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Wie Gunther gen Island zu Brünhild fuhr

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 333 Es war eine Königin gesessen überm Meer;eine, die ihr gliche, fände man wohl schwer:schön war sie über die Maßen, gewaltig ihre Kraft;sie warf mit schnellen Degen um die Minne den Schaft.

 334 Den Stein warf sie ferne, danach sie weithin sprang.Wer auf sie richten wollte seine Wünsche frank,drei Spiele musst er gewinnen mit der Frau, hochgeboren;verlor er auch nur eines, so hatte er das Leben verloren.

 335 Die Königin hatte sehr oft das schon getan.Da vernahm es an dem Rheine ein Ritter wohlgetan;der richtete seine Sinne auf das herrliche Weib.Darum mussten der Helden viel verlieren Leben und Leib.

 336 Als sie eines Tages saßen, der König und seine Schar,auf mancherlei Art sie ermaßen, was dafür und dawider war,welche ihr Herrscher sollte bitten um ihre Hand,die zur Frau er wollte und die geziemen würde dem Land.

 337 Da sprach der Vogt vom Rheine: »Ich will nieder zur Seehin zu Brünhilde, was mir auch gescheh.Um ihrer Schönheit willen wage ich Leben und Leib.Die will ich gerne verlieren; Brünhild werde denn mein Weib.«

 338 »Dem muss ich widerraten«, sprach da Sigfrid.»Es macht ihre Sitte gefährlich solchen Schritt.Wer wirbt um ihre Minne, dem kommt es hoch zu stehn.Das mögt Ihr für die Reise aus meinem Rate wohl ersehn.«

 339 Da sprach der König Gunther: »Nie ward geboren ein Weib,so stark und so kühn auch, dass ich ihren Leib,im Streit nicht bezwänge mit meiner eignen Hand.«»Schweigt!« sprach da Sigfrid. »Euch ist ihre Stärke nicht bekannt.

 340 Und wären ihrer viere, die könnten nicht bestehnvor ihrem grimmen Zorne; den Wunsch lasst Euch vergehn!Das rat ich Euch in Treuen. Wollt Ihr nicht liegen tot,so lasst durch ihre Minne Euch bringen nimmermehr in Not!«

 341 »Sie sei so stark sie wolle, ich lasse die Reise nichthin zu Brünhilde. Was mir auch geschieht,um ihrer Schönheit willen muss gewagt es sein,ob Gott es mir gewähret, dass sie mir folget an den Rhein.«

 342 »So will ich Euch wohl raten«, sprach da Hagen,»dass Ihr Sigfrid bittet, mit Euch zu tragendie starke Beschwerde. Mein Rat dahin geht,da es ihm so bekannt ist, wie es um Brünhilde steht.«

 343 Er sprach: »Willst du mir helfen, Degen Sigfrid,die Minnige zu erwerben? Tust du, worum ich bitt,und wird mir zur Trauten das herrliche Weib,so will nach deinem Willen ich wagen Ehre und Leib.«

 344 Zur Antwort gab da Sigfrid: »So wie es steht mit mir,gibst du mir deine Schwester, so will ich helfen dir,die schöne Kriemhilde, die Königstochter hehr;keinen Lohn begehr ich für meine Hilfe dann mehr.«

 345 »Das gelobe ich«, sprach Gunther, »Sigfrid, dir in die Hand.Kommt die schöne Brünhild her in dieses Land,so will ich dir zum Weibe meine Schwester geben,so magst du mit der Schönen immerdar in Freuden leben.«

 346 Sie schwuren darauf Eide, die beiden Recken hehr.Doch schuf es ihnen Mühe bei weitem noch mehr,ehe sie die Wohlgezierte brachten an den Rhein.Drum mussten die Vielkühnen noch in starker Sorge sein.

 347 Von manchem wilden Zwergen habe ich hören sagen,es sei in hohlen Bergen und zum Schirm zu tragen,was Tarnkappe heißet, von wunderbarer Art:wer sie hat an seinem Körper, der solle sein gar wohlbewahrt

 348 vor Hieben und vor Stichen. Ihn könne auch niemand sehn,wenn er darein gehüllet. Aber hören und spähnkönne er nach seinem Willen, obwohl ihn niemand sieht.Er sei auch viel stärker, teilt uns dies Abenteuer mit.

