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Irrtum und Wahrheit

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„Wir haben umgelernt. Wir sind in allen Stücken bescheidener geworden. Wir leiten den Menschen nicht mehr vom ‚Geist’, von der ‚Gottheit’ ab. Wir haben ihn unter die Thiere zurückgestellt“, hat Friedrich Nietzsche die Einsicht in die anthropologischen Konsequenzen der Evolutionstheorie zusammengefasst.

Zuvor hatte Charles Darwin – sich hinter einer vorsichtigen Andeutung versteckend, um nicht noch mehr religiöse Proteststürme zu ernten – am Ende seines epochalen Werks „Über die Entstehung der Arten“ von 1859 geschrieben: „Licht wird auf den Ursprung der Menschheit und ihre Geschichte fallen.“ Und so geschah es auch. Wie kaum eine andere wissenschaftliche Erkenntnis hat die Evolutionstheorie das Verständnis des Lebens einschließlich des Selbstverständnisses der Menschen radikal revolutioniert. Weniger durch den Nachweis einer tiefen Verwandtschaft aