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(6) Kriterium 6: Prozesse – rational, transparent, verbindlich
ОглавлениеLernprozesse in Organisationen setzen voraus, dass Basisprämissen und Regeln transparent und für alle Beteiligten gleichermaßen verbindlich sind. Sie können nicht einseitig und beliebig geändert oder außer Kraft gesetzt werden. Umgekehrt sind sie einem rationalen Diskurs zugänglich und (zumindest langfristig) veränderbar. Hierfür gibt es wiederum allseits bekannte und verbindliche Regularien.
In lose gekoppelten Organisationsformen gelten nur ganz wenige, übergeordnete Basisprämissen und Metaregeln. Die konkreten Spielregeln werden von den jeweils Beteiligten selbst mit Hilfe zeitlich befristeter, verbindlicher und überprüfbarer Vereinbarungen festgelegt. Steuerung geschieht cross-over über Kontrakte, nicht top-down über Vorgaben.
Das klingt trivial, ist jedoch für die Kirche eine besondere Herausforderung: Trotz anderer, hierarchisch-bürokratischer, synodal-demokratischer oder kooperativ-teamorientierter Traditionen (Dessoy 2010 [b]), ist sie in ihrem Kern durch eine monarchischfeudale, bisweilen absolutistische Form der Machtausübung geprägt (vgl. Gärtner, 2002). Kennzeichnend sind zwei Regeln:
– 1. Regel: Persönliche Beziehungen sind entscheidend. Regeln können sich jederzeit ändern – jenseits formaler Regularien und unabhängig vom eigenen Zutun. Durchgriff und Bestrafung an formalen hierarchischen Ebenen vorbei sind möglich etc.
– 2. Regel komplementär: Regeln und Vereinbarungen müssen nicht eingehalten werden, solange keine ernsthaften (öffentlichen) Störungen auftreten oder Machtinteressen anderer berührt werden. Die Folge ist ein ritualisiertes Muster „geplanter Folgenlosigkeit“: Man trifft sich, bespricht sich, vereinbart sich – und hält sich nicht daran.
Dieser Mechanismus lähmt das zentrale Nervensystem der Organisation durch einen kulturell und strukturell verankerten Überhang negativer Feedback-Schleifen. Veränderungsimpulse können sich nicht fortpflanzen und verstärken. Das macht das System hochgradig stabil.
Eine Kulturveränderung setzt gerade hier an: Ziele, Vorgehensweisen und Regeln der Zusammenarbeit sind transparent zu machen, operational zu beschreiben, verbindlich zu vereinbaren und konsequent zu überprüfen. Feudal-normative Eingriffe sind konsequent zu unterbinden. Das erfordert von den Beteiligten Mut, macht aber auf der anderen Seite auch sehr schnell deutlich, ob die Organisation in der Substanz und in der Führung bereit ist, die erforderliche Kulturveränderung mitzugehen.