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Figur-Hintergrund
ОглавлениеDen Prozess der jeweiligen Erfahrung ›im Feld‹ und die Dynamik der menschlichen Wahrnehmung, ja die »grundlegende Dynamik unseres Bewusstseins«29 beschreibt das Konzept von Figur und Hintergrund: Vor einem diffusen, formlosen Hintergrund wird eine Figur des Interesses bewusst. Diese Figur
»entspricht einer klaren, lebhaften Wahrnehmung, einem Bild oder einer Einsicht; (…) Die Figur/Hintergrundbildung ist ein dynamischer Prozess, bei dem Notwendigkeiten und Ressourcen des Feldes die dominante Figur fortlaufend mit Interesse, Leuchtstärke und Kraft versorgen. Es ist daher sinnlos, sich mit einem psychologischen Verhalten zu beschäftigen, ohne den soziokulturellen, biologischen und physischen Kontext zu berücksichtigen. Gleichzeitig ist die Figur in besonderer Weise auch psychologischer Natur: Sie besitzt beobachtbare Eigenschaften von Glanz, Klarheit, Einheitlichkeit, Faszination, Anmut, Kraft, Freiheit usw., je nachdem, ob wir es vorwiegend mit Wahrnehmungs-, Gefühls- oder Bewegungskontexten zu tun haben.«30
Das, was als momentan relevant in den Fokus der Aufmerksamkeit kommt, sind Unterschiede im Feld. »Was ständig vorhanden ist, immer gleich bleibt oder indifferent ist«, 31 wird eher nicht zur Figur, oder, um eine Definition von Gregory Bateson zu zitieren, zur Figur wird eine Information, also ein Unterschied, der einen Unterschied macht.32 Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen, eine Figur kann sich klar und deutlich vor einem diffusen Hintergrund abheben, sie kann ihrerseits verschwommen und unklar sein, es können sich mehrere Figuren gleichzeitig anbieten und der Prozess der Figurbildung kann abbrechen und unvollständig bleiben.
Zwischen Hintergrund (all dem, was der Organismus in seinem Umweltfeld wahrnehmen kann) und Figur (dem, was tatsächlich wahrgenommen wird) besteht ein, wie Martina Gremmler-Fuhr es nennt, »sensibles und komplexes Wechselspiel«, 33 in dem sich beide gegenseitig bedingen: Einerseits beeinflussen unsere »Bedürfnisse« (Ideen, Ziele, Impulse, körperliche Empfindungen) unsere Wahrnehmung, andererseits lässt das, was wir wahrnehmen, Bedürfnisse, Ideen, Impulse etc. entstehen. Wird »Hunger« bewusst, geraten Supermärkte oder Restaurants in den Fokus, die ansprechend dekorierte Auslage eines Geschäfts kann appetitanregend wirken.
Ein weiterer zentraler Aspekt des Figur-Hintergrund-Konzepts ist das, was auch als Kontextabhängigkeit der Wahrnehmung beschrieben wird: der Prozess der Bedeutungsbildung. Die Bedeutung einer Figur entsteht durch ihren Hintergrund und kann sich somit verändern. Wie so etwas visuell geschieht, kann man an Kipp-Bildern unmittelbar nachvollziehen, auf denen man z. B. entweder eine alte oder eine junge Frau, einen Eskimo oder ein Gesicht oder, als Antwort auf die Frage »What’s on a man’s mind?« entweder das Profil von Sigmund Freud oder eine nackte Frau sieht. Das Verhalten einer Seminargruppe, die sich Kopien eines Artikels nimmt, der nicht für sie bestimmt ist, kann als unbotmäßig und frech gedeutet werden oder als neugierig und interessiert. Je nach Bedeutung und Bewertung, die dem Verhalten gegeben wird, wird sich der Seminarleiter verhalten, also seine Handlung daran ausrichten. Auslöser für Handlung ist immer die Bedeutung, die dem Wahrgenommenen gegeben wird.34