 349 Mit sich führte Sigfrid die Tarnkappe dann,die der kühne Degen mit großer Mühe gewanneinst von einem Zwerge; der hieß Alberich.Da rüsteten die kühnen Recken zu der Ausfahrt sich.

 350 Wenn der kühne Sigfrid die Tarnkappe trug,dann hat er in der Hülle Kräfte genug:zwölf Männer Stärke zu seinem eignen Leib.Er gewann mit großen Listen das gar herrliche Weib.

 351 Auch war diese Tarnhaut also getan,dass in ihr wirken konnte ein jeglicher Mann,was er selbst begehrte, so dass ihn niemand sah.So gewann er Brünhild, wodurch ihm Leides einst geschah.

 352 »Du sollst mir sagen, Sigfrid, eh unsere Fahrt ergeh,wie wir mit vollen Ehren kommen über See.Sollen wir Ritter führen in Brünhildes Land?Zweitausend Degen, danach wird leicht nun ausgesandt.«

 353 »So viel«, sprach Sigfrid, »an Volk wir führen hin,die Königin heget so grimmigen Sinn,die müssten alle sterben durch ihren Übermut.Ich will Euch besser raten, Degen tapfer und gut.

 354 Wir müssen in Reckenweise fahren hinab den Rhein;die will ich Euch nennen, die bei uns sollen sein:mit uns zwein noch zweie, sonst keiner auf See.So gewinnen wir die Fraue, wie es auch danach ergeh.

 355 Der Gefährten seid Ihr einer, der andre will ich sein,Hagen sei der dritte – so mögen wir wohl gedeihn.Dankwart sei der vierte, der vielkühne Mann;so mögen wohl zweitausend im Kampf uns nimmer greifen an.«

 356 »Die Kunde wüsst ich gerne«, der König sprach also,»eh wir von hinnen scheiden; darüber wär ich froh,was für Kleidung wir sollen vor Brünhilde tragen,die uns da wohl gezieme, das müsst Ihr mir alsbald nun sagen.«

 357 »Die besten Gewande, die man jemals fand,trägt man zu allen Zeiten in Brünhildes Land.Drum müssen wir reiche Kleidung vor der Fraue tragen,die uns nicht Schande mache, hört man davon die Nachricht sagen.«

 358 Da sprach der gute Degen: »Ausgehe selbst ich dannzu meiner lieben Mutter, ob ich erreichen kann,dass ihre schönen Mägde uns rüsten unser Kleid,das wir mit Ehren tragen vor der herrlichen Maid.«

 359 Hagen von Tronje sagte mit herrlichen Sitten:»Was wollt Ihr Eure Mutter um solche Dienste bitten?Lasst Eure Schwester hören, worauf geht unser Mut!So kunstreich ist die Schöne, dass die Kleider werden gut.«

 360 Da entbot er seine Schwester, dass er sie wollte sehn,und auch der Herr Sigfrid. Eh dass dies geschehn,legte an die Schöne ein gar schmuckes Kleid;dass sie sie sehen wollten, war sie froh und gern bereit.

 361 Geschmückt war ihr Gesinde, wie ihr zu es kam.Die Fürsten kamen beide. Da sie das vernahm,erhob sie sich vom Sitze. In Züchten sie da ging,als sie den edlen Fremdling und ihren Bruder auch empfing.

 362 »Willkommen sei, mein Bruder, und der Gefährte dein!Die Kunde wüsst ich gerne«, sprach das Mägdelein,»was Ihr wollt erreichen, da Ihr zu Hofe kommt.Das lasst mich beide hören, was Euch Hochgemuten frommt!«

 363 Da sprach der reiche König: »Frau, ich will Euch sagen:wir müssen große Sorge bei hohem Mute tragen;wir wollen zu Hofe reiten fern in fremdes Land.Wir müssen zu der Reise haben prächtiges Gewand.«

 364 »Nun setzt Euch, lieber Bruder«, sprach das Königskind,»lasst mich die Kunde hören, wer die Frauen sind,die Ihr begehrt zur Minne in anderer Fürsten Land!«Die Auserwählten beide nahm die Maid da bei der Hand.

