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Die paradoxe Theorie der Veränderung

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»In meiner Kindheit habe ich gelernt, ich solle ›etwas aus mir machen‹ und mir meinen Platz in der Welt schaffen. Es galt als eine Sache des Willens und der Anstrengung, die notwendigen Veränderungen zu vollziehen, um etwas zu ›werden‹ und einen Platz zu finden. Ich lernte, dass dieses Ziel erreichbar sei, wenn ich nur bereit wäre zu arbeiten, zu planen, mich anzustrengen und zu kämpfen.«76

Arnold Beisser schrieb dies in seinem Lebensbericht als gelähmter Therapeut im Jahre 1989. In seinem Text Die paradoxe Theorie der Veränderung aus dem Jahr 1970 setzt er sich mit dem Spannungsfeld von Intention und Akzeptanz auseinander. Die Annahme, es gebe nur willentliche Veränderung, prägt nicht nur weiterhin Individuen, die mit sich oder ihren Lebensumständen unzufrieden sind, sondern unsere ganze Kultur und das Management von Organisationen.

Ausgehend von seiner ganz persönlichen Situation – er war an Kinderlähmung erkrankt und gelähmt –, die durch keine Anstrengung zu verändern war, beschrieb Arnold Beisser seine Erfahrung, was sich änderte, als er anfing, diese Situation anzunehmen. »Dabei entdeckte ich, wie ihre unangenehmen und inakzeptablen Aspekte sich veränderten.«77

Diese persönliche Erfahrung und seine Beobachtungen aus der Zusammenarbeit mit Fritz Perls flossen ein in seine Paradoxe Theorie der Veränderung, die eine zentrale Bedeutung für den gestalttherapeutischen Prozess und die Rolle des Therapeuten hat:

»Kurz gesagt geht es um Folgendes: Veränderung geschieht, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn jemand versucht, etwas zu werden, was er nicht ist. (…) Veränderung findet statt, wenn man sich die Zeit und die Mühe macht, zu sein, was man ist; und das heißt, sich voll und ganz auf sein gegenwärtiges Sein einzulassen.«78

Mit Achtsamkeit bei dem bleiben, was hier und jetzt geschieht (gefühlt, gespürt, gesagt wird) und »dabei bleiben«, auch wenn es unangenehm oder schmerzhaft ist oder sich leer anfühlt. »Die Grundlage dieser Arbeit ist das Jetzt.«79 Von diesem Jetzt aus ereignet sich der nächste Schritt von allein, er darf nicht erzwungen oder durch ein Programm (»ich sollte aber«, »ich will«, »ich denke, es wäre besser«) absichtlich herbeigeführt werden, »jede absichtliche Änderung ist zum Scheitern verurteilt.«80 Die beiden letzten Zitate stammen aus Therapie-Sitzungen von Fritz Perls und sollen an dieser Stelle verdeutlichen, dass es sich bei der Aufforderung, das zu sein, was man gegenwärtig ist, um eine Aufforderung im therapeutischen Setting handelt und nicht um ein Konzept zur Selbstverwirklichung.81

Für den Gestalttherapeuten bedeutet das, das Geschehen im Sinne der dialogischen Beziehung zu begleiten, präsent zu sein, seine Beobachtungen mitzuteilen und den Prozess zu halten. Er ist nicht der Vertreter der Veränderung, er Mit dieser Haltung erkennt der Therapeut auch die ungeliebten, schlechten, für falsch befundenen oder abgespaltenen Anteile des Klienten an und unterstützt den Klienten darin, dies auch zu tun und so die entfremdeten Teile seines Selbst zu integrieren.

»verweigert die Rolle des ›Veränderers‹. (…) Ein Therapeut, der versucht, einem Klienten zu helfen, hat die partnerschaftliche Position verlassen und ist zum wissenden Experten geworden, wobei der Klient die hilflose Rolle spielt (…)«82

Ziel der Therapie ist laut Arnold Beisser, im Angesicht einer sich immer rascher verändernden Umwelt, die Möglichkeiten der eigenen Stabilisierung zu erhöhen, um so in der Lage zu sein, »sich dynamisch und flexibel im Fluss der Zeit zu bewegen und dabei zugleich die Orientierung zu behalten.«83 Er verweist in seinem Text explizit darauf, dass dieser Veränderungsansatz zwar aus der therapeutischen Beziehung stammt, sich aber auch auf andere soziale Veränderungsprozesse übertragen lässt und Ansätze dazu liefern kann, wie abgekapselte Teile oder Schichten einer sozialen Gruppe wieder miteinander in Verbindung gebracht und integriert werden können.

Die paradoxe Theorie der Veränderung ist, wie wir gesehen haben, weniger eine Theorie als eine Richtschnur für beraterisches Handeln. Sie lässt sich ohne weiteres auf die Eins-zu-eins-Situation des Coachings übertragen, und ein Coach, der sich darauf bezieht, wird auch in kritischen Situationen darauf vertrauen, dass der nächste Schritt des Coachee entstehen wird und es weder nötig noch angezeigt ist, steuernd einzugreifen. Dieses Veränderungskonzept unterstützt die Haltung des Beraters, dass die Verantwortung für die Lösung des Problems beim Coachee liegt und seine Rolle die des Experten für den Prozess der Lösungsfindung ist.

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