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2. Die Beseitigung der wirtschaftlichen Kriegsfolgen: Inflation und Reparationen (1923–1930)

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Das Deutsche Kaiserreich hatte wie die anderen am ersten Weltkrieg beteiligten europäischen Staaten den Krieg durch Anhäufung von Staatsschulden finanziert. Die kaiserliche Regierung hatte sich nach Kriegsausbruch, um Mittel für die Mobilisierung zu erhalten, vom Reichstag Kriegsanleihen bewilligen lassen. Da sich wegen der Dauer des Krieges die Aufbringung der Kriegskosten durch Anleihen bald erschöpfte, vereinfachte die kaiserliche Regierung die Kreditnahme durch Ausgabe staatlicher Schuldverschreibungen, sogenannte Reichsschatzanweisungen. Ab diesem Zeitpunkt der parlamentarischen Kontrolle enthoben, erhöhte sich der Geldumlauf schnell. Da andere Finanzierungsquellen wie z.B. Auslandsgelder dem Deutschen Reich nicht zur Verfügung standen, rechtfertigte man die gewählte Finanzierungsform mit dem Hinweis, dass nach erfolgreich beendetem Krieg diese Schulden durch dem besiegten Gegner auferlegte Reparationen getilgt würden. Die französischen Kriegskontributionen nach dem deutschen Sieg von 1870 waren zwar nicht mehr in Erinnerung aller Zeitgenossen, doch sie galten als jüngstes Beispiel einer erfolgreichen, die eigene Bevölkerung nicht belastenden Kriegsschädenbeseitigung.

Ähnliche Überlegungen wurden auch in den alliierten Staaten angestellt. Zwar spielten, anders als in Deutschland, Auslandsanleihen zur Kriegsfinanzierung, wie solche Frankreichs an Russland aber vor allem der USA an die Kriegsgegner der Mittelmächte, eine zentrale Rolle, doch auch die auf diese Weise entstehende Verschuldung war mit Blick auf die nationale Währung und den Staatshaushalte der betroffenen Staaten risikoreich. Mit dem unpopulären Mittel der Steuererhöhung hatte man sich auf allen Seiten zurückgehalten. Der deutschen Bevölkerung z.B. war nur ca. 15 % der Kriegskosten als Steuer zugemutet worden. In den Friedensverhandlungen von Versailles drängten nun die an die USA verschuldeten Alliierten auf deutsche Reparationszahlungen, durch welche Zinsendienst und Tilgung der alliierten Kriegskredite bedient werden konnten. In Deutschland kam in diesem Falle zu der bereits als Kriegsfolge immens gestiegenen Staatsverschuldung der Schuldendienst in Form der Reparationen. Alle übrigen Wege, die in den kriegsführenden Staaten angehäuften Kriegsschulden abzutragen und damit der von den umlaufenden Geldmengen ausgehenden Inflationsgefahr zu begegnen, wie eine rigorose Deflationspolitik und Steuererhöhungen, waren politisch brisant. Die unruhigen Jahre in Deutschland nach 1918 waren ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für Haushaltssanierung und Steuererhöhungen. Nur für kurze Zeit konnte sich die letzte kaiserliche Regierung bei Unterzeichnung des Diktatfriedens mit Russland in der Hoffnung wiegen, – wie vorgesehen – Kriegsschulden durch Reparationen begleichen zu können. Der Frieden von Brest-Litowsk enthielt neben Bestimmungen über Landabtretungen und Sachleistungen solche über russische Reparationszahlungen. 1919 hatte sich das Blatt gewendet. Nun erwarteten die Alliierten Reparationen vom besiegten Deutschland. Ab diesem Zeitpunkt belastete die Sorge, dass zukünftig ein Teil des in Deutschland erwirtschafteten Sozialproduktes als Reparation an die Siegermächte abfließen und für die notwendige Währungskonsolidierung und anstehenden sozialpolitischen Verteilungskämpfe nicht zur Verfügung stehen würde, unheilvoll die deutsche Innenpolitik.

