St. Winter, „Bloß nicht aus dem Rahmen fallen …“. Rituell-gottesdienstliches Framing als zentrale pastoralliturgische Herausforderung, in: HID 72 (2018), 185–194.

3 Vgl. dazu K. Fechtner – Th. Klie, Riskante Liturgien. Zum Charakter und zur Bedeutung von Gottesdiensten in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, in: Riskante Liturgien – Gottesdienste in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, hg. v. K. FechtnerTh. Klie, Stuttgart 2011, 7–19, hier 9: „Liturgie ist prinzipiell riskant und Gottesdienst gestalten und feiern ist ein gewagtes Unterfangen. Liturgie ist ja eingebettet in eine plurale und damit mehrdeutige Rezeptionssituation“. Es sei ungewiss, ob Liturgie gelinge oder nicht. Dennoch sei „das Risiko, das der Liturgie eignet, theologisch kein Manko, sondern Bedingung und Ausdruck dessen, was im Gottesdienst proklamiert, erbeten und erhofft wird.“

4 Vgl. dazu G. Rouwhorst, Paradigmenverlagerungen in einer interdisziplinären theologischen Wissenschaft, in: SaThZ 20 (2016), 172–188; B. Kranemann, Liturgiewissenschaft in der multiplen Moderne, in: ebd. 201–215.

5 Für Situativität spricht sich aus St. Winter, „… Oder bleibt nichts?“ Zu Herausforderungen biblisch begründeter Gott-Rede angesichts von Großkatastrophen, in: Trauerfeiern nach Großkatastrophen. Theologische und sozialwissenschaftliche Zugänge, hg. v. B. Kranemann – B. Benz, Neukirchen-Vluyn – Würzburg 2016 (EKGP 3), 89–103, hier 90–97.

6 Im Folgenden darf nicht übersehen werden, dass sich die Diskussion um die „multireligiöse“ Dimension dieser Feiern bislang aus religionssoziologischen Gründen vor allem auf Juden und Muslime konzentriert und dass sie nicht auch andere Religionen und Weltanschauungen in den Blick nimmt. Vgl. dazu unten S. 18–20.

7 Vgl. dazu unten S. 16.

8 Vgl. Tote begraben und Trauernde trösten. Bestattungskultur im Wandel aus katholischer Sicht, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 32017 (Die deutschen Bischöfe 81).

9 Vgl. Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen. Eine Handreichung der deutschen Bischöfe. 24. Juni 2008. 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2008 (Arbeitshilfen 170).

10 Vgl. L. Friedrichs, Kasualpraxis in der Spätmoderne. Studien zu einer Praktischen Theologie der Übergänge, Leipzig 2008 (APrTh 37), 226, der von der Glaubwürdigkeit der Kirchen spricht, die sich im liturgischen und diakonischen Begleiten menschlichen Suchens und Fragens zeige.

11 M. Drobinski, Trauerfeiern. Die Stärke des Rituals, in: Süddeutsche Zeitung 1.8.2016, 4 (online unter: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/trauerfeiern-die-staerke-der-ritualisierten-trauer-1.3101730 [3.1.2019]).

12 Vgl. Abschlussbericht der Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ von Bündnis 90/Die Grünen (online unter: https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/160317_Abschlussbericht_Religionskommission_Gruene.pdf) [3.1.2019].

13 Abschlussbericht der Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ (wie Anm. 12), 11.

14 Vgl. V. Turner, Das Ritual. Struktur und Antistruktur. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von S. M. Schomburg-Scherff, Frankfurt/M. u. a. 2000.

15 Vgl. U. Wagner-Rau, Angedeuteter Glaube. Kerzen im Kirchenraum, in: Das Christentum hat ein Darstellungsproblem. Zur Krise religiöser Ausdrucksformen im 21. Jahrhundert, hg. v. T. Braune-Krickau – K. Scholl – Peter Schüz, Freiburg/Br. u. a. 2016, 207–215.

16 Im Hintergrund steht ein durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt; vgl. dazu B. Kranemann – B. Benz, Öffentlich trauern, in: forschung. Das Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2016, Nr. 3, 6–11 (engl. Übersetzung: Mourning in Public, in: german research. Magazine of the Deutsche Forschungsgemeinschaft 2018, Nr. 2, 16–20).

