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Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten

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Eine der immer wiederkehrenden Fragen im Zusammenhang mit einer Definition von Coaching ist die Abgrenzung zu anderen Beratungsformen, vor allem der ›klassischen‹ Beratung, der Therapie und der Supervision. Da es sich bei GestaltCoaching im eigentlichen Sinne um Coaching nach/mit gestalttherapeutischen Ansätzen handelt, scheint mir diese Abgrenzung hier besonders wichtig. Dabei finde ich die bedeutsamsten Unterschiede zwischen den Formaten weniger im Anwenden von bestimmten Methoden, also im Inhalt, als viel eher in den Rahmenbedingungen. Gleichzeitig ergeben sich sowohl aus der Abgrenzung als auch aus den Gemeinsamkeiten vertiefende Aussagen darüber, was Coaching sein kann.

›Klassische‹ Beratung wird in zwei verschiedenen Formen angeboten. Entweder von Experten (Steuerberater, Finanzberater, Verbraucherberater), dann erfolgt sie nach dem Muster: »Du hast eine Frage, ich habe das Wissen und damit die Antwort, und mit dieser Antwort wirst du wieder handlungsfähig.« Oder sie findet in speziellen (Sozial-) Beratungsstellen statt, die Menschen aufsuchen, wenn sie nicht mehr weiter wissen und es um Probleme geht, die mit Expertenwissen allein nicht zu lösen sind: Partnerschaftsprobleme, Erziehungsprobleme, Suchtprobleme etc. Die Beratung hier ist eher prozessorientiert, eine Lösung wird gemeinsam erarbeitet, der Berater unterstützt in den schwierigen Phasen des »Was-ist-das-wirkliche-Problem?« über das »Noch-nicht-handeln-Können« hin zu einer Lösung »So-kann-ich-weitermachen«.

Beide Beratungsaspekte finden sich inhaltlich im Coaching wieder: Der Coach ist sowohl Prozessbegleiter als mitunter auch Experte, der einen klaren Rat gibt. Während allerdings das Ratgeben und -nehmen im Management sich hoher Akzeptanz erfreut und es eher die Berater sind, die dem skeptisch gegenüber stehen, finden Führungskräfte mit ihren spezifischen Problemstellungen in Beratungsstellen wenig Antworten auf ihre Fragen:

»man [ist] in diesen Einrichtungen auf berufliche oder persönliche Probleme von Führungskräften inhaltlich oder methodisch kaum vorbereitet. Weder sind die spezifischen Symptomlagen von ansonsten gut »funktionierenden« Führungskräften dort geläufig noch gibt es ein entwickeltes Interventionsrepertoire, das auf solche managerialen Fragestellungen zugeschnitten wäre.«14

Diese Aussage lässt sich auch auf die Therapie übertragen. Berater aus dem sozialen oder therapeutischen Umfeld erliegen manchmal der Annahme, bei Coaching gehe es um so etwas wie ›Therapie light‹ am Arbeitsplatz, schließlich müssten die »verkopften« Manager mit ihren Gefühlen in Kontakt kommen. So richtig diese Diagnose im Einzelfall sein mag, sie übersieht den ›Hintergrund‹ der Organisation, der der ›Figur‹ im Coaching ihre Bedeutung gibt. Nicht alle Probleme der Person liegen im persönlichen Bereich, manchmal sind sie durch die Struktur der Organisation ausgelöst und müssten auch dort mit einem entsprechenden Interventionsrepertoire adressiert werden. In solchen Fällen ist es eher angezeigt, auf Konzepte und Modelle aus dem Management-Training zurückzugreifen.

Gleichzeitig ist das Coaching-Setting zweifellos der Ort, an dem, um bei dem vereinfachenden Bild zu bleiben, Führungskräfte über sich und ihre Gefühle sprechen können (und sollen). Einer therapeutischen, vertiefenden Arbeit stehen hier zwei Aspekte entgegen: zum einen die zeitliche Begrenztheit des Coachings insgesamt sowie die manchmal großen und auch unregelmäßigen Abstände zwischen den einzelnen Coachingsitzungen, die zudem oft in den Räumen der Organisation stattfinden. Dieses Gerüst trägt keinen stark verunsichernden oder irritierenden persönlichen Prozess wie ihn eine Therapie phasenweise darstellt.

