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II. Überblick 1. Kriegsende und Friedensschluss, Gründung der Republik und Bürgerkrieg (1918–1923)
ОглавлениеEinen Monat nach der Unterzeichnung des von Deutschland diktierten Friedens von Brest-Litowsk traten im März 1918 die deutschen Truppen im Westen zur großen Offensive „Michael“ an, um den nunmehr vier Jahre dauernden zermürbenden Stellungs- und Grabenkrieg in einen siegreichen Bewegungskrieg zu verwandeln. Doch nach wenigen Monaten erlahmten die Angreifer und nach einigen Erfolgen, die Front der alliierten Armeen aufzuspalten, waren die Kräfte der Deutschen erschöpft. Noch bevor die Alliierten zur Gegenoffensive antreten konnten, forderte die oberste deutsche Heeresleitung die Regierung des Prinzen Max von Baden am 29. September in ultimativer Form auf, den Alliierten und Assoziierten unverzüglich ein Waffenstillstandsangebot zu unterbreiten. Durch Vermittlung der Schweiz bot darauf hin die deutsche Regierung am 3. Oktober 1918 den sofortigen Abschluss eines Waffenstillstandes auf der Grundlage der Vierzehn Punkte des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson an. Wenige Tage später begab sich das deutsche Staatsoberhaupt, Kaiser Wilhelm II., in das deutsche Hauptquartier nach Spa, um sich mit der Armeeführung zu beraten. Zur gleichen Zeit erklärte der letzte Reichskanzler den Rücktritt seiner Regierung und legte die Regierungsgeschäfte in die Hände des Vorsitzenden der stärksten Fraktion im Reichstag und Führers der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Friedrich Ebert. Anstelle der Generale Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg übernahm General Wilhelm Groener den Oberbefehl über die deutschen Land- und Seestreitkräfte. Für Tage schien ein Militärputsch, an dessen Spitze sich der Kaiser selbst setzen würde, wahrscheinlich. Gegen die ausdrückliche Anordnung aus Berlin und ohne Befehl der neuen Militärführung gab am 24. Oktober die deutsche Admiralität der in Kiel liegenden, bis auf die unentschieden ausgegangene Schlacht im Skagerrak bisher am Kriegsgeschehen nicht beteiligten deutschen Kriegsflotte den Befehl zum Auslaufen. Der Meuterei der Admiräle folgte die der Matrosen. Ausgehend von Kiel bildeten sich am gleichen Tag im Reich Arbeiter- und Soldatenräte. Der Großberliner Rat berief am 9. November mit dem „Rat der Volksbeauftragten“ eine revolutionäre Regierung, die sich paritätisch zusammensetzte aus führenden Vertretern der beiden sozialistischen Parteien SPD und USPD, der nach Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD von einer Gruppe von Abstimmungsabweichlern gegründeten Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. Ihre vordringlichste Aufgabe musste sein, eine Regierungsarbeit zu ermöglichen und mit den Alliierten über die Aufhebung der Blockade und einen Frieden zu verhandeln. Voraussetzung für die Bewältigung dieser Aufgabe war, dass die neue Regierung in Berlin das Gesetz des Handelns in die Hand bekam.
