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6. Gottes Mit-Sein und Davids Erfolge

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Das göttliche Mitsein mit David wird – wie angedeutet – zweimal von der auktorialen Erzählstimme konstatiert (18,12.14) und kommt einmal ähnlich über die erzählte Perspektive Sauls in den Blick (18,28).137 Dieses göttliche Mitsein in Kap. 18 hat man sich aufgrund der Syntax138 und der Wiederholungen als ein fortwährendes vorzustellen. Das angesprochene Mitsein ist somit nicht nur punktuell auf Aussagen in dessen Nahkontexten zu beziehen.

Neben den Angaben, wie Gott gegenüber Saul agiert (18,10.12),139 ist dieses Mitsein die wichtigste theologische Deutekategorie in Kap. 18 zu den Abläufen in der erzählen Welt und zu deren entsprechenden Plausibilitäten für den Leseprozess. Aber so bedeutsam diese Kategorie für das lesende Verstehen auch ist, sie bleibt inhaltlich letztendlich doch auch recht offen.140 Die mitseiende Gottheit JHWH hatte zwar David zum König erkoren (16,1–13), und deshalb schützt sie anscheinend auch David, lässt ihn Erfolg haben, ihn die zweihundert Philister überwältigen (18,27), ihn gekonnter als andere von Sauls Militärs die angreifenden Philister abwehren (18,30) usw. Doch zu diesem Mitsein wird vom Text nicht explizit geklärt, wie die mitseiende Gottheit JHWH tatsächlich die Taten Davids und speziell dessen Töten der zweihundert Philister bewerten könnte.

Angesichts des komplexen Gottesbildes in den Saul-David-Erzählungen – und angesichts des Gottesbildes im Alten Testament allzumal – würde eine Auslegung viel zu kurz greifen, wenn sie von einer simplen Gleichung ausginge, wonach JHWHs Mitsein zugleich mit JHWHs Zustimmung zu allem Agieren Davids zusammenfallen würde. Solch Mit-Sein impliziert noch kein göttliches Gutheißen jeder Tat des Begleiteten. Genauso wie man ein solches göttliche Gutheißen in 1Sam 18 nicht eintragen darf, verbietet es sich auch, anhand von hellhörig machenden und beim Lesen in Spannung versetzenden Signalen im Text ein göttliches Ablehnen zu konstruieren. Selbst wenn man in 1Sam 18 – nur – von einem göttlichen Tolerieren und entsprechendem Stützen um übergeordneter Ziele willen ausgeht, so schließt das weder ein göttliches Akzeptieren des konkreten Vorgehens Davids noch ein göttliches Distanzieren davon ein.141 Göttliches beeinflusst zwar in der erzählten Welt von 1Sam 18 Davids Werdegang, bleibt aber dabei auffällig stumm.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Verwendung des Leitwortes , da sie zumindest eine Haltung beim Erzählen durch eine Leerstelle andeuten dürfte. Wo entsteht diese Leerstelle und wie darf sie das Lesen füllen?

Das Verb kommt in den Samuelbüchern nur in 1Sam 18 vor (18,5.14.15.30)142 und trägt so zum Eigengepräge des Kapitels mit bei. Es hat hier die besondere Bedeutung „Erfolg haben“ im militärischen Sinne143 und kennzeichnet stets David.144 Die Kennzeichnungen gehen auf keine Einzelaktion Davids ein, bündeln aber auch nur überblicksartig einige von seinen Aktivitäten. Sie beginnen am Ende des Abschnittes 18,1–5 damit, dass Saul David mit Aufträgen versah: „Wohin immer Saul ihn sandte, hatte er Erfolg“ (18,5 ). In 18,14.15145 – nach dem ersten Mordanschlag auf David – stehen die militärischen Delegierungen Sauls immer noch im Hintergrund (vgl. 18,13), aber auf den Delegierungen liegt nicht mehr der Akzent. Stattdessen ist in 18,14 von Davids eigenen Wegen die Rede: „Und auf seinem ganzen Weg () war David erfolgreich ().“ Der Vers 14 hebt also eher darauf ab, dass David nun von sich aus – unter göttlicher Obhut – weiter erfolgreich voranschreitet. Solches Voranschreiten Davids konstatiert dann Saul in 18,15 nicht nur. Es erschaudert Saul nun auch dabei vor David, was seine anschließenden hinterhältigen Heiratspläne verständlich macht: „Und Saul sah, dass er sehr erfolgreich war () und ihm graute vor David.“ Hat damit Kap. 18 bisher dreimal Davids Erfolgsgeschichte im Sinne von erwähnt, können Lesende nun darüber stutzen, dass Davids Schlag gegen die Philister um der Vorhäute willen vom Text nicht unter seinen Erfolgen subsumiert wird. Auf die Notiz am Ende des Verses 18,27, dass Saul David seine Tochter Michal zur Frau geben musste, folgt zwar in den Versen 18,28–29 eine zusammenfassende Angabe darüber, wie sich die erzählte Welt gestaltet, wobei bisherige Motive aus Kapitel 18 aufgegriffen werden, wie JHWHs Mitsein mit David (18,12.14), Michals Liebe für David (18,20) und Sauls Furcht vor David (18,12), und daneben wird Sauls feindliche Einstellung gegenüber David grundsätzlich festgehalten. Aber in diesen bündelnden Angaben von 18,28–29 taucht ein summarischer Hinweis auf Davids Erfolge im Sinne von nicht auf. Erst danach, am Ende von Kap. 18 berichtet Vers 30 von fortwährenden kriegerischen Zügen der Philisterfürsten, bei denen David offenkundig zwecks Abwehr aktiv werden musste, und dabei wird dann wieder Davids Erfolg erwähnt: „David hatte mehr Erfolg als alle Diener Sauls ().“