17 Die staatskirchenrechtlichen Kontexte sind immer zu bedenken. Die Trauerfeiern in verschiedenen europäischen Ländern und den USA fallen unterschiedlich aus. Sie sind deutlich durch die unterschiedlichen staatskirchenrechtlichen Voraussetzungen und die jeweilige Kirchen- und Religionsgeschichte geprägt.

18 Vgl. die Beispiele in den Sammelbänden „Riskante Liturgien“ (wie Anm. 3) und „Trauerfeiern nach Großkatastrophen“ (wie Anm. 5). Vgl. auch P. Post – R. L. Grimes – A. Nugteren – P. Pettersson – H. Zondag, Disaster ritual. Explorations of an emerging ritual repertoire, Leuven 2003 (LiCo 15).

19 B. Kranemann, Liturgie in der Öffentlichkeit. Trauerfeiern nach Großkatastrophen, in: Trauerfeiern nach Großkatastrophen (wie Anm. 5), 21–39.

20 Vgl. dazu B. Kranemann, Trauerfeiern nach Großkatastrophen. Die Rolle der Kirchen im öffentlichen Raum, in: Politik, Recht und Religion, hg. A. Anter – V. Frick, Tübingen 2019 (Politika 18), 199–217.

21 Vgl. dazu in diesem Band den Beitrag von St. Winter, S. 165–186.

22 Vgl. Die Friedensgebete von Assisi. Einleitung von Fr. Kardinal König. Kommentar von H. Waldenfels, Freiburg/Br. u. a. 1987.

23 Vgl. dazu in diesem Band die unterschiedliche Akzente setzenden Beiträge von W. Haunerland (S. 125–140), St. Winter (S. 165–186) und J. Arnold (S. 141–163).

24 H. Bredekamp im Gespräch mit L. Wiegelmann, Radikaler Laizismus erzeugt neue Probleme, in: HerKorr 73 (2019), Nr. 1, 17–20, hier 17.

25 Vgl. M. Foucault, Die Heterotopien. Les Hétérotopies. Der utopische Körper. Le corps utopique. Zwei Radiovorträge. Zweisprachige Ausgabe. Übersetzt von M. Bischoff. Mit einem Nachwort von D. Defert, Frankfurt/M. 2005, 22.

26 Vgl. A. Gerhards, Verortung der Suche nach dem Anderen in multireligiösen und religiös indifferenten Kontexten, in: Der sakrale Ort im Wandel, hg. v. A. Gerhards – K. de Wildt, Würzburg 2015 (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft 12), 15–29, hier 20: „Wie wird die Sakraltopographie der Zukunft aussehen? Die Religionsgemeinschaften haben bei diesen Sondierungen eine Verantwortung nicht nur gegenüber ihren eigenen Mitgliedern, sondern gegenüber der ganzen Gesellschaft. Der Grund dafür liegt in ihrem Selbstverständnis und ihrer gesellschaftlichen Anerkennung als Instanzen des Gedenkens (geschichtlich-soziale Dimension) und der Verantwortlichkeit für die Schöpfung (kosmisch-ökologische Dimension).“

27 H. Dörnemann, Phänomenologie der Räumlichkeit sakraler Bauten, in: Der sakrale Ort im Wandel (wie Anm. 26), 39–47, hier 43.

28 Vgl. H. Dörnemann, Phänomenologie (wie Anm. 27), 47.

29 J. Seip, Pastoraltheologie als Kritik dichotomischer Praktiken. Fragehorizonte zu einer Bestimmung des sakralen Ortes im Wandel, in: Der sakrale Ort im Wandel (wie Anm. 26), 49–63, hier 54.

30 Begrifflichkeit nach J. Seip, Pastoraltheologie (wie Anm. 29), 53.

31 Vgl. A. Adelmann – K. Wetzel, Ritualraum, in: Ritual und Ritualdynamik. Schlüsselbegriffe, Theorien, Diskussionen, hg. v. Chr. Brosius – A. Michaels – P. Schrode, Göttingen 2013 (UTB 3854), 180–187, hier 180f. Beide weisen ebd. 181 darauf hin, dass der Raum „jedoch in der Raumwahrnehmung der Akteure innerhalb eines Raums durch den repetitiven Reproduktionscharakter und aufgrund der Möglichkeit genormter Konstitutionsprozesse als ‚absoluter Raum‘ aufgefasst werden“ kann. Akteure wären dann im konkreten Fall die Vertreter der an der Feier beteiligten verschiedenen Religionen. Ihre Raumwahrnehmung kann sich von der sonstigen Wahrnehmung des Raumes unterscheiden.