Der Friedensvertrag von Versailles hatte die Höhe der von Deutschland an die ehemaligen alliierten Kriegsgegner zu zahlenden Reparationen offen gelassen. Lediglich eine „Vorableistung“ von 20 Mrd. Goldmark wurde festgelegt. Erst zu Beginn des Jahres 1921 benannte die in Paris tagende alliierte Reparationskommission erstmalig eine Gesamtsumme: 269 Mrd. Goldmark. Mit der gleichzeitigen Besetzung der entmilitarisierten Zone sowie der Städte Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort erhöhten die Alliierten den Druck auf Deutschland. Die Errichtung einer alliierten Verwaltung des Reiches und sein Zerfall in besetzte Zonen schwebte wie ein Damoklesschwert über der deutschen Politik. Es sollte sich bald zeigen, dass dies kein bloßes Schreckgespenst war. Im Mai wurde ein Zahlungsplan für die Gesamtsumme der Reparationen festgelegt: 132 Mrd. Mark in 37 Jahresraten sowie eine 26 % Abgabe auf den deutschen Export. Von London aus wurde ultimativ die Annahme verlangt. Der deutschen Regierung unter dem Zentrumspolitiker Joseph Wirth blieb keine Wahl. Sie akzeptierte die im „Londoner Ultimatum“ gestellten Forderungen und zahlte im August eine erste Jahresrate in Höhe von 1 Mrd. Mark.

Unter dem unmittelbaren Eindruck der starren Haltung der Gläubiger erhob sich in Deutschland eine Diskussion über die Frage, ob die erforderlichen Annuitäten nicht durch eine Kreditaktion der deutschen Wirtschaft oder durch eine Erfassung und Belastung der Sachwerte, wie sie der SPD vorschwebte, aufgebracht werden könnten. Nachdem dies alles zu keinem konkreten Ergebnis geführt hatte, erklärte die deutsche Regierung, dass sie die für den Januar 1922 fällige Zahlung nicht werde aufbringen können. Im historischen Vergleich entspricht die jährlichen Zahlung von 7 % des deutschen Volksvermögens oder 1,7 % des Bruttosozialprodukts der Jahre 1925–1931 etwa der Summe, welche die spätere Bundesrepublik über Jahre als Entwicklungshilfe bereitstellen wird. Eine moderate Belastung, wie ein Teil der Forschung feststellen sollte. Doch unter den besonderen Umständen der zwanziger Jahre waren dies spektakuläre Forderungen und – wie sich zeigen sollte – für die deutsche Wirtschaft und vor allem die deutsche Währung von verheerenden Folgen. Neben der Höhe und Aufbringung des Betrages warf seine Transferierung nicht geringe währungstechnische Probleme auf. Allen Beteiligten war klar, dass, wenn auf mittlere und längere Sicht diese Summen nicht auch real erwirtschaftet werden konnten, die Reparationskonstruktion als Teil des Vertrages von Versailles keinen Bestand haben werde.

Die beste Garantie für regelmäßige Wiedergutmachungszahlungen waren Zahlungsbilanzüberschüsse als Folge einer aktiven Handelsbilanz. Einem solchen Ziel stand die Abschottung ihrer Märkte durch die Siegermächte entgegen. Der Verlust des oberschlesischen Kohlereviers nach polnischer Besetzung und die Sanktionierung durch eine alliierte Botschafterkonferenz am 20.10.1921 ohne Rücksicht auf das für Deutschland ausgegangene Abstimmungsergebnis bedeutete zudem zusammen mit dem Verlust Elsass-Lothringens und des Saargebiets eine erhebliche Verkleinerung der deutschen Rohstoffbasis und eine Schwächung der deutschen Volkswirtschaft. Doch auch die Empfängerländer von Reparationen steckten in einem Dilemma. Einerseits garantierten nur eine leistungsfähige deutsche Industrie und hohe deutsche Exporterlöse die Reparationszahlungen, andererseits spielte der Wunsch, Deutschland möglichst lange als mitteleuropäische Wirtschaftsmacht und Konkurrenz auszuschalten, im politischen Kalkül der Siegermächte eine erhebliche Rolle. Eine praktische Antwort auf die Frage, wie die deutschen Reparationszahlungen aufgebracht werden sollten, bot die Hereinnahme ausländischer Kredite. Dies setzte – nimmt man die Kreditwürdigkeit der Republik als gegeben an – einen stabilen und leistungsfähigen internationalen Kapitalmarkt voraus. War dies nicht der Fall, konnte von diesem Mittel im Einzelfalle Gebrauch gemacht werden, kontinuierliche Zahlungen aber waren auf diesem Wege nicht zu finanzieren. Dies zeigte sich sehr schnell, als 1922 nach Zahlung der ersten nach dem Ultimatum von London fälligen Rate weitere Auslandsanleihen ausblieben. Den deutschen Wünschen nach einem Zahlungsmoratorium begegneten die Alliierten im August 1922 mit der Forderung nach „produktiven Pfändern“ zur Absicherung ihrer Forderungen. Nach der Weigerung der deutschen Regierung, über eine solche Frage überhaupt nur zu sprechen, nahmen die Alliierten verzögerte deutsche Sachlieferungen zum Anlass, sich im Alleingang diese Sicherheiten zu beschaffen. Zu Beginn des Jahres 1923 besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet und stellten die Kohlengruben unter militärisches Ausnahmerecht. Diesen Schritt beantwortete Berlin am 31. Januar mit der Ausrufung des „passiven Widerstandes“ und Organisation des „nationalen Abwehrkampfes“. Das rheinisch-westfälische Kohlesyndikat verlegte seinen Sitz von Essen nach Hamburg. Industrielle wie Fritz Thyssen wurden von französischen Kriegsgerichten zu hohen Geldstrafen verurteilt. Deutschland stellte seine Kohlelieferungen an Frankreich ein. Reichspräsident Ebert belegte durch die Notverordnung jede Zusammenarbeit von deutschen Staatsbürgern und Besetzern mit Strafe. Der 14. Januar, der Tag des Einmarsches, wurde zum nationalen Trauertag erklärt.

