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Grußwort von S. Em. Karl Kardinal Lehmann Bischof em. von Mainz

Wir kommen von weit her

Ansprache beim Festakt „70 Jahre Katholische Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität und dem Bischöflichen Priesterseminar Mainz“ am 20. April 2016 im Priesterseminar in Mainz

Es ist lehrreich, dass wir auch hier im Priesterseminar Mainz der Wiedereröffnung der Mainzer Universität vor 70 Jahren und damit auch der Errichtung einer Fakultät für Katholische Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität gedenken. Damit kommt auch von selbst das Bischöfliche Priesterseminar, in dem wir diesen Festakt halten, mit ins Spiel.

Wir werden dadurch auch zurückgeführt bis in die allerersten Anfänge einer Universität in Mainz. Wir feiern ja, wenn wir das Wort ernst nehmen, eine „Wiedereröffnung“. Damit kommen wir zuerst auf die Gründung der Mainzer Universität, die am 1.10.1477 eröffnet worden ist. Dies ist nach den Universitätsgründungen in Prag (1348), Wien (1365), Heidelberg (1386) und Köln (1385) – um das frühe 15. Jahrhundert zu übergehen – eine relativ späte Gründung. Dies hängt damit zusammen, dass Mainz die zweite Universität im Mainzer Kurfürstentum war, denn die erste wurde 1389 in Erfurt gegründet. Der Erzbischof von Mainz war seit 1396 Kanzler der Universität in Erfurt. In der weiteren Umgebung hat Trier z. B. bereits 1473 eine Universität.

Die Mainzer Universität hatte bald einen eigenen Charakter. Sie war die 14. Universität auf deutschem Boden. Auf den Tag ist sie so alt wie die Universität Tübingen. Bedeutend war sie dadurch, dass die „via antiqua“ und die „via moderna“ – also in der Frage um die Seinsweise der Universalien – gleichberechtigt waren. 1507 wurde auch der erste Lehrstuhl für Geschichte an einer deutschen Universität gestiftet. Es war eine kirchliche, ja päpstliche Universitätsgründung, was man heute vielleicht oft ganz vergessen hat. Sie hatte vom Papst dieselben Privilegien erhalten wie die berühmten Universitäten in Bologna, Paris und Köln.

Auch wenn die Universität kirchlich war, so hatte sie, wenigstens am Anfang, einen relativ freien Status. Der gemäßigte Humanismus der Zeit hatte am meisten Einfluss. Es gab sogar Sympathisanten für Martin Luther. Die Situation zu Beginn der Reformation war relativ reformfreundlich. Führende Reformtheologen, wie E. Nausea, M. Helding und J. Pflug, lehrten teilweise in Mainz. Bekanntlich förderte Albrecht von Brandenburg den Humanismus an seinem Hof und in seinen Einrichtungen.

Dies änderte sich nach 1523, als Albrecht die reformatorische Bewegung nicht mehr duldete. Dennoch war die Universität in vielen Disziplinen mit recht guten, relativ unabhängigen Leuten besetzt. Aber es gab immer wieder schwere Rückschläge wirtschaftlicher Art. Dies dauerte lange an: Drei Klöster, die Kartause, Altomünster und Reichklara, wurden beispielsweise später (1781) säkularisiert und das Vermögen für die Universität verwendet. Die Liegenschaften der drei aufgehobenen Klöster wurden einem Universitätsfonds zugeordnet. Dieser scheint mir nicht nur eine rechtshistorische Brücke von damals in die Gegenwart zu sein, sondern bis heute zählt der Mainzer Universitätsfonds zu den bedeutendsten Großgrundbesitzen in Rheinland Pfalz (vgl. als Beleg die Festschrift zum 225-jährigen Bestehen, Mainz 2006).

Im Jahr 1561 hat der Mainzer Erzbischof Daniel Brendel von Homburg die Jesuiten nach Mainz berufen. In vielen Disziplinen kam es zu einem neuen Aufschwung. In den Jahren 1615-1618 wurde die Domus Universitatis, nach dem Krieg das „Institut für Europäische Geschichte“, gebaut. In dieser und auch in späterer Zeit war die Mainzer Universität theologisch streng nach der Tradition ausgerichtet, aber in manchen anderen Disziplinen eher liberal. So konnten auch jüdische und protestantische Gelehrte tätig werden. Ähnliches gilt für die Zulassung zum Studium. Aber der Niedergang schien fast unaufhaltsam zu sein. Einerseits tat man sich mit der Aufklärung, vorbereitet durch die humanistisch geprägte Zeit, leichter als anderswo – Mainz galt in manchem „als wohl fortschrittlichste Universität des Reiches“ –, aber man konnte nicht aufhalten, dass die Universität durch die Französische Republik 1798 zu einer Schule degradiert wurde. Mit dem Untergang von Mainz 1792 war faktisch bereits auch das Schicksal der Universität besiegelt. Die Mainzer Universität selbst wurde vom Kurfürsten als Karls-Universität nach Aschaffenburg verlegt (1808), scheiterte aber auch dort bald.