32 Dabei dürfen diejenigen, die die Feier via TV oder Internet verfolgen, nicht vergessen werden.

33 Vgl. B. Kranemann, Liturgie in der Öffentlichkeit (wie Anm. 19), 29.

34 Für Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, aber gottgläubig sind oder eine Religionsaffinität besitzen, ist die Frage leicht zu beantworten. Schwieriger wird es bei expliziten Atheisten, eine entsprechende Diskussion fehlt bislang. Der Ritus als solcher kann tragen. Insbesondere Predigten müssen so formuliert sein, dass Platz ist für Suchen und Ringen um Halt und Sinn im Leiden. Aber hier ist eine weitere Auseinandersetzung notwendig.

35 Vgl. dazu M. Stuflesser, Actuosa participatio – Zwischen hektischem Aktionismus und neuer Innerlichkeit. Überlegungen zur „tätigen Teilnahme“ am Gottesdienst der Kirche als Recht und Pflicht der Getauften, in: LJ 59 (2009), 147–186.

36 Die höchst anregenden Gedanken zu diesem Thema von E.-M. Faber, Persönliches in Gemeinschaft. Liturgisches Beten in der Spannung von Intimität und öffentlich-sozialer Handlung, in: Beten als verleiblichtes Verstehen. Neue Zugänge zu einer Hermeneutik des Gebets, hg. v. I. U. Dalferth – S. Peng-Keller, Freiburg/Br. u. a. 2016 (QD 275), 197–229, sind bislang in der Liturgiewissenschaft zu wenig aufgegriffen worden. Faber tritt für eine Neubestimmung des Verhältnisses von Liturgie und persönlicher Spiritualität ein und spricht sich u. a. für „mehr Phasen in der Liturgie [aus], die nicht schon vorab gefüllt sind, sodass sich der Mensch in seiner Kreatürlichkeit und seiner Gottesbeziehung ‚einstellen‘ kann.“ (ebd. 223) Mit Blick auf Teilnahme ist ebenso folgender Hinweis weiterführend: „Sind die persönlichen Deutungen der Liturgie anlässlich von Kasualien und das formulierte Desiderat einer persönlicheren Gebetsatmosphäre schlechthin auf Privatisierungstendenzen und fragwürdigen Zeitgeist zurückzuführen, oder meldet sich darin nicht doch ein berechtigtes Korrektiv, das für das theologische und kirchliche Verständnis der Liturgie stärkere Berücksichtigung finden müsste?“ (ebd. 218).

37 Vgl. B. Kranemann, „Tätige Teilnahme“ an der Liturgie als „Quelle und Höhepunkt“ – Kernbegriffe der Liturgiekonstitution neu gelesen, in: Die großen Metaphern des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ihre Bedeutung für heute, hg. v. M. Delgado – M. Sievernich, Freiburg/Br. u. a. 2013, 232–247, hier 243–247. Dazu jetzt St. Winter, „Bloß nicht aus dem Rahmen fallen …“ (wie Anm. 2), 190: „Man wird v. a. angesichts jüngerer Entwicklungen, die zu einer immer stärkeren Pluralisierung und Dynamisierung auch christlich geprägter ritueller Vollzüge geführt haben, betonen müssen: Was es jeweils genau heißt, dass Mitfeiernde adäquat einbezogen werden, ist hochgradig vom Anlass, der Feierform, weiteren kirchlichen, biographischen und sozio-kulturellen Faktoren etc. abhängig.“ Winter bezieht hier ausdrücklich Trauerfeiern nach Großschadensereignissen ein. Damit verbinden sich dann sehr vielfältige Deutungen der Trauerfeiern; vgl. ebenfalls St. Winter, An den Grenzen des Daseins … Potentiale und Risiken gottesdienstlicher Feiern angesichts von Großschadensereignissen, in: Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln, Osnabrück 70 (2018), 374–379, hier 377.

38 Vgl. dazu in diesem Band den Beitrag von St. Winter, S. 165–186, hier insbes. 165–166; 179–184.

39 Nach R. A. Siebenrock, Theologischer Kommentar zur Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra Aetate, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil 3, hg. v. P. Hünermann – B. J. Hilberath, Freiburg/Br. u. a. 2005, 591–693, hier 666.

40 Vgl. R. Siebenrock, Theologischer Kommentar (wie Anm. 39), 666–671. Siebenrock nennt die Rezeption durch das kirchliche Lehramt allerdings auch „widersprüchlich“.