Der zweite, ebenfalls bedeutsame Aspekt berührt eher Fragen der beraterischen Ethik, als der methodischen Sauberkeit: der »Dienstvertrag«. Die Organisation zahlt für eine Leistung, für die sie einen Auftrag erteilt hat, der nicht »Therapie«15 heißt. Im Rahmen der Auftragserfüllung mag es einzelne Sitzungen geben, die einen eher therapeutischen Anklang haben oder in denen Interventionen genutzt werden, die erlebnisvertiefend wirken, dies aber nur insoweit (und so tief), wie es für die Zielerreichung des Coachings sinnvoll ist. »Psychische Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen oder andere Beeinträchtigungen der Selbststeuerungsfähigkeit gehören ausschließlich in das Aufgabenfeld entsprechend ausgebildeter Psychotherapeuten, Ärzte und medizinischer Einrichtungen«, so die Abgrenzung des DBVC, des Deutschen Bundesverbands Coaching e.V.16

Das Beratungsformat, das dem Coaching am ähnlichsten ist, ist die Supervision, sofern es sich nicht um Fallsupervision handelt. In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 200917 kommen der Berater und Coach Wolfgang Looss und Jörg Fellermann von der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv) zu der übereinstimmenden Einschätzung, dass zwischen dem Tun erfahrener Coaches und Supervisoren kein Unterschied auszumachen sei. Sehr vereinfachend kann man sagen, Supervision kommt aus dem sozialen Umfeld und arbeitet vorzugsweise dort, Coaching ist ein »Kind« der Unternehmenswelt und des Managements und arbeitet in diesem Feld. In diesen Feldern unter der jeweils anderen Bezeichnung zu arbeiten, würde jedoch Irritationen auslösen, denn beide stehen sich skeptisch bis ablehnend gegenüber. Assoziieren Manager und Führungskräfte mit dem sozialen Bereich eher »emotional, gefühlsbetont und unwirtschaftlich«, finden die ›Sozial-Arbeiter‹ den Managementkontext »kalt, unpersönlich und auf Macht fixiert.«18

Der bedeutsamste Unterschied zwischen diesen beiden Beratungsformen liegt darin, dass die Ausbildung zum Supervisor klar geregelt ist, wohingegen sich »Coach« jeder nennen kann.

Zusammenfassend gesagt: Coaching bezeichnet eine personenbezogene Prozessberatung von Führungskräften in Organisationen zu Themen, die an der Schnittstelle Mensch und Organisation auftreten. Dieser Beratungsprozess ist häufig eine ›Entwicklungsmaßnahme‹, angestoßen von der Organisation selbst, mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des Funktionsträgers zu erhalten oder zu verbessern. Coaching nutzt Methoden und Instrumente aus dem Repertoire der sozialen Beratung19 und des Management-Trainings, um die Selbstreflexion und -wahrnehmung des Coachee zu verbessern und seine Handlungsfähigkeit im Organisationskontext zu erweitern.

Je nach Auftrag und Zielformulierung handelt es sich beim Coaching also aus Sicht des Coachee um einen kürzeren oder längeren Lernprozess, 20 begleitet und unterstützt von einem Experten für solche Prozesse, dem Coach.

»Führungskräfte, die sich beraten lassen, gehen in eine künstlich hergestellte, zweckorientierte und nicht in ihr Leben integrierte Arbeitsbeziehung hinein, um sehr persönliche und intime Problemstellungen zur Person, insbesondere zu deren Schwierigkeiten im Umgang mit der Berufsrolle als Manager aufzuarbeiten.«21

Ausgehend von der Definition von Coaching als personenbezogenem Beratungsprozess will ich im Folgenden ausloten, welche gestalttherapeutischen Modelle und Ansätze sich handlungsleitend auf diese Form der Einzelberatung anwenden lassen, um so ein Konzept von »GestaltCoaching« zu entwickeln. Dabei geht es mir weniger um die »typischen« oder »klassischen« Interventionsmethoden der Gestalttherapie, um deren Herkunft im Einzelnen man zudem streiten kann und deren Anwendung allein noch keine »Gestalttherapie«, respektive GestaltCoaching, macht. Als ›roter Faden‹ dient mir der idealtypische Ablauf eines Coaching-Prozesses, in dessen Verlauf verschiedene Fragestellungen auftauchen. Davor gilt jedoch der Satz »Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie«.22 Das heißt, auch praxisorientierte Überlegungen sind zunächst theoretische Überlegungen. Bevor die Praxis zur Figur werden kann, ist es unerlässlich, sich mit dem theoretischen Hintergrund zu beschäftigen und einige Grundbegriffe und -konzepte der Gestalttherapie kurz zu erläutern.

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