1805 hat der erste Bischof des neuen Bistums Mainz, Joseph Ludwig Colmar, an dieser Stelle, wo wir hier tagen, dem Kloster der Augustiner-Eremiten, ein Priesterseminar errichtet. Ich brauche jetzt nicht die Geschichte des Seminars zu verfolgen: die erste und zweite Mainzer Theologenschule des 19. Jahrhunderts, die Gründung der wichtigen Zeitschrift „Der Katholik“ (1821), die traurige Episode einer Theologischen Fakultät in Gießen (1830-1850) und die Wiederbelebung der Theologenausbildung in Mainz durch Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (1851). Durch die Situation der Zeit und auch französischen Einfluss waren die genannten Mainzer theologischen Schulen des 19. Jahrhunderts stark durch den „Ultramontanismus“ und die Neuscholastik geprägt. Vielleicht ist noch zu bemerken, dass das Mainzer Priesterseminar nach dem Ende des Kulturkampfes 1887 staatlicherseits einen Status erhielt, der den Staatsfakultäten ebenbürtig war. Im 19. und 20. Jahrhundert gab es dann immer wieder Aufrufe zu einer Neubelebung der Universität Mainz.

Ich möchte gerne noch einige Anmerkungen machen zur Integration der ehemaligen Hochschule des Priesterseminars in die neugegründete Universität. Die Wiedereröffnung der Mainzer Universität und die Integration der Hochschule machen nämlich deutlich, was die Existenz Theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten bedeutet. Die Theologie stellt sich damit unter das Maß der wissenschaftlichen Anforderungen einer authentischen Universität. Aber dies betrifft nicht nur ihre eigene Qualifikation, sondern öffnet sie selbst auch auf die anderen Fakultäten und Fachbereiche hin, erleichtert damit – wenigstens von den Strukturen her – die Kooperation und den Dialog, die sogenannte interdisziplinäre Zusammenarbeit. Dies ist gerade heute im Pluralismus der Wissenschaften eine große Chance. Sie wird auch in vieler Hinsicht angenommen und realisiert. Dies gilt auch für unsere Universität. Ich habe dies auch 1968-71 in Mainz selbst erfahren. Dies ist wichtig für die Einschätzung der Theologie in unserer Gesellschaft. Die Theologie erhält im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zur Universität Ansehen und Wertschätzung. Sie muss freilich auch zusammen mit dem verantwortlichen Amt in der Kirche für die Unabhängigkeit und Freiheit besorgt sein und bleiben.

Diese Zusammenarbeit im Rahmen einer Gesamt-Universität ist aber auch nützlich für die Studierenden. Es ist gut, wenn unsere künftigen Geistlichen, die theologischen Laienberufe und die Religionslehrer in der akademischen Welt mit künftigen Studienräten, Richtern und Ärzten zusammen sind, einander früh begegnen und auch sich jeweils schätzen lernen. Dies tut der Ausbildung von Theologen und auch anderer Studierender gut. In der zunehmenden Isolierung nicht weniger Disziplinen war es auch gut, dass die Theologie schon früh bereit war für das innerwissenschaftliche, über die Fakultätsgrenzen hinausreichende Gespräch mit anderen Disziplinen. So wurden z. B. Symposien gegründet zwischen den Geisteswissenschaften und der Medizin mit Hilfe der Theologie. Die Theologie hat sich schon früh solchen Möglichkeiten des interdisziplinären Austausches geöffnet und sie gefördert. So ist die Theologie heute in einer staatlichen Universität – wenn ich einmal so sagen darf – bestens aufgehoben, wenn sie ihren eigenen Beitrag einbringt. Ich darf an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass die Bischofskonferenz und die Theologischen Fakultäten, auch auf evangelischer Seite, schon früh die Einführung von Lehrstühlen für Islamische Theologie (im Unterschied zur Islamwissenschaft) an einigen Universitäten begrüßt haben, unabhängig von der heute vor allem in Berlin diskutierten Problematik des Status theologischer Fakultäten überhaupt.