Angesichts der eingebildeten oder tatsächlichen Gefahr, dass radikale Kräfte im Begriff waren, sich nach russischem Vorbild an die Spitze einer von der Hauptstadt ausgehenden Räte-Revolution zu setzen, war ein Mitglied der Mehrheitssozialisten vorgeprescht. Am 9. November hatte Philipp Scheidemann vor dem Reichstag die „Deutsche Republik“ ausgerufen. Damit war er Karl Liebknecht zuvorgekommen, der wenige Stunden später vom Balkon des Berliner Schlosses eine „freie sozialistische Republik“ ausrufen sollte. Mit den unterschiedlichen Proklamationen hatte die politische Spaltung der Arbeiterbewegung ein Programm bekommen und war irreversibel. Nach den Vorstellungen der Mehrheitssozialisten mussten in Deutschland die Weichen für eine verfassungsmäßig autorisierte und demokratisch legitimierte Regierungsarbeit gestellt werden. Vom 16. bis 20. Dezember tagte der Erste Rätekongress, die Legislative der im November 1918 entstandenen neuen staatlichen Gewalt. Mit 300 von 500 Delegierten stellten die Mehrheitssozialisten die Mehrheit, damit entsprach die Zusammensetzung den realen Machtverhältnissen im Reich. Nach dem Willen ihrer Führer forderten diese die alsbaldige Ausschreibung von Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung. Der in Konkurrenz zum Rat der Volksbeauftragten auf dem Kongress gebildeten revolutionären Exekutive, dem „Zentralrat der Deutschen sozialistischen Republik“ als oberstem Rätegremium und Kontrollorgan der Regierungsarbeit, sollte keine Zeit für die Gewinnung politischer Macht bleiben. Aus Protest gegen den Beschluss des Rätekongresses, eine Nationalversammlung wählen zu lassen, verließen die drei der USPD angehörenden Mitglieder des Rates der Volksbeauftragten das Gremium. Umgehend wurden sie durch zwei Mehrheitssozialisten ersetzt.
Auch die am 19. Januar 1919 gewählte und wegen der Unruhen in Berlin am 6. Februar in Weimar zusammentretende Nationalversammlung dokumentierte das bestehende Übergewicht der Mehrheitssozialisten. Bei überraschend hoher Wahlbeteiligung (83 %) war es den Mehrheitssozialisten mit einem Anteil von 37,9 % der Mandate offensichtlich gelungen, einen guten Teil der ursprünglichen Stimmen der Unabhängigen auf sich zu vereinen. Die beiden mit der SPD bereits im Vorkriegs-Reichstag zusammenarbeitenden bürgerlichen Parteien, Zentrum und Demokratische Partei, hatten jeweils 20 % und 18,5 % der Mandate errungen. Diesem parlamentarischen Block der „Weimarer Koalition“ mit über 3/4 der Mandate stand in der Nationalversammlung mit der neu gebildeten konservativen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) mit nur 10,3 % der Mandate eine verschwindend kleine antirepublikanisch-konterrevolutionär gesinnte Opposition gegenüber. Aufgrund ihres Wahlerfolges fiel den Mehrheitssozialisten das Amt des Regierungschefs zu. Scheidemann wurde Kanzler der ersten Weimarer Koalitionsregierung. Das Zusammentreten des Zweiten Allgemeinen Rätekongresses im April 1919 musste zwangsläufig nach Konstituierung der Nationalversammlung und Bildung einer Regierung zum Konflikt führen. Die Vertreter der USPD forderten die Weiterführung der „sozialen Revolution“, d.h. eine „sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft“, wobei man mit der Sozialisierung der Schwerindustrie, allen voran des Bergbaus, beginnen sollte. Die Mehrheitssozialisten verwiesen auf die klar ablehnende Beschlusslage im Rat der Volksbeauftragten. Während in diesem Streit die Mehrheitssozialisten durch Ablehnung aller revolutionären Anträge die wahren Machtverhältnisse demonstrierten, die USPD sich durch ihren Rückzug aus dem Rat der Volksbeauftragten und ihren geringen Wahlerfolg (7,6 %) aus dem Zentrum der Macht manövriert hatte, fehlte zur notwendigen Legitimierung der eingetretenen Machtverhältnisse eine Verfassung. Der Auftrag hierfür war bereits ergangen. Am 21. Februar 1919, wenige Tage nach dem ersten Zusammentreten der Nationalversammlung, legte der liberale Staatsrechtler und Leiter des Innenministeriums, Hugo Preuß, den Volksvertretern einen ersten Verfassungsentwurf vor.