 365 Da ging sie mit den Degen, wo sie selber saß.Prächtige Polster – ihr sollt glauben das –bei ihr allenthalben auf dem Boden lagen.Bei der Fraue konnte es den Helden wohl behagen.

 366 Gar liebliche Blicke und minnigliches Sehn,das mochte zwischen beiden da gar viel geschehn:er trug sie in dem Herzen, sie war ihm Leben und Leib.Durch treuen Dienst erwarb ers, dass sie doch später ward sein Weib.

 367 Da sprach der König Gunther: »Vieledle Schwester mein,ohne deine Hilfe könnte es nimmer sein:wir wollen zu Wettspielen ziehn in Brünhilds Land.Da brauchen wir zum Tragen vor den Frauen herrliches Gewand.«

 368 Da sprach die Königstochter: »Viellieber Bruder mein,was ich von meiner Seite Euch kann zur Hilfe sein,des sollt Ihr innewerden, dass ich dazu bereit;versagt es Euch eine andre, das wäre Kriemhilden leid.

 369 Ihr sollt mich, edle Ritter, nicht in Sorgen bitten;Ihr könnt mir gebieten mit hochgemuten Sitten:was Euch gefalle, dazu bin ich bereitund tu es guten Willens«, sprach die herrliche Maid.

 370 »Wir wollen, liebe Schwester, tragen ein gut Gewand.Das soll bereiten helfen Eure weiße Hand.Das fertigen Eure Mägde, dass es uns prächtig steht,da mich für diese Reise niemand anders sonst berät.«

 371 Die Jungfrau da sagte: »Ich will Euch gern es sagen,ich habe da Seide. Nun lasset her uns tragenGestein auf den Schilden! So machen wir jedes Kleid,dass Ihr es tragt mit Ehren vor der herrlichen Maid.«

 372 »Wer sind die Gefährten«, sprach die Königin,»die mit Euch gekleidet zu Hofe sollen ziehn?«»Das bin ich und Sigfrid und meiner Degen zwei,Dankwart und Hagen; die sind auf dieser Fahrt dabei.

 373 Nun merket, liebe Schwester, recht, was wir sagen:dass wir vier Gefährten tragen an vier Tagenje zweierlei Kleider und also gut Gewand,dass wir ohne Schande verlassen können Brünhilds Land.«

 374 Das gelobte sie den Recken. Die Herren schieden dann.Da rief von ihren Jungfraun dreißig Maide heranaus ihrer Kemenate Kriemhild, die Königin.Die Wohlgeschickten hatten für die Kunst einen rechten Sinn.

 375 Allerhand Seide und weiß wie der Schneeaus Zazamank, dem Lande, grün wie der Klee,da hinein legten sie Steine. Es ward manch gutes Kleid.Zu schnitt es Kriemhild, die gar minnigliche Maid.

 376 Von fremder Fische Häuten Bezüge wohlgetan,zu schauen wert den Leuten, so viel man deren gewann,die deckte man mit Seide, Gold war aufgetragen.Man konnte große Wunder von der glänzenden Kleidung sagen.

 377 Aus dem Land Marokko und auch aus Libiadie allerbeste Seide, die man jemals sahKönigssippen tragen, die hatte sie genug.Die Frau ließ wohl erkennen, dass Hulde sie im Herzen trug.

 378 Weil zu der Hofreise sie hatten so begehrt,die Hermelinpelze dünkten sie wenig wert;Seide lag da oben, gar schwarz anzusehn,wie sie schnellen Degen mag zu Festlichkeiten stehn.

 379 Aus arabischer Seide glänzte mancher Stein.Die Mühe der Frauen, die war nimmer klein.In sechs Wochen fertig war dann jedes Kleid.Da waren auch die Waffen für die guten Recken bereit.

