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Neuntes Abenteuer

Wie Sigfrid nach Worms gesandt ward

 542 Da sie gefahren waren volle neun Tage,da sprach der kühne Hagen: »Nun merket, was ich sage!Ihr säumet mit der Kunde nach Worms an den Rhein;Eure Boten sollten bei den Burgunden schon sein.«

 543 Da sprach der König Gunther: »Ihr habt gar recht gesagt.Nun rüstet Euch zur Reise, Ritter unverzagt,da ich zu dieser Stunde niemand nennen kann,der dorthin reiten könnte!« Da sprach der hochgemute Mann:

 544 »Wisset, Herr, mein lieber, ich bin kein Bote gut,ich will Euch einen weisen, der es doch gerne tut:Sigfrid, dem kühnen, sollt Ihr es nicht versagen.Eurer Schwester zuliebe wagt er es nimmer abzuschlagen.«

 545 Er sandte zu dem Recken; der Herr kam sogleich;er sprach: »Da wir nahen heimwärts meinem Reich,müsste ich Botschaft senden der lieben Schwester meinund auch meiner Mutter, dass wir nun wieder nahn dem Rhein.

 546 Drum bitt ich Euch, Herr Sigfrid, dass Ihr die Reise tut.An Euch und mir es vergelte die edle Jungfrau gutund allen meinen Freunden, den Recken freudebereit.«Da sprach der kühne Sigfrid: »Zur Fahrt für Euch bin ich bereit.

 547 Gebietet, was Ihr wollet! Verweigert wird es nicht.Der Minniglichen bringe ich gerne Bericht.Wie sollt ich auf die verzichten, von der mein Herze voll?Was Ihr für sie gebietet, alles das geschehen soll.«

 548 »Sagt meiner Mutter und auch der Schwester mein:wir können ob dieser Reise hohes Mutes sein!Lasst wissen meine Brüder, wie geworben wir!Auch unsre andern Freunde sollen hören diese Kunde hier.

 549 Kriemhild und meiner Mutter sollt Ihrs nicht verschweigen,dass ich mich ihr mit Brünhild in Diensten wolle neigenund all ihrem Gesinde und jedem, der mein Mann;wonach gestrebt mein Herze, wie wohl ich alles das gewann!

 550 Und sagt auch meinen Brüdern und den Gefreundten mein,dass sie mit großem Eifer dazu gerüstet sei’n.Man gebe allen Degen die Kunde wohl bekannt:eine große Hochzeit mit Brünhild halte ich im Land.

 551 Und saget meiner Schwester, damit sie das vernommen,ich sei mit meinen Gästen nun an Land gekommen,dass eifrig sie empfänge die Geliebte mein.Dafür will immerdar ich in Treuen ihr zu Diensten sein.«

 552 Da der vielkühne Recke Urlaub von ihm nahmund auch von Brünhilde, der Ritter lobesamritt in großer Freude nach Worms an den Rhein.Es konnte in allen Landen wohl kein bessrer Bote sein.

 553 Mit vierundzwanzig Recken er nach Worms da ritt;ohne den König kam er. Als man das teilte mit,litt das ganze Gefolge in Jammer da Not:sie fürchteten, dass ihr Herrscher dort geblieben wäre tot.

 554 Abstiegen die Boten; gar hoch stand ihr Mut.Eilend kamen beide, die jungen Könige gut,und alles Hofgesinde. Doch Gernot sprach da,weil er seinen Bruder nicht bei dem kühnen Sigfrid sah:

 555 »Willkommen, edler Ritter! Ihr sollt uns hören lassen,wo Ihr meinen Bruder, den König, habt verlassen!Brünhildes Stärke hat ihn uns genommen.Dann ist durch hohe Minne großer Schaden uns gekommen.«

 556 »Euch beiden edlen Recken und allen Magen seinentbietet seine Hulde der Heergeselle mein.Ich verließ ihn in Gesundheit. Er hat mich abgesandtals Boten mit der Nachricht, dass ich Euch gäbe die bekannt.