Neben ihrer Parlamentsmehrheit und einem ganz im Sinne der parlamentarischen Demokratie formulierten liberalen Verfassungsentwurf fehlte den Mehrheitssozialisten zur Absicherung ihrer Macht nur noch die Kontrolle über das Militär. Über das ‚Bündnis Ebert/Groener‘ ist viel spekuliert worden. Nüchtern betrachtet hatte sich die Zusammenarbeit, wie alle politischen Zweckbündnissen mit Vorbehalten und Skrupeln behaftet, aus der Notwendigkeit einer geordneten Rückführung des aus fast 8 Mio. Soldaten bestehenden deutschen Kriegsheeres ergeben. Das Bündnis sollte zudem den Mehrheitssozialisten für die nach ihrem Bruch mit den Räten zu erwartenden Konflikte mit radikalen Splittergruppen, die zeitweilig bürgerkriegsähnliche Formen annehmen sollten, den Rücken frei halten. Die Kraftprobe ließ nicht lange auf sich warten. Den Auftakt bildete am 17. Dezember 1918 der Konflikt des nun mehrheitssozialistisch besetzten Rates der Volksbeauftragten mit der Volksmarinedivision, einer in den ersten Tagen der Räteregierung zu deren Schutz gebildeten „republikanische Garde“. Diese hatte Ebert Zusagen für eine Militärreform erpresserisch abgetrotzt. Nach Rücksprache mit Groener erklärte Ebert diese Zusagen für nichtig. Reguläres Militär entwaffnete die im Berliner Marstall untergebrachten, vorwiegend aus revolutionären Matrosen bestehende Truppe. In der ersten Woche des Januar 1919 brach im Berliner Zeitungsviertel unter Führung des im Dezember aus der USPD dissentierten kommunistischen „Spartakusbundes“ ein Aufstand aus. Ebert wurde für abgesetzt erklärt. Bereits nach wenigen Tagen hatten Regierungstruppen, reguläre Einheiten und von dem im Rat der Volksbeauftragten für Militärfragen zuständigen Gustav Noske gebildete Freiwilligenverbände, sogenannte Freikorps, die Revolte niedergeschlagen. Prominenteste Opfer werden die Führer des „Spartakusbundes“ Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Am 4. Februar 1919 besetzten Freikorpseinheiten Bremen und machten dem Spuk einer vom örtlichen Arbeiter- und Soldatenrat ausgerufenen „Sozialistischen Republik“ ein Ende. Am 4. März des gleichen Jahres lief in Berlin ein vom Arbeiter- und Soldatenrat ausgerufener Streik aus dem Ruder. Militär musste eingesetzt werden. In den Annalen der Revolution steht dieses Ereignis als „Berliner Blutwoche“. Bereits im Februar 1919 war der bayerische Ministerpräsident und USPD-Politiker Kurt Eisner erschossen worden. Ende des Jahres 1918 war der führende unabhängige Sozialist und ehemalige Volksbeauftragte Hugo Haase einem Attentat zum Opfer gefallen. Die Linken hatten für ihren Machtverlust einen hohen Blutzoll entrichtet.
Der Streit um die Sozialisierung wurde zu einer letzten Kraftprobe der die Revolution tragenden politischen Kräfte. Über diese Frage hatten sich bereits SPD und USPD im Rat der Volksbeauftragten heillos zerstritten. War es den Mehrheitssozialisten in Berlin gelungen, in dieser Sache erfolgreich abzuwiegeln, blieb sie in den Bergbauregionen virulent. Am 13. Januar 1919 konstituiert sich auf einer Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte des Ruhrgebiets in Essen eine Sozialisierungskommission (sog. Neunerkommission). Widerwillig stimmt der Rat der Volksbeauftragten einigen hier gestellten Forderungen, wie der Bildung paritätisch besetzter Arbeitskammern, zu. Unter Einfluss der Ende des Jahres 1918 gegründeten KPD radikalisierte sich das Gremium, so dass einen Monat später der kommandierende General des VII. Armeekorps in Münster, von Watter, sich nicht anders zu helfen wusste, als die Mitglieder des besonders radikalen Arbeiter- und Soldatenrates in Münster zu verhaften. In Essen wurde daraufhin der Generalstreik ausgerufen. An die Bergleute wurden Waffen verteilt. Zeitweilig waren 180.000 zum Teil bewaffnete Bergarbeiter im Ausstand. Zwischen diesen und dem Militär kam es im März zu blutigen Zusammenstößen. Der Streik weitete sich aus und erfasste schließlich 300.000 Bergleute. In Berlin schrillten die Alarmglocken. Die Volksbeauftragten schickten am 7. April 1919 den energischen Gewerkschaftsführer Carl Severing als Staatskommissar in das Ruhrgebiet. Er lässt Sonderrationen an Arbeitswillige verteilen und Streikführer verhaften. Ende März, vier Wochen nach Ausbruch der Unruhe unter den Bergarbeitern, war die Gefahr eines Bürgerkriegs im Ruhrgebiet gebannt.
