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Marlis David

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Sternenstaub

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus. Diese Zeilen meines liebsten Weihnachtsgedichtes gingen mir durch den Kopf, als ich, vom Lichterglanz angezogen, den Weihnachtsmarkt betrat. Es roch nach Glühwein, Plätzchen, Vanille und Zimt. Der Weihnachtsschmuck glänzte, und die stimmungsvolle Musik sollte den Zauber der Weihnacht vermitteln.

„Alles nur Kommerz“, dachte ich, „alles nur Geschäftemacherei.“

Jeder Stand befand sich am gleichen Platz wie all die Jahre zuvor. Es gab nichts Neues zu bestaunen. Wo blieb das Weihnachtswunder? Der Stern, dem man folgen musste, um es zu finden?

Was war nur los mit mir dieses Jahr? Ich fühlte mich leer, ausgebrannt und freudlos.

Nachdenklich stand ich an einem Feuerkorb, um mir die kalten Hände zu wärmen, als eine Stimme neben mir fluchte: „Die glauben alle nur, was sie sehen, dabei gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, die man nicht erklären kann!“ Ein Mann rieb seine rot gefrorenen Hände und trat von einem Fuß auf den anderen. Mir fiel sofort seine zerschlissene, dünne Bekleidung auf.

„Ich hole mir einen Glühwein, soll ich Ihnen einen mitbringen?“, fragte ich.

Er nickte: „Wäre prima, bei der Kälte!“

Nach einer Weile kam ich mit zwei Gläsern Glühwein zurück. Er stand abseits in einer dunklen Nische, war kaum zu sehen.

„Haben Sie keinen warmen Mantel?“

Mit zittrigen Händen umfasste er das heiße Glühweinglas und schüttelte den Kopf.

Er hatte ein Brett über zwei Holzklötze gelegt. Darauf stand ein Pappschild, auf dem mit unbeholfenen Buchstaben geschrieben war: „Sternenstaub zu verkaufen – nur von Tarot Tartüff!“ Auf dem Brett lagen kleine, schwarze Lederbeutel. In der Mitte flackerte eine halb heruntergebrannte Kerze. In ihrem Schein sah ich traurige Augen; so unendlich traurige Augen hatte ich lange nicht gesehen.

„Tarot Tartüff, ist das Ihr Name?“

„Ja. Er bedeutet so viel wie spekulativer Heuchler, und so hat man mir von vornherein einen Stempel aufgedrückt, mich als Betrüger gebrandmarkt. Stellen Sie sich vor, ich habe noch nicht einen Lederbeutel verkauft, weil mir einfach keiner glaubt.“

„Aber Herr Tartüff, das müssen Sie doch verstehen! Woher wollen Sie den Sternenstaub denn haben?“

„Sie irren, mein Herr, Tarot Tartüff war persönlich da oben“, er sah mit einem verklärten Blick zu den Sternen hinauf. „Dort gibt es wunderschöne, engelgleiche Wesen, die für mich den Staub der Sterne gesammelt haben. Gemeinsam füllten wir ihn in diese Lederbeutelchen und brachten ihn zur Erde. Alles können die Menschen sich kaufen, aber diesen goldenen Sternenstaub bekommen sie nur bei mir – und nur heute!“

Er öffnete einen Beutel, nahm einen kleinen, dünnen Metallstab, stieß einen zischenden Laut aus und ließ den Stab durch die Luft kreisen. „Haben Sie die funkelnden Sternstaubkristalle gesehen, mein Herr? Nun können Sie sich etwas wünschen, es wird in Erfüllung gehen!“

In diesem Moment war mir wirklich, als hätte ich einen Sternenschweif gesehen. Ungläubig schaute ich ihn an. „Herr Tartüff, ich glaube, Sie tragen Ihren Namen zu Recht. Was kostet so ein Lederbeutel? Und ist der Zauberstab auch dabei?“

„Acht Euro, einschließlich Stab natürlich!“, antwortete er schnell.

„Dann geben Sie mir drei, ich habe nämlich drei Kinder.“

Ein glückseliges Lächeln huschte über sein Gesicht, als er mir drei Beutel Sternenstaub aushändigte. Inzwischen hatte sich eine Menschentraube gebildet, es war mucksmäuschenstill, alle standen da und staunten. Nachdem ich bezahlt hatte, rissen sie ihm die Lederbeutel aus den Händen. In Windeseile waren alle verkauft.

Seine Kerze war heruntergebrannt, eine neue Kerze hatte er nicht. Tarot Tartüff zitterte vor Kälte, er rieb seine rot gefrorenen Hände.

Ich holte uns noch einen Glühwein, aber als ich zurückkam, war Herr Tartüff verschwunden. Wären da nicht die Lederbeutel in meiner Tasche gewesen, hätte ich geglaubt, ich hätte einen Wachtraum gehabt. Oder sollte es doch noch Weihnachtswunder geben?

Am Heiligabend gab es bei uns nur ein Gesprächsthema – Sternenstaub von Herrn Tarot Tartüff. Den ganzen Abend musste ich für meine drei Kinder Märchen aus den Lederbeutelchen zaubern. Sie hingen an meinen Lippen, konnten nicht genug davon bekommen. So weihnachtlich war es bei uns schon lange nicht mehr gewesen. So hatte ich doch noch etwas gefunden, was mich zu einem kleinen Weihnachtswunder geführt hat. Zwar keinen Stern, nein – Sternenstaub.

Weihnachten

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