 557 Ihr sollt nun dies bedenken, wie das bald gescheh,dass ich Eure Mutter und Eure Schwester seh.Die will ich hören lassen was ihnen hat bestelltGunther, der edle König, dessen Ehre glänzt in aller Welt.«

 558 Da sprach der junge Giselher: »Geht zu ihnen hinan!Da habt Ihr meiner Mutter viel Liebes angetan.Sie ist in schwerer Sorge um den Bruder mein.Sie sehn Euch beide gerne. Drum sollt ohne Furcht Ihr sein.«

 559 Da sprach der kühne Sigfrid: »Was ich ihnen dienen kann,das soll gutes Willens in Treue sein getan.Wer sagt es nun den Frauen, dass ich dorthin will gehn?«»Das tu ich«, sprach da Giselher, der wackre Degen ausersehn!

 560 Der stolze, kühne Recke zu seiner Mutter sprachund auch zu seiner Schwester in beider Frauen Gemach:»Zu uns ist Sigfrid kommen, der Held aus Niederland.Ihn hat mein Bruder Gunther vom Rheine her zu uns gesandt.

 561 Er bringt uns die Kunde, wie es um den König steht.Nun sollt Ihr ihm erlauben, dass er zu Hofe geht.Er bringt die rechte Kunde her von Island.«Noch war den edeln Frauen da große Sorge bekannt.

 562 Sie eilten nach ihren Kleidern; die legten sie sich an.Sie baten da Sigfrid, zu Hof zu gehen hinan.Das tat er guten Willens, da er sie gerne sah.Kriemhild, die vielschöne, zu ihm freundlich sprach sie da:

 563 »Willkommen seid, Herr Sigfrid, Ritter lobesam!Sagt, wohin mein Bruder, der reiche König, kam!Durch Brünhilds Stärke haben wir ihn wohl verloren.O weh, mir armer Jungfrau, dass ich jemals ward geboren!«

 564 Da sprach der kühne Ritter: »Nun gebt mir Botenbrot,Ihr edeln Jungfrauen! Ihr sorget ohne Not:gesund verließ ich Gunther; das geb ich Euch bekannt.Er und die schöne Brünhild haben mich Euch beiden hergesandt.

 565 Sie verheißen Euch getreulich Dienste hierzuland,vielreiche Königinnen; das geb ich Euch bekannt.Nun lasst Euer Weinen! Sie werden baldigst kommen.«Seit langer Zeit hatte sie liebere Kunde nie vernommen.

 566 Mit schneeweißen Tüchern ihre Augen wohlgetanwischte sie frei von Tränen. Sie dankte sodanndem Boten für die Kunde, die ihr da gekommen.Da war die tiefe Trauer und auch das Weinen ihr genommen.

 567 Den Boten hieß sie sitzen; dazu war er bereit.Die Jungfrau da sagte: »Mir brächte es kein Leid,wenn als Botenlohn ich Euch geben dürfte mein Gold;doch seid zu reich Ihr selber. Ich will Euch immer bleiben hold.«

 568 »Hätte ich alleine«, sprach er, »manches Land,so empfinge ich doch gerne Gabe aus Eurer Hand.«Da sprach die Minnigliche: »So soll dies geschehn.«Sie hieß ihren Kämmerer nach der Kemenate gehn.

 569 Vierundzwanzig Ringe besetzt mit Steinen gut,die gab sie ihm zum Lohne. Da beschloss sein Mut,er wollte es nicht behalten: er gab es kurzerhandihrem nächsten Gesinde, das bei der Kemenate er fand.

 570 Die Mutter bot ihre Hulde gütig ihm an.»Ich muss Euch mehr noch sagen«, sprach da der kühne Mann,»worum der König bittet, kommt er nun hierher.Er will Euch immer danken, leistet Ihr, was er begehr.

 571 Seine reichen Gäste Ihr wohl empfangen sollt.Drum bittet er Euch dringend, dass Ihr nicht säumen wollt,zu reiten ihm entgegen bei Worms an den Strand.Daran seid von dem König in großen Treuen Ihr gemahnt.«

 572 Da sprach die Minnigliche: »Das will ich gerne tun.Kann ich ihm Dienste leisten, das soll geschehen nunin Freundschaft und Treue; so sei es getan.«Da hob sich ihre Farbe, die sie in Liebe da gewann.