Als die Regierung Stresemann nach neun Monaten den „Ruhrkampf“ beenden musste, wies die Bilanz mit Albert Leo Schlageter, einem wegen Sabotage durch ein französisches Militärgericht zum Tode verurteilten ehemaligen Offizier, einen nationalen Märtyrer und 132 Tote, 11 Todesurteile, 5 lebenslänglich Verurteilte und 150.000 Ausgewiesene auf. Zu diesen Menschenopfern kamen katastrophale materielle Folgen, wie die endgültig ruinierte Währung. Zur Finanzierung des deutschen Widerstands hatten sich die Berliner Regierungen der Notenpresse bedient.

Die deutsche Währung befand sich im Vergleich mit den ausländischen Währungen im ‚freien Fall‘. In der dramatischen Phase einer Hyperinflation verlor die goldgedeckte deutsche Reichsmark, vor 1914 eine der stabilen Weltleitwährungen, im Tagesrhythmus an Wert. Anfang Januar stieg der Umtauschwert des Dollar auf 8800 Mark, bald darauf wurde er in Millionen und Milliarden gerechnet. Die Großindustrie und der Großhandel tätigten ihre Geschäfte nur noch in Devisen. Ziel der einsetzenden Kapitalflucht war Holland. Amsterdam wurde in diesen Monaten zum zentralen deutschen Finanzplatz. Der zur Finanzierung des passiven Widerstandes im April 1923 notwendig werdende Nachtragshaushalt erreichte eine Höhe von 4,5 Billionen Mark. Angesichts des 1922/23 von den bürgerlichen Regierungen unter Wilhelm Cuno und Gustav Stresemann angerichteten währungspolitischen Desasters erklärte sich Frankreich unter der Bedingung eines sofortigen Abbruchs des „Ruhrkampfes“ zur Prüfung der deutschen Zahlungsfähigkeit bereit. Die deutsche Regierung unter Stresemann arbeitete bereits an Plänen zur Schaffung einer neuen Währung. Seit September tagte unter Heranziehung von Sachverständigen der Währungsausschuss des Reichswirtschaftsrates. Auf deren Vorschlag wurde eine Renten-Bank gegründet, die mit umfassenden, auf Grund und Boden bezogenen Schuldverschreibungen ausgestattet wurde. Diese wurden zur Deckung des neuen Zahlungsmittels genutzt.