41 Vgl. R. Siebenrock, Theologischer Kommentar (wie Anm. 39), 671–674.

42 Allerdings darf nicht übersehen werden, dass diese Gebetstreffen sich über die Jahre deutlich verändert haben. Das Gebet der Religionen 1986 in Assisi fand schon „an getrennten Orten“ statt, wo „Gottesdienst in der je eigenen Tradition“ gefeiert wurde. „Anschließend trafen sich alle auf dem Vorplatz der Franziskus-Basilika, wo nacheinander je ein Vertreter jeder anwesenden Religionsgemeinschaft Gebete für den Frieden aus seiner jeweiligen Tradition sprach. In ähnlicher Form fanden diese Friedensgebete nochmals in den Jahren 1993, 2002, 2006 und 2011 statt“. (4) „Seit 1993 wurde in Assisi sogar auf jedes Gebet in der Gegenwart einer anderen Religionsgemeinschaft verzichtet. Stattdessen gab es bei der Zusammenkunft aller Religionsvertreter Ansprachen oder eine gemeinsame Gebetswache in Stille.“ (4) Alle Zitate aus: Gemeinsame religiöse Feiern mit Menschen verschiedener Religionen, hg. v. der Referentin für den interreligiösen Dialog im Bistum Hildesheim – der Beauftragten für den interreligiösen Dialog im Bistum Osnabrück, Osnabrück – Hildesheim 2015.

43 Dazu finden sich sehr unterschiedliche Positionen in den Beiträgen des Buches Liturgische Normen. Begründungen, Anfragen, Perspektiven, hg. v. M. Stuflesser – T. Weyler, Regensburg 2018 (Theologie der Liturgie 14).

44 Dazu demnächst die Erfurter Dissertation von Brigitte Benz.

45 Tote begraben (wie Anm. 8), 47.

46 Tote begraben (wie Anm. 8), 58. Zur Markierung der Person im Ritus wird das Kürzel „L“ verwendet, das wohl für Leiter/Leiterin stehen soll. Damit übernimmt die Kirche hier eine prominentere Rolle, als sie sich selbst im Text zugesteht.

47 Vgl. Tote begraben (wie Anm. 8), 58.

48 Es werden nur Aussagen für die katholische Kirche gemacht. In der Praxis sind evangelische und katholische Kirche leitend tätig und verantwortlich.

49 Tote begraben (wie Anm. 8), 58.

50 Tote begraben (wie Anm. 8), 48.

51 Tote begraben (wie Anm. 8), 48.

52 Tote begraben (wie Anm. 8), 47.

53 Tote begraben (wie Anm. 8), 48.

54 Neben der Begräbnisliturgie gilt das u. a. für die Feier der Trauung und für die Feier der Taufe.

55 Vgl. Leitlinien (wie Anm. 9), 40.

56 Leitlinien (wie Anm. 9), 41.

57 Vgl. dazu überzeugend St. Winter, „Bloß nicht aus dem Rahmen fallen …“ (wie Anm. 2), 189.

58 Leitlinien (wie Anm. 9), 61.

59 Alle Angaben und Zitate zum Gebet der UN nach: http://www.liturgie.de/liturgie/index.php?bereich=publikationen&datei=pub/oP/Frieden/UnoInfo [28.12.2018].

60 Vgl. F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. 2.Teilband (Lk 9,51–14,35), Zürich - Düsseldorf 1996 (EKK III/2), 82.

61 F. Bovon, Evangelium nach Lukas (wie Anm. 60), 90.

62 F. Bovon, Evangelium nach Lukas (wie Anm. 60), 82.

63 F. Bovon, Evangelium nach Lukas (wie Anm. 60), 90.

64 F. Bovon, Evangelium nach Lukas (wie Anm. 60), 92.

65 F. Bovon, Evangelium nach Lukas (wie Anm. 60), 98.

66 F. Bovon, Evangelium nach Lukas (wie Anm. 60), 82.

67 Der Begriff geht zurück auf P. M. Zulehner, Ritendiakonie, in: Die diakonale Dimension der Liturgie, hg. v. B. Kranemann – Th. Sternberg – W. Zahner, Freiburg/Br. u. a. 2006 (QD 218), 271–283.

68 L. Friedrichs, Kasualpraxis (wie Anm. 10), 220.

Deutschland trauert

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