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2.3 Lukas (Apg 1,6-8)
ОглавлениеDie Apostelgeschichte entsteht um das Jahr 90 (vgl. Schnelle 2007: 305). Der Evangelist Lukas, der zuvor bereits das Lukasevangelium geschrieben hat, verfolgt vermutlich nicht schon von Anfang an den Plan, ein zweibändiges Werk zu verfassen. Erst einige Zeit nachdem das Evangelium abgeschlossen ist, entscheidet er sich dazu, mit der Apostelgeschichte noch eine Fortsetzung folgen zu lassen. In ihr schildert er, wie die Impulse, die Jesus seinen Nachfolgern vermittelt hat, schließlich zur Entstehung und Ausbreitung der christlichen Gemeinschaft führen. Eine entscheidende Funktion kommt dabei der Abschieds-Szene zwischen dem auferstandenen Jesus und seinen Jüngern zu. Mit diesem Geschehen endet das Lukasevangelium (Lk 24,50-53) und beginnt die Apostelgeschichte (Apg 1,1-11). Doch während Jesus die Jünger im Lukasevangelium schlicht segnet, beschreibt die Apostelgeschichte in wörtlicher Rede eine Beauftragung Jesu an die Jünger (vgl. Schille 1969: 326).
Die Beauftragung findet sich eingebettet in einen Dialog zwischen Jesus und den Jüngern. Gegen alle Spekulationen darüber, wann Jesus nach seiner Himmelfahrt auf die Erde zurückkehren und sein Königreich endgültig etablieren werde, wehrt Jesus sich deutlich. Ihm geht es nicht so sehr um den Vorausblick auf das Ende der Zeit (Apg 1,6-7), sondern vielmehr um eine Instruktion der Jünger für die Zwischenzeit bis zu diesem Ende (V. 8). Dieser eine Vers (Apg 1,8) steckt voller lukanischer Lieblingsgedanken und ist darum zu Recht gelegentlich als „Programm“ der gesamten Apostelgeschichte bezeichnet worden (vgl. Hahn 1965: 115). Nicht zufällig beginnt Jesus seine Worte hier mit dem Hinweis auf den Heiligen Geist. Schon im Lukasevangelium nimmt der Geist eine zentrale Rolle ein (vgl. Lk 1,35; 4,18; 24,49). In der Apostelgeschichte ist er nun dafür zuständig, das Verhalten und die Worte der Apostel in Gottes Sinne zu leiten. Mit der bekannten Pfingst-Episode (Apg 2,1-4) empfangen sie den Geist und können durch sein Wirken nun missionarisch arbeiten und predigen (vgl. Bieder 1964: 26; Burchard 1978: 323; Kasting 1969: 42; Wucherpfennig 2003: 438). Als Kraft (gr. dýnamis) Gottes begleitet der Heilige Geist die Arbeit der Apostel und verleiht dieser so im buchstäblichen Sinn Dynamik. Wenn es darum geht, das Wirken des Geistes zu begreifen, bedient sich Lukas mit Vorliebe des Begriffs der dýnamis (neben Apg 1,8 z. B. Lk 1,35; 4,14; Apg 10,38).
Die Kraft des Geistes versetzt die Jünger in die Lage, Zeugen zu sein. Das griechische Wort martýs („Zeuge“) erhält erst im Lauf der frühen Kirchengeschichte die Sinnkomponente des „Märtyrers“, da manche Christinnen und Christen bereit sind, für ihr Zeugnis des Glaubens zu leiden oder gar zu sterben. Diese Assoziation verbindet sich bei Lukas aber noch nicht mit dem Begriff. Ein Zeuge ist für ihn jemand, der öffentlich etwas bekundet, das sie oder er miterlebt hat, und verbindlich darüber Auskunft gibt. Dies kann sowohl im Kontext einer Gerichtsverhandlung geschehen (einseitig Burchard 1978: 325) als auch in anderen Zusammenhängen. Wenn Jesus den Jüngern in Apg 1,8 also sagt, dass sie seine „Zeugen“ sein sollen, ruft er sie schlichtweg dazu auf, ihre eigenen Erlebnisse anderen mitzuteilen. Als „meine“ Zeugen, also Zeugen Jesu, sind die so Angesprochenen dazu aufgerufen, das weiterzugeben, was sie selbst an Taten und Lehren Jesu bis hin zu seiner Auferstehung und Himmelfahrt (vgl. Apg 1,1-2) miterlebt haben. Und tatsächlich werden die Apostel auch nicht müde, im weiteren Verlauf des Texts immer wieder zu betonen, dass sie sich als Zeugen Jesu Christi und insbesondere seiner Auferstehung begreifen (vgl. Apg 1,22; 2,32; 3,15; 4,33 u. ö.; vgl. Kasting 1969: 42–43; Kremer 1982: 147–148; vgl. auch Schneider 1982: 88).
Was dann geschieht, wenn die Apostel in der Kraft des Geistes als Jesu Zeugen fungieren, thematisiert der Schluss von Apg 1,8: Die Botschaft – und mit ihr die christliche Gemeinschaft – breitet sich aus. Der Ausgangspunkt liegt in Jerusalem, dem Schauplatz von Jesu Kreuzigung und Auferstehung. Jerusalem bleibt für die Apostelgeschichte dann auch das Zentrum der christlichen Kirche (vgl. Bieder 1964: 23). Doch von hier aus zieht die Botschaft immer weitere Kreise. Sie breitet sich über ganz Judäa und Samarien „bis an das Ende der Welt“ aus. Und diese Ausbreitung ist durchaus brisant. Denn aufgrund des Zeugnisses der Apostel werden ganz unterschiedliche Menschen von der Botschaft erreicht, sowohl Juden als auch Nicht-Juden. Dass es Gottes Plan entspricht, dass plötzlich auch Menschen aus anderen Völkern zum Glauben kommen und Gottes Heil empfangen können, müssen auch die Apostel erst lernen. In einer Vision tut Gott Petrus seinen Willen kund, und sogleich ergreift Petrus die Gelegenheit beim Schopf, einen Nicht-Juden für den Glauben an Christus zu gewinnen (Apg 10; vgl. Hahn 1965: 115), der sich bereits zuvor für den Glauben an den Gott Israels interessiert hatte (Sänger 1998). Doch weil nun die christliche Gemeinschaft Menschen von unterschiedlicher kultureller und religiöser Herkunft integriert, entstehen Spannungen. Es muss erst ein Modus des gelingenden Zusammenlebens und -glaubens gefunden werden. Beim sog. „Apostelkonzil“ (Apg 15) beraten sich die führenden Köpfe der christlichen Kirche in Jerusalem mit Paulus und treffen eine Entscheidung. Fortan ist die christliche Gemeinschaft also eine kulturell gemischte. Von Jerusalem ausgehend werden auch Menschen aus anderen Völkern erreicht. Sogar die Samaritaner, von denen Lukas weiß, dass sie unter religiöser Hinsicht extrem unbeliebt sind (vgl. Lk 10,25-37; 17,11-19), werden durch Jesus in die Sendung der Jünger eingeschlossen (vgl. Bieder 1964: 19).