Dieser Status wird nicht einfach hergestellt durch eine vorgegebene, schon gar nicht eine prästabilierte Harmonie, sondern bedarf von allen Seiten der stetigen Pflege und einer großen Sensibilität. Sonst wird dieser Status rasch labil, für Konflikte anfällig und ist dann durch seine differenzierte Komplexität das Terrain unaufhörlicher Auseinandersetzungen. Dann kann es leicht zu Forderungen kommen, man müsse ein solches System außer Kraft setzen, entweder durch einen Exodus der theologischen Bildung aus den staatlichen Universitäten, oder durch eine solche Emanzipation der Theologie von der Kirche, dass sie nur noch als säkulare Wissenschaft im Kanon anderer Disziplinen erscheint. Aber im Kreis der sogenannten Geisteswissenschaften hätte sie auch als emanzipierte Tochter wohl kaum ein längeres, eigenes Dasein.

Das Ärgernis der Theologie im Unterschied zu den Religionswissenschaften, die eine eigene Legitimation haben, liegt nicht zuletzt darin, dass die Theologie – diesseits oder jenseits ihrer Wissenschaftlichkeit – durch ihren Bezug vor allem auf die Bibel und die verbindlichen Entscheidungen der Kirchen einen Anspruch auf Wahrheit vertritt, der anderer Natur ist als in den benachbarten Disziplinen. Dem entsprechen auch die in Staatsverträgen und Konkordaten vereinbarten Regelungen zwischen den Kirchen und den Regierungen. Übrigens hat die Katholisch-Theologische Fakultät 1945/46, also von Anfang an, selbst von sich aus eine evangelische Schwesterfakultät gefordert.

Die Kirche kennt nicht nur weltweit, sondern auch in unserem Land, sehr verschiedene Typen und Träger theologischer Hochschulen. Man sieht dies auch sehr gut in unserem Bundesland bei einem Blick nach Trier und Vallendar, aber besonders auch über den Rhein nach Frankfurt, St. Georgen. Die Kirche ist nicht nur an eine Form des Theologischen Studiums und der Forschung gebunden, sie hat allerdings auch den Auftrag, über unsere Gegenwart – und vielleicht auch Konflikte und Krisen – hinaus, überall das Evangelium zu verkünden und zu verbreiten. Wir sind als Kirche mit dem heutigen Status unserer Theologischen Fakultäten eng verbunden und verfolgen mit Interesse ihren Weg. Wir fördern auch von der Kirche aus theologische Studien und manche Forschungsleistungen. Aber wir wollen auch nicht vergessen, was in der Vereinbarung vom 15./17. April 1946 am Ende des Textes geschrieben steht: „Sollte die Universität oder die Theologische Fakultät an der Universität aus irgendeinem Grunde geschlossen werden, so tritt der alte Rechtszustand wieder in Kraft.“ Dazu besteht zur Zeit gewiss nicht der geringste Anlass. Freilich zeigt dies auch deutlich, dass dieser Status immer auch einen gesellschaftlichen Konsens hat und braucht. Theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten sind nämlich nur so lange möglich, wie ein öffentliches Interesse daran besteht, das kirchlich geprägte Christentum bei der Aufgabe, das Glaubensverständnis wissenschaftlich und gesellschaftlich zu fördern, institutionell abzusichern. Dies ist uns nicht für die Ewigkeit garantiert. Wir müssen dafür auch vielfach überzeugt und überzeugend eintreten, nicht selten auch nach verschiedenen Seiten hin kämpfen.

Am Ende möchte ich vom Bistum Mainz aus der Universität für diese Solidarität mit den Theologischen Fakultäten herzlich danken, Ihnen, verehrter Herr Präsident Prof. Dr. Georg Krausch mit der Verwaltung, Frau Vizepräsidentin Prof. Dr. Dr. Mechthild Dreyer, selbst Theologin und Philosophin, allen Fachbereichen, mit denen wir kooperieren, und Ihnen, Herr Dekan Prof. Dr. Matthias Pulte, für die gute Zusammenarbeit zwischen dem Bistum und der Katholisch-Theologischen Fakultät. Ich wünsche allen, dass wir dies über die 70 Jahre hinaus immer wieder dankbar sagen dürfen. Dafür erbitte ich auch an diesem Tag uns allen Gottes reichen Segen, vor allem den Erhalt unserer Einrichtungen, Wachstum und Gedeihen, wie wir es auch vorher in der Eucharistiefeier schon getan haben.

1946 - 2016 70 Jahre Katholische Theologie in Mainz an Universität und Priesterseminar

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