Statt auf ‚Sozialisierung‘ setzten die Mehrheitssozialisten auf Sozialpolitik und fanden unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse 1918/19 in den Industrieführern kompromissbereite Gesprächspartner. In einer Denkschrift „Übergangswirtschaft“ vom März 1918 hatten diese ihren den Wünschen der Gewerkschaften in Einzelfragen entgegenkommenden sozialpolitischen Kurs abgesteckt. Dies war notwendig, weil die Position der Gewerkschaften relativ starr war, und sie nicht hinter die Zugeständnisse des „Hilfsdienstgesetzes“ aus dem Jahre 1917 (betriebliche Vertretung der Arbeitnehmer) zurück konnten. Die Ende Oktober 1918 eingerichtete Demobilisierungsbehörde war paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besetzt. Wenig später fanden Gewerkschaften und Arbeitgeber mit der „Zentralarbeitsgemeinschaft“ eine temporär wirkungsvolle Form institutionalisierten Interessenausgleiches.
Die am 7. Mai 1919 von den Alliierten der deutschen Delegation überreichten Friedensbedingungen schlugen in Berlin wie eine Bombe ein. Deutschland wurde in der Präambel sowie in weiteren Artikeln des Vertragswerkes (Art. 228–231) die alleinige Schuld am Krieg zugeschrieben. Dem Kaiser, den Spitzen der Generalität und einer Reihe von Politikern drohten Anklage. Ultimativ forderten die Sieger eine Unterzeichnung des Friedensvertrages bis zum 23. Juni. In einer ersten Reaktion erklärte sowohl der deutsche Verhandlungsführer in Paris, Graf Brockdorff, als auch das Berliner Kabinett die alliierten Friedensbedingungen für „unannehmbar“. Diese Haltung bestimmte auch die Taktik der deutschen Seite. Mit ihren Gegenvorschlägen vom 29. Mai versuchte sie, die Nichterfüllbarkeit alliierter Forderungen aufzuzeigen. Nur eine kleine parlamentarische Gruppe unter Führung des Zentrumspolitikers und Finanzministers Matthias Erzberger hielt den eingeschlagenen Weg für falsch und plädierte für die bedingungslosen Annahme. Am 16. Juni verschärfte eine Mantelnote Clemenceaus noch einmal die Situation. Ultimativ wurde Annahme des Vertrages ohne Änderung gefordert. Vier Tage vor Ablauf des Ultimatums trat Scheidemann, entschiedener Gegner des Friedensdiktats, von seinem Amt als Reichskanzler zurück. Sein Nachfolger, der Sozialdemokrat Gustav Bauer, legte der Nationalversammlung den Vertrag zur Abstimmung vor. Im Kabinett waren Erzbergers Bemühungen nicht ohne Erfolg geblieben. Zwischen Befürwortern und Gegnern herrschte ein Patt. Im Parlament hatten die Befürworter bereits eine Mehrheit. Mit 237 gegen 138 Stimmen beugte sich die Nationalversammlung am Tag des Ablaufs des Ultimatums dem Diktat der Sieger. Mit der Annahme der Weimarer Verfassung und des Versailles Diktats hatte die Nationalversammlung ihre Aufgaben erfüllt. Sie löste sich auf.
Am 6. Juni 1920 wurde auf der Grundlage eines uneingeschränkten Verhältniswahlrechts das erste ordentliche Parlament der Republik gewählt. Die USPD beteiligt sich an den Wahlen. Die beiden sozialistischen Parteien erhielten fast 40 % der Mandate. Damit hatten sie das sozialistische Wählerreservoir ausgeschöpft. Das Spektakuläre des Wahlergebnisses zeigte sich auf den Bänken der bürgerlichen Parteien. Neben der deutlich erstarkten konservativen DNVP hatte sich unter Führung von Gustav Stresemann, einem Verfechter des deutschen „Siegfriedens“, die Deutsche Volkspartei (DVP) mit fast 14 % der Mandate als neue bürgerliche Rechtspartei etabliert. Sie verdankte ihren Erfolg dem „Wildern“ in der Klientel der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die zu einer Splitterpartei geschrumpft war.
