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Fremdsprachendidaktik als Wissenschaftsdisziplin
ОглавлениеMit Blick auf die Geschichte des Fachs stellt Friederike Klippel in ihrem Beitrag die wechselseitige Entwicklung schulischer Bildungsziele und Lehrer:innenbildung im Laufe des 19. Jahrhunderts dar. Sie zeichnet die einsetzende Debatte um Inhalte, Ziele und Strukturen der Fremdsprachenlehrer:innenbildung und ihrer Ausgestaltung mit Fokus auf die neueren Sprachen und Französisch und Englisch im Rahmen der neusprachlichen Reformbewegung und darüber hinaus nach.
Auch Jürgen Mertens nimmt eine historisch-rückblickende Perspektive ein und analysiert in seinem Beitrag die Entwicklung der Behandlung von Grammatik in Lehrwerken für Französisch im Anfangsunterricht im Zeitraum von 1970 bis 2020. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Untersuchung zeigen, dass obwohl in den Lehrwerken der (neo)kommunikativen und der aufgabenorientierten Phase die Grammatikstrukturen zunehmend in fertigkeitsorientierten Kontexten und in Texten eingebettet sind, die Übungsformate sich wenig geändert haben. Dies gilt insbesondere für die Lehrwerke der aufgabenorientierten Phase: anstatt als Bausteine für eine zielgerichtete Planung von kommunikativen Handlungen, werden Grammatikübungen weiterhin als dekontextualisierte Vorbereitung zum Sprachgebrauch eingesetzt.
Im sich anschließenden Beitrag von Elisabeth Kolb geht es auch um die Rolle der Grammatik im Fremdsprachenunterricht, dieses Mal jedoch anhand von Beispielen aus Bildungsdokumenten, fachdidaktischen Aufsätzen und Lehrwerken für den Englisch- und Französischunterricht. Das bisweilen schwierige und von den einzelnen Akteur:innen unterschiedlich interpretierte Zusammenspiel von Grammatik und Kompetenzorientierung wird von der Verfasserin auf seine konzeptuelle Bestimmung und praktische Umsetzung beleuchtet.
Grit Mehlhorn und Christiane Neveling beschäftigen sich alsdann ebenfalls im Bereich der sprachlichen Mittel mit strategischer Wortschatzarbeit in der Lehrer:innnenbildung. Insbesondere nehmen sie einige digitale Webtools zum Wortschatzlernen unter die Lupe und zeigen, wie Lehramtsstudierende herangeführt werden, das Lernpotenzial einiger Tools selbst zu erkunden, Ansätze für die Strategievermittlung und Reflexion über die Wortschatzarbeit in Schulpraktika auszuprobieren und/oder in Masterarbeiten zu evaluieren.
Ebenfalls eine App steht im Mittelpunkt des Aufsatzes von Franz-Joseph Meißner, der wissenschaftliche Grundlagen und didaktisches Potenzial einer App zur Interkomprehension behandelt: Durch verschiedene Übungsformate werden Lernende angeregt, Äquivalenzen und Unterschiede unter Wörtern des Kernwortschatzes sowie unter syntaktischen Strukturen in verschiedenen romanischen Sprachen zu erkennen und zu verinnerlichen. Die Lernwirksamkeit der Übungsformate liegt u. a. in der Entwicklung mehrsprachiger Kompetenzen und im Zusammenspiel zwischen explizitem und implizitem, deklarativem und prozeduralem Wissen.
Ein weiteres der Fremdsprachendidaktik immanentes Forschungsfeld ist die Literatur- und Kulturvermittlung. Bernd Tesch analysiert im vorliegenden Essay, welche Normativitäten ihr im Fremdsprachenunterricht zu Grunde liegen. Diese durchleuchtet er aus dem Blickwinkel der konstruktiv-kritischen Didaktik pointiert auf ihre theoretischen Begründungen. In der Zusammenschau stellt er die Argumente gleichsam unter Berücksichtigung realer Lernbedingungen aus praxeologischer Perspektive auf den Prüfstand und leistet einen Beitrag zu diesem Diskurs.
Die drei letzten Beiträge dieses ersten Teils stellen die Forschung von, mit und an angehenden Fremdsprachenlehrkräften in den Mittelpunkt. Anka Bergmann, Stephan Breidbach und Lutz Küster analysieren in ihrem Text das Verhältnis von Fachdidaktik und Fachwissenschaft im Rahmen der Professionalisierung von Lehrpersonen vor dem Hintergrund einer berufsbiografischen Perspektive. Dabei plädieren sie dafür, dass sowohl in der Fachdidaktik als auch in der Fachwissenschaft systematische Ansätze zur Förderung der Reflektivität über die eigene Lern- und Lehrerfahrung integriert werden.
Wolfgang Hallet plädiert für die Integration ethnographischer Forschungsmethoden in die Lehrer:innenaus- und -fortbildung. Unterrichtliche Prozesse profitieren demnach von einer stärkeren Gewichtung der Lernendenperspektive, eröffnen erweiterte Partizipationsmöglichkeiten für Fremdsprachenlernende und unterstützen das Erfassen, „Beschreiben und Verstehen lebensweltlicher und fremdsprachiger Kulturen“.
Schließlich setzt sich Michael Legutke mit dem Handlungsfeld der fremdsprachendidaktischen Fortbildung von Lehrkräften auseinander und stellt fest, dass diese nur selten Gegenstand empirischer fremdsprachendidaktischer Forschung ist. Am Beispiel des Fort- und Weiterbildungsprogramms Deutsch Lehren Lernen (DLL) des Goethe-Instituts zeigt der Verfasser auf, welche Forschungsperspektiven sich im Arbeitsfeld der Lehrkräftefortbildung ergeben könnten.