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2 Fremdsprachenlehrerbildung in der neusprachlichen Reformbewegung
ОглавлениеIm letzten Viertel des 19. Jahrhunderts trafen eine Anzahl von gesellschaftlichen, technischen und kulturellen Entwicklungen zusammen, die Schulwesen und Lehrerbildung beeinflussten. Zu den seit Beginn des Jahrhunderts wirkenden staatlichen Bestrebungen, das Bildungssystem stärker zu regulieren, Vergleichbarkeit und Konsistenz durch Lehrpläne und Prüfungsordnungen herzustellen, traten durch verbesserte Verkehrsverbindungen und zuverlässigen Postverkehr (dazu ausführlich Schleich, 2015, S. 50-79) Möglichkeiten für zunehmenden nationalen und internationalen Austausch, zu dem die modernen Fremdsprachen einerseits unabdingbar waren und andererseits durch ein wachsendes Interesse an der Neuphilologie selbst beitrugen. Zugleich differenzierten sich die Wissenschaften innerhalb der Universitäten stärker aus, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit erlebten. Unser modernes Wissenschaftssystem hat hier seine Wurzeln (vgl. Telesko, 2010, S. 200-202). Relevant für den Fremdsprachenunterricht waren neben der Neuphilologie etwa die Entwicklung der Phonetik und der Psychologie.
Anstöße zu einer Reform des Fremdsprachenunterrichts und in Folge der Ausbildung der Lehrer in Deutschland kamen von Neuphilologen, die als Lehrer, wie beispielsweise Hermann Klinghardt oder Franz Dörr, oder Hochschullehrer, wie Wilhelm Viëtor oder Hermann Breymann, tätig waren. Breymann sieht die Auslöser der Reformbewegung in einer Reaktion auf die „Überschätzung des grammatischen Unterrichts und gegen den Glauben an den absoluten Wert der sogenannten formalen Bildung“ (Breymann, 1895, S. 97; Hervorhebungen im Original). Unterstützt werde die Reform durch die neue Wissenschaft der Lautphysiologie oder Phonetik und die Fortschritte in Sprachwissenschaft und Psychologie (vgl. ebd.). Vor allem ging es den Reformern um das zentrale Anliegen, lebende Sprachen auch als solche zu lehren, nämlich Aussprache und Sprechfertigkeit von Anfang an zu fördern, in die fremden Kulturen einzuführen, zusammenhängende Texte in das Zentrum des Unterrichts zu rücken und die Grammatik nicht mehr in einer zentralen Rolle zu belassen, sondern ihr lediglich eine dienende Funktion zuzuweisen. Diese Kernziele der Reformbewegung sind in den von Gustav Wendt bei der achten Versammlung der Neuphilologen in Wien im Jahr 1898 vorgestellten und intensiv diskutierten Thesen zusammengefasst (dazu Wendt, 1898-1900).
Zu Beginn der Reformbewegung standen vor allem die angestrebten Veränderungen im Schulbetrieb der modernen Fremdsprachen im Zentrum der Debatten. Zwar wurde von Beginn an die enge Verflechtung von Schule und Universität hervorgehoben, breitere Überlegungen zur Lehrerbildung setzten jedoch erst ab den 1890er Jahren ein, so etwa bei der fünften Versammlung der Neuphilologen 1892 in Berlin, nachdem etwa die preußischen Lehrpläne für den modernen Fremdsprachenunterricht zumindest ansatzweise Elemente der neusprachlichen Reform aufgenommen hatten (vgl. Christ & Rang, 1985, Band II, S. 41). Dadurch veränderte sich das Anforderungsprofil für die Lehrer, dem auch in der (universitären) Ausbildung Rechnung getragen werden sollte. Darüber jedoch, wie weit sich die Universität den Anforderungen des späteren Berufsfeldes ihrer Studierenden zuwenden sollte, gingen die Meinungen stark auseinander.