Der Wahlausgang ermutigte die konterrevolutionären Kräfte in der in Auflösung begriffenen alten Armee und in den weitgehend aus Offizieren gebildeten Freiwilligenverbänden. Seit Herbst 1919 hat Deutschland eine neue Militärverfassung, deren Bewährungsprobe unmittelbar bevorstand. Nach ihr war Oberster Militär zwar der Chef der Heeresleitung, der jedoch einem zivilen, parlamentarisch legitimierten Reichswehrminister als oberstem Befehlshaber unterstand. In Ausführung der Bestimmungen des verabschiedeten Friedensvertrages – wie Verkleinerung der Reichswehr auf 100.000 Mann und der Einrichtung einer bis 50 km östlich des Rheins entmilitarisierten Zone – verfügte der amtierenden Reichswehrminister Noske, gedrängt von seiner Partei, die Auflösung der beiden größten Freiwillenformationen, der Brigade Ehrhardt und Löwenfeld. Die neue Befehlsstruktur bestand ihre erste Probe nicht. Der für den Wehrbezirk Berlin zuständige General von Lüttwitz weigerte sich, den ihm erteilten Auflösungsbefehl auszuführen. Darauf enthob der Minister den General seines Kommandos. Im Morgengrauen des 12. März 1920 rückten gefechtsmäßig ausgerüstete Soldaten der aufzulösenden Freiwilligenbrigaden in die Hauptstadt ein und patrouillierten im Regierungsviertel. Die amtierende Regierung wurde für abgesetzt erklärt. An ihre Stelle trat, wie aus den von den Putschisten verteilten Flugblättern hervorging, eine Regierung Kapp/Lüttwitz. Doch der offensichtlich dilettantisch vorbereitete Putsch scheiterte innerhalb einer Woche. Ein Generalstreik und die Arbeitsverweigerung der Bürokratie brachte das öffentliche Leben zum Erliegen. Die Anführer der Militärrevolte, unter ihnen der aus dem Exil zurückgekehrte ehemalige kaiserliche Generalquartiermeister Ludendorff, flüchteten erneut nach Schweden.
Das Scheitern der Konterrevolution ermutigte die Linken. Zur Abwehr der Kapp-Truppen hatten sich im Ruhrgebiet „bewaffnete Arbeiterwehren“ zu einer „Roten Ruhrarmee“ zusammengeschlossen, die sich nach dem Ende des Kapp/ Lüttwitz-Abenteuers weigerten, ihre Waffen abzugeben. Arbeiter im mitteldeutschen Industriedreieck Merseburg, Halle, Mansfeld folgten ihrem Beispiel. In allen Fällen musste durch Reichsexekution der militärischen Hoheit der Republik Respekt verschafft werden. Das ging nicht ohne Blutvergießen ab. Die nach Niederschlagung der Aufstände eintretende Ruhe war trügerisch. Dieses Mal war die radikale Rechte an der Reihe. Ihr prominentestes Opfer wurde im Juli 1922 der amtierende deutsche Außenminister, der jüdische Industrielle Walther Rathenau. Die gespannte Atmosphäre hielt bis 1923 an. Den Abschluss dieser unruhigen Jahre bildete im Oktober die blutige Reichsexekution gegen Thüringen und Sachsen, wo es zu von SPD und KPD gebildeten Volksfrontregierungen und der Aufstellung von „proletarischen Hundertschaften“ gekommen war. Der „Hamburger Aufstand“ vom 23. Oktober und der nach einer Meuterei der 7. Reichswehrdivision im November 1923 nach dem Vorbild von Mussolinis „Marsch auf Rom“ inszenierte blutige Hitlerputsch in München waren die letzten Bewährungsproben der von Putsch und Bürgerkrieg bedrohten jungen Republik. Wie sah die politische Bilanz am Ende des Jahres 1923 aus?