Somit kann sich beim Lesen die Frage einstellen, warum Davids Schlag gegen die zweihundert Philister (18,27) nicht in seine -Erfolge eingereiht wird. Eine These, welche diese Frage beantworten kann, bewegt sich im Bereich einer semantischen Verstehensmöglichkeit. Der Sinn von „Erfolg haben“ wird in der Literatur von anderen Bedeutungen dieses Verbs her erklärt: etwa von den Bedeutungen „einsichtig/vernünftig werden oder sein.“146 „Im effektiven Sinne ist der ‚Einsichtige’ in seiner Tätigkeit kundig und verständig, dann aber auch erfolgreich, wie es in erster Line von Königen und anderen Volksführern ausgesagt wird (David ...; Salomo: 1Kön 2,3; Hiskija: 2Kön 18,7; ferner Josua: Jos 1,7.8 ...).“147 Entsprechend hatte auch Stoebe die Aussage in 18,5 zu Davids Erfolg auf den Punkt gebracht: Bei dieser -Aussage steht der „Gedanke menschlicher Tüchtigkeit und Lebensklugheit und der daraus resultierende Erfolg im Vordergrund ...“148 Anscheinend schwingt somit im Kap. 18 mit, dass David mit „Klugheit“149 und durch den Einsatz seiner Vernunft Erfolge erreichte. Darunter soll aber nun anscheinend für die Lesenden nicht Davids Angriff auf die Philister und sein Erbeuten ihrer Vorhäute in 18,27 auftauchen. Diese „Sache“ war allein David in den eigenen Augen recht (), da er sich vom Ziel (ver-)leiten ließ, „Schwiegersohn beim König zu werden“ (18,26).

Da nun der Vers 18,27 nichts Anschauliches zu Davids Vorgehen mit seinen Männern unter den Philistern entfaltet, dürfen die Lesenden auch nur bestenfalls anhand der vorherigen David-Goliat-Erzählung (vgl. 17,40.48.50) darüber phantasieren, ob David von diesen Philistern Zweihundert wieder auf eine clevere Weise zu erschlagen vermochte, um an ihre Vorhäute zu gelangen. Cleverness ist aber noch lange nicht ein umsichtig vernünftig-kluges Vorgehen. Verzichtet der Text in 1Sam 18 darauf, Davids Töten von zweihundert Männern der Philister unter den erreichten -Erfolgen zu fassen, kann das für die Lesenden einen Eindruck verstärken: Davids Töten in 18,27 erhält nirgends vom Text und Erzählen die sonst mögliche Zustimmung zu seinen sonst klug und vernünftig erreichten Erfolgen und mutet auch deshalb als sehr fragwürdig an.

Das für die Lesenden Hinterfragbare und das somit mögliche innere Distanzieren von Davids Tat in 18,27 müssen nicht dem in Kap. 18 angeführten Mitsein JHWHs mit David widersprechen, sondern können vielmehr an diesem Mitsein auch etwas aufschließen. Was JHWH als Beschützer bei David zuließ, schließt keineswegs zwangsläufig eine Sanktionierung oder Legitimierung ein.

Nach diesen Überlegungen ist zum Gedankengang in diesem Beitrag zurückzukehren: Das Kap. 18 unterbreitet eine außerordentliche Verquickung. Saul wollte David hinterhältig erschlagen und will ihn danach mit Hinterlist beseitigen. Bei der geheimen Hinterlist nun wird David durch eigene Ambitionen, emporkommen zu wollen, dahin getrieben, selber in fragwürdiger Form zu erschlagen und Philister zu schänden.

Das ereignet sich nicht unabhängig von einer Metaebene, in der JHWH David schützt. Diese theologische Metaebene ist im ersten Samuelbuch bekanntlich ausgespannt zwischen den beiden Polen: Sauls Verwerfung und Davids Erwählung. Zwischen den Polen mutet manches – wie David Wagner formulierte – „zuweilen paradox“ an.150 Das trifft auch für 1Sam 18 zu.

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