 573 Es ward ein Fürstenbote empfangen besser nie.Wagte sie ihn zu küssen, das tat gerne sie;wie er in rechter Minne von den Frauen schied!Die Burgunden taten, was ihnen Sigfrid da riet.

 574 Sindold und Hunold und Rumold, der Degen,die mussten unermüdlich in dieser Zeit sich regen,richten das Gestühle, wie es war bekannt.Des Königs Amtsleute man da mitarbeiten fand.

 575 Ortwin und Gere, des reichen Königs Mannen,die sandten allenthalben zu den Freunden von dannen,zu künden ihnen die Hochzeit, die da sollte sein.Da rüsteten sich zu dieser die vielschönen Mägdelein.

 576 Der Palas und die Wände, die waren überallgeschmückt für die Gäste. König Gunthers Saalward wohl ausgezimmert von manchem fremden Mann.Diese große Hochzeit hob mit vieler Freude an.

 577 Da ritten allenthalben die Wege durch das Landder drei Könige Magen. Man hatte ihnen gesandt,sie sollten derer warten, die zu ihnen wollten kommen.Da ward aus den Truhen reiche Kleidung viel genommen.

 578 Da sagte man die Kunde, dass man reiten sahden König mit seinen Gästen. Ungemach erhob sich dadurch des Volkes Menge im Burgundenland.Hei, was man schnelle Degen bei Frau Brünhilde fand!

 579 Da sprach die schöne Kriemhild: »Ihr, meine Mägdelein,die bei dem Empfange mit mir wollet sein,sucht jede aus den Truhen das allerschönste Kleid,das ihr finden möget; und sagt den Frauen auch Bescheid!«

 580 Dann kamen auch die Recken. Zu bringen man gebotdie herrlichsten Sättel, von lichtem Golde rot.Die Frauen sollten reiten bei Worms an den Rhein.Besseres Reitzeug konnte nirgendwo da sein.

 581 Hei, wie die Rosse strahlten von lichten Goldes Schein!Aufgesetzt auf den Zäumen war mancher Edelstein.Die goldenen Schemel aus lichten Stoffen gut,brachte man dort den Frauen. Sie waren alle hochgemut.

 582 Gegürtet mit Seide, gar schön sowie groß,brachte man den Frauen manch treffliches Ross.Reiches Vorderzeug auch sah man die Pferde tragenaus der besten Seide, davon konnte jemand sagen.

 583 Sechsundachtzig Frauen hieß man kommen dann,die Stirnbinden trugen; zu Kriemhild herankamen die Schönen und trugen lichtes Kleid.Da ward auch wohl geschmücket manche minnigliche Maid.

 584 Fünfzig und viere vom Burgundenland:so waren es die besten, die man bei Hofe fand;die sah man blonden Haares mit lichten Bändern gehn.Was König Gunther verlangte, das war mit Eifer geschehn.

 585 Von lichten, reichen Stoffen fern aus Heidenlandsie trugen vor den Gästen manch treffliches Gewand,das ihrer reichen Schönheit wohl mit Recht gebührt.Der war schwaches Sinnes, der ihre Schönheit nicht verspürt.

 586 Von Hermelin und Zobel viel Kleider man da fand.Da ward auch wohl geschmücket mancher Arm und manche Handmit Ringen auf der Seide, die sie da sollten tragen.Es konnte solch Bemühen euch zu Ende niemand sagen.

 587 Manch köstlichen Gürtel, gut sowie lang,über reiche Kleidung manche weiße Hand da schwang,über seidenwollne Röcke und Stoff aus Arabin,dass auf der ganzen Erde nichts Besseres zu finden schien.

 588 Es ward das Brustgespänge mancher schönen Maidvielminniglich genähet. Es mochte ihr werden leid,dass ihre lichte Farbe nicht überstrahlt den Stoff.So schönes Ingesinde gibts nun an keinem Königshof.

 589 Da die Minniglichen nun trugen ihr Gewand,die sie da führen sollten, die waren rasch zur Hand;der hochgemuten Recken große HeldenkraftMan trug auch mit den Schilden herbei so manchen Eschenschaft.

Das Nibelungenlied

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