Die Eröffnung der „Rentenbank“ am 15. November 1923 und die Festlegung eines Wechselkurses (eine Rentenmark = 1 Billion Papiermark) beendete die Schrecken der Hyperinflation. Doch der Preis für eine feste Währung war hoch. Die Hyperinflation hatte den Geld- und Finanzmarkt Deutschland aufs heftigste erschüttert und auf Jahre gelähmt. Deutschland verlor für Jahre die Fähigkeit zur langfristigen Kreditschöpfung und war nun erst recht auf den Zufluss ausländischen Kapitals angewiesen. Der Eigenkapitalanteil der großen Berliner Aktienbanken betrug 1922 0,7 % gegen 23 % der Vorkriegszeit. Durch hohe Zinsen musste Deutschland den Kapitalimport in Gang halten. Um den Preis minimaler Aufwertungssätze hatte sich über Nacht die öffentliche Hand auf Kosten der Besitzer von Rentenwerten durch den Währungsschnitt entschuldet. Sozialgeschichtlich beförderte die Inflation durch Vernichtung vermögensbedingter Selbständigkeit den Übergang zur Gesellschaft massenhafter Gehalts- und Lohnabhängiger. Politisch folgenreich war, dass im öffentlichen Bewusstsein nicht dem alten, sondern dem neuen Staat die Inflation angelastet wurde. Zeitgleich mit dem Währungsschnitt in Deutschland berief die seit den Versailler Friedensverhandlungen tagende Reparationskonferenz einen unter dem Vorsitz des amerikanischen Bankiers Charles G. Dawes stehenden internationalen Sachverständigenausschuss. Seine Aufgabe war, die deutsche Zahlungsfähigkeit zu prüfen und Erleichterungen bei der Transferierung der Zahlungen vorzuschlagen. Ein wichtiges Etappenziel bei der Liquidierung der krassesten Kriegsfolgen schien erreicht. Nach der Stabilisierung der deutschen Währung wurde dies immer dringlicher, weil die Frage der deutschen Wiedergutmachungszahlungen an die Sieger sich zu einer höchst explosiven innenpolitischen Frage entwickelte.

Die seit Januar 1924 in Paris tagenden Reparationssachverständigen legten nach dreimonatiger Arbeit ein Gutachten vor, an dem auf Einladung auch Deutsche mitgearbeitet hatten. Danach sollte Deutschland jährlich 250 bis 290 Millionen Goldmark zugunsten des Kontos des zur Regelung aller Transferfragen und der Prüfung der deutschen Zahlungsfähigkeit bestellten Reparationsagenten überweisen. Der von den Alliierten in dieses Amt berufene amerikanische Bankier Parker Gilbert wurde Mitglied des Beirates der Reichsbank. Unter Aufsicht des Reparationsagenten wurde durch Ausgabe von Industrieobligationen sowie Beleihung der Reichsbahn intern neues Kapital für Reparationen mobilisiert. Der Reparationsagent fungierte als Kontrolleur. Im Rahmen seiner jährlichen Berichte äußerte er sich ungefragt zu Problemen der öffentlichen Haushalte und der Verwendung ausländischer Anleihen.

Der im Sommer 1924 im Reichstag angenommene Dawes-Plan blieb wegen solcher politischer Schwächen innenpolitisch umstritten. Dazu trug neben der Beeinträchtigung der deutschen Währungssouveränität vor allem die Aufrechterhaltung der sogenannten „Kriegsschuldlüge“ bei. Vergeblich hatten die im August 1924 unter Führung des amtierenden Reichskanzlers Wilhelm Marx nach London gereisten Minister Gustav Stresemann und Hans Luther vor Annahme der neuen Reparationsregelung alliierte Zugeständnis wie die Räumung der französisch besetzten deutschen Gebiete gefordert. Unter dem Beifall des gesamten Hauses hatte der Reichskanzler im Reichstag sogar die Zurücknahme des „Kriegsschuldparagraphen“ von Versailles als Bedingung für die Annahme verlangt. Nur so glaubten die Verhandlungsführer das neue Abkommen in Deutschland vertreten zu können. Nach englischer Vermittlung sagte Frankreich schließlich eine schrittweise Räumung der besetzten Gebiete zu. Das Londoner Abschlussprotokoll hält an diesen Zusagen, die Frankreich allerdings nur schleppend erfüllen sollte, fest.

Erst nachdem die Reichsbank eine Auslandsanleihe in Höhe von 967 Mio. RM hatte platzieren können, überwies sie im Namen der deutschen Regierung im September 1924 eine erste Rate von 200 Mio. RM. Die folgenden Jahre sollten zeigen, dass damit das Reparationsproblem durchaus nicht vom Tisch war. Die deutsche Industrie war seit der Dawes-Lösung wegen der ihr auferlegten „Industrieanleihe“ untereinander zerstritten. Das Mitspracherecht des Reparationsagenten bei Haushalts- und Währungsfragen ebenso wie die Anwesenheit französischer Truppen in Köln, Darmstadt und Mannheim erregten zunehmend Unmut und wurden als demütigend empfunden. Doch erst die sich seit 1928 rapide verschlechternde Lage des deutschen Staatshaushaltes sollte die Reparationsfrage erneut auf die Tagesordnung setzen. Denn nur für das Haushaltsjahr 1924 war es dem Reichsfinanzminister gelungen, einen in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichenen Etat in Höhe von 5,81 Mrd. RM vorzulegen. Von diesem Zeitpunkt an stieg das Haushaltsdefizit kontinuierlich an. Ende des Jahres 1928 betrug es bei einer langfristigen Gesamtverschuldung von 12 Mrd. RM bereits 1 336 Mio. RM. Verursacht worden waren diese wachsenden Haushaltslöcher durch Ausgabe kurzfristiger Schatzanweisungen, mit deren Hilfe der laufende Zinsendienst des Reiches, die Zuschüsse für die Arbeitslosenhilfe sowie die Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau bestritten wurden. Das notorische Haushaltsdefizit hatten die Weimarer Regierungen durch öffentliche Anleihen auszugleichen gesucht. So waren die sogenannte Reinhold-Anleihe (500 Mio. RM) von 1927 und die Hilferding-Anleihe (183 Mio. RM) aus dem Jahre 1929 zustande gekommen. Doch mit geringem Erfolg. Beide Anleihen verkauften sich schlecht und die Reichsregierung war gezwungen, einen Teil der Papiere zu übernehmen. Da Deutschland seine im Dawes-Plan vereinbarten Zahlungen weiterhin nur durch Aufnahme ausländischer Kredite leisten konnte, Überschüsse in der deutschen Zahlungsbilanz nicht zu erwirtschaften waren, ruinierten die deutschen Zahlungen an die Sieger in Verbindung mit den Kosten der staatlichen Sozialleistungen die öffentlichen Finanzen systematisch. Als Allheilmittel empfahl der Reparationsagent in seinen jährlichen Berichten eine sparsamere Haushaltsführung, die Zurücknahme staatlicher Wohlfahrtsmaßnahmen sowie eine rigorose Austerity-Politik.

Angesichts des sich rasch vergrößernden Haushaltsdefizits und der nicht zu übersehenden Rolle, die die deutsche Auslandsverschuldung dabei spielte, setzte sich schließlich die Überzeugung durch, dass auch die Dawes-Regelung das Reparationsproblem für Deutschland nicht gelöst hatte und ein neuer Anlauf zur Regelung der leidigen Reparationsfrage notwendig wurde. Doch die Voraussetzungen dafür waren zum Jahreswechsel 1928/29 im Vergleich mit 1924 denkbar schlecht. Nach wie vor weigerten sich die Amerikaner, einen Zusammenhang zwischen den alliierten Schulden und den deutschen Reparationen herzustellen. Die ehemaligen Alliierten beharrten weiterhin auf ihrem Grundsatz, dass sie erst nach Streichung ihrer Kriegsschulden durch die USA auf deutsche Reparationen verzichten könnten. Auch wenn sich zu diesem Zeitpunkt die Amerikaner noch nicht zu diesem Schritt entschließen konnten, fühlten sie sich doch in der Verantwortung. Unter Leitung des amerikanischen Finanzsachverständigen Owen D. Young legte Anfang 1929 ein internationales Sachverständigen-Gremium in Paris ein neues Modell für die deutschen Reparationszahlungen vor. Der am 7. Juni 1929 nach langen Verhandlungen unterzeichnete Young-Plan sah eine Restsumme von 113,9 Mrd. RM vor, verteilt auf 68 Annuitäten. Frankreich sicherte Deutschland nach Annahme des Planes die Räumung des Rheinlandes zum 30.1.1930 zu.

Im Herbst des Jahres 1929 begann der rasch eskalierende innenpolitische Streit um die neue Reparationsregelung. Seine Heftigkeit fand ihre Erklärung in der veränderten innenpolitische Situation. Die DNVP, seit 1928 unter ihrem neuen Vorsitzenden, dem ehemaligen Krupp-Direktor und Besitzer des Zeitungsverlages Scherl, Alfred Hugenberg, war auf einen unerbittlichen Rechtskurs eingeschwenkt. Anders als sein gestürzter Vorgänger Graf Westarp mobilisierte er im „Reichsausschuss für das deutsche Volksbegehren“ die fundamentalistischen nationalistischen Verweigerungskräfte und scheute dabei auch nicht vor einer Zusammenarbeit mit Hitler zurück. Ein zum Volksbegehren von Hugenberg und Hitler vorgelegtes „Freiheitsgesetz“ bedrohte die Unterzeichner des Young-Plans mit strafrechtlichen Konsequenzen. Nachdem die Kampagne die notwendigen 10 % der Wahlberechtigen erreicht hatte, musste sich der Reichstag mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf zur Ablehnung des Planes befassen. In der entscheidenden Abstimmung spaltete sich das konservative Lager und brachte den Antrag zu Fall. Auch der von der außerparlamentarischen Opposition daraufhin angestrengte Volksentscheid blieb erfolglos. Doch der Streit um die neue Reparationsregelung ging quer durch die deutsche Wirtschaft und Politik. Repräsentanten des republikanischen Staates schlossen sich der Kritik der Opposition an. Prominentester Fall wurde der Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Im Oktober veröffentlichte er eine Denkschrift gegen den neuen Reparationsplan und trat eine Woche vor der Annahme des Young-Planes im Reichstag am 12. März 1930 von seinem Amt zurück. Die Young-Kampagne führte zum ersten Mal das in den letzten Jahren der Republik häufiger zu beobachtende Zusammenwirken der extremen Linken mit der extremen Rechten vor Augen. Ein gemeinsam von KPD und NSDAP eingebrachter Misstrauensantrag stürzte die sächsische Landesregierung, die sich offen für die Annahme des Young-Planes erklärt hatte.

Wiederum war die Zahlung der ersten Rate der neu ausgehandelten Reparationsregelung nur durch Aufnahme einer Auslandsanleihe in Höhe von 1473 Mio. RM möglich. Nach wie vor blieb also die Reparationsfrage eng mit der Haushaltsfrage verknüpft. Bei der entscheidenden Beratung machte Heinrich Brüning, Haushaltsexperte der Zentrumspartei, die Zustimmung seiner Partei zum Young-Plan von der gleichzeitigen Sanierung des Reichshaushaltes abhängig.

Noch einmal verschafften die USA der deutschen Politik eine Atempause. Am 20. Juni 1931 schlug der amerikanische Präsident Hoover ein einjähriges Moratorium für alle internationalen Zahlungsverpflichtungen einschließlich der Reparationsverpflichtungen vor. Nach seinem Ablauf wurde nicht nur endlich das Reparationsproblem mit den alliierten Schulden verbunden, sondern auf der vom 16. Juni bis 9. Juli 1932 in Lausanne tagenden Reparationskonferenz auch eine Einigung über das Ende der Reparationen erzielt.

Kein anderes Problem als die von Deutschland geforderten Wiedergutmachungszahlungen hat die deutsche Innenpolitik und das friedliche Zusammenleben der ehemaligen Kriegsgegner in der Zwischenkriegszeit bis 1932 mehr belastet. In den Augen der eigenen Bevölkerung hat die offene Reparationsfrage die Weimar Politik diskreditiert. Neben den politischen Schaden trat der wirtschaftliche. Die ‚auf Pump‘ geleisteten Reparationen haben in Verbindung mit den sozialpolitischen Maßnahmen den öffentlichen Haushalt von Weimar ruiniert. Die endgültige Lösung der Reparationsfrage in Lausanne konnte der Republik nicht mehr helfen. Die Liquidation der Inflation als Kriegsfolge durch den Währungsschnitt 1923 war zwar mit der Entkapitalisierung mittelständischer Schichten mit allen sozialpolitischen und sozialpsychologischen Folgen teuer erkauft worden, war aber eine erfolgreiche politische Kraftanstrengung des neuen Staatswesens. Die Beseitigung des Reparationsproblems als zweite Hinterlassenschaft des Kaiserreiches gelang den demokratischen Regierungen von Weimar nicht mehr.

Die Weimarer Republik

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