Die ersten Weimarer Regierungen hatten den „Schmachfrieden“ von Versailles aus Sorge vor einer Besetzung Deutschlands durch die Siegermächte und dem Zerfall des Reiches zähneknirschend unterzeichnet. Damit unterwarfen sie sich den mit dem Frieden verbundenen Reparationsforderungen der Alliierten, welche der jungen Republik eine erhebliche Hypothek aufbürdeten. Unausgesprochen hoffen auf deutscher Seite alle Verantwortlichen auf eine schnelle Revision sowohl der materiellen als auch der psychologischen Folgen, der Reparationen wie der „Kriegsschuldlüge“. Die junge Republik hatte sich gegen ihre Gegner links und rechts sowohl mit Mitteln staatlicher Gewalt als auch Rechtsmacht (Erlass von Sondergesetzen zum „Schutz der Republik“) behauptet. Personalentscheidungen hatten daran einen hohen Anteil. In dem per Beschluss der Nationalversammlung vom 11. Februar 1919 als Staatsoberhaupt installierten Mehrheitssozialisten Friedrich Ebert hatte die Republik einen mutigen und energischen Führer gefunden, der sich nicht scheute, alle in der neuen Verfassung vorgesehenen Mittel wie z.B. das Notverordnungrecht auch gegen die eigene Klientel, beispielsweise gegen die streikenden Eisenbahnarbeiter im Februar 1922, zum Einsatz zu bringen.
Zur Konsolidierung der Verhältnisse trug aber nicht zuletzt das republikanische Staatsrecht bei. Die neue Verfassung des Deutschen Reiches war, nach dem Scheitern einer parlamentarischen Monarchie, wie sie in der ‚Oktoberverfassung‘ von 1918 für Augenblicke möglich erschien, eine solide Grundlage einer zukünftigen politischen Entwicklung. Ein umfänglicher Katalog von Grundrechten suchte alle verfassungsrechtlichen Wege für eine weitere Ausgestaltung offen zu halten. Als Träger der politischen Willensbildung waren die Parteien, wenn auch denkbar knapp, in der Verfassung erwähnt. Ein fortschrittliches, Jugend (Wahlrecht ab 20 Jahre) und Frauen einbeziehendes Verhältniswahlrecht war zur Grundlage des Weimarer Parlamentarismus geworden. Eine wünschenswerte stärkere unitarische Ausrichtung des Preußschen Verfassungsentwurfs war allerdings durch gewiefte, aus der Provinz angereiste Verteidiger des deutschen Föderalismus verhindert worden. Die zentralen Einrichtungen Parlament, Regierung und Staatsoberhaupt waren in einem wohl durchdachten Gleichgewicht austariert. Erstmalig ermöglichten Verfassungsbestimmungen über die Volkswahl des Staatsoberhauptes und die Durchführung von Volksentscheid und Volksbegehren eine direkte Beteiligung des Bürgers am politischen Geschehen (Art. 75). Teile der Sozialverfassung waren durch Verfassungsvorschriften über die Gleichberechtigung der Tarifpartner (Art. 165 Abs. 1) und die Bildung von Betriebsräten (Art. 165 Abs. 2) festgeschrieben. Auf dieser Grundlage konnten die „unaufschiebbaren Veränderungen auch auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet“ vorwärts gebracht werden, „ohne das Reich und sein Wirtschaftsleben zugrunde zu richten“, wie es Friedrich Ebert in optimistischer Einschätzung am 6. Februar 1919 anlässlich der Eröffnung der Nationalversammlung formuliert hatte. Nach der Konsolidierung des politischen Lebens am Ende der „revolutionären Phase“ der jungen Republik drängten nun die wirtschaftlichen Kriegsfolgen nach einer Lösung. Denn die deutsche Wirtschaft, vor dem Krieg stärkste wirtschaftliche Macht auf dem Kontinent, befand sich als Folge des Krieges und der Nachkriegszeit in einem alarmierenden Zustand. Nach einem verlorenen Krieg und einer Revolution drohte der Republik wirtschaftlicher Niedergang und Staatsbankrott.