 380 Als sie gerüstet waren, war ihnen auf dem Rheinfleißig auch gezimmert ein starkes Schifflein,das sie tragen sollte nieder auf die See.Den schönen Jungfrauen schuf da ihre Arbeit Weh.

 381 Da sagte man den Recken, ihnen sei gemacht,die sie da tragen sollten, die prächtige Tracht.Was die Helden begehrten, das war nun bereit.Da wollten sie am Rheine weilen nicht noch lange Zeit.

 382 Nach den Heergesellen ward da bald gesandt,ob sie schauen wollten ihr neues Gewand,ob es den Helden wäre zu kurz nicht, noch zu lang.Den Frauen dafür sie sagten von Herzen den schuldigen Dank.

 383 Von wem sie immer kamen, der musste es gestehn,er hätte auf dieser Erde Schöneres nie gesehn.Das mochten sie gerne da bei Hofe tragen.Von besserer Heldenkleidung wüsste niemand euch zu sagen.

 384 Dank da gar eifrig wurde ihr gesagt.Urlaub erbaten die Helden unverzagt;in ritterlichen Züchten taten die Helden das.Drum wurden lichte Augen vom Weinen trübe und nass.

 385 Sie sprach: »Viellieber Bruder, ändert Euern Planund werbt um eine andre! Das hieße ich wohlgetan;wo Ihr nicht wagen müsset so sehr Leben und Leib!Ihr könnt näher finden auch manches wohlgeborne Weib.«

 386 Mich dünkt, ihnen sagt ihr Herze ihr künftiges Ungemach.Sie weinten alle zusammen, was auch jemand sprach.Auf ihrer Brust der Goldschmuck ward von Tränen fahl;die rannen ihnen reichlich von den Augen zu Tal.

 387 Sie sagte: »Herr Sigfrid, lasst Euch empfohlen seinin Treue und in Gnade den lieben Bruder mein,dass nichts ihm Schaden bringe in Brünhildens Land!«Das gelobte der Vielkühne der Frau Kriemhild in die Hand.

 388 Da sprach der kühne Degen: »Solang mein Leben währt,bleibet von allen Sorgen, Fraue, unbeschwert!Gesund ich ihn Euch bringe zurück an den Rhein.Das glaubet bei meinem Leibe!« Ihm dankte das schöne Mägdelein.

 389 Ihre goldroten Schilde, die trug man an den Strandund brachte zu dem Schiffe all ihr Gewand.Die Rosse ließ man bringen. Sie wollten fahren dann.Manche schöne Fraue bitter zu weinen da begann.

 390 Da stand an dem Fenster manch minnigliches Kind.Das Schiff mit dem Segel trieb ein frischer Wind.Die stolzen Heergesellen waren auf dem Rhein.Da sprach der König Gunther: »Wer soll nun Schiffsmeister sein?«

 391 Da sprach der starke Sigfrid: »Ich kann Euch auf der Flutwohl von hinnen führen. Das wisset, Helden gut!Die rechten Wasserstraßen, die sind mir wohlbekannt.«Mit Freuden sie da schieden aus der Burgunden Land.

 392 Der König von Niederlanden die Ruderstange nahm.Vom Gestade begann zu schieben der Held lobesam.Gunther, der kühne, selbst ein Ruder schlug.Sie entfernten sich vom Lande und waren fröhlich auch genug.

 393 Sie hatten reiche Speise, dazu auch besten Wein,den man irgend finden konnte an dem Rhein.Dankwart, Hagens Bruder, der saß und zogan einem starken Ruder; sein Mut war über die Maßen hoch.

 394 Die starken Segeltaue straffte der Wind mit Macht.Sie fuhren viele Meilen, bevor es wurde Nacht.Mit Freuden sie da kamen auf die hohe See.Ihre starke Arbeit schuf einst den Hochgemuten Weh.

 395 Binnen zwölf Tagen, wie wir hören sagen,hatten sie die Winde weit hinfort getragennach dem Isensteine zu Brünhildes Land.Das war Hagen von Tronje noch mitnichten bekannt.

Das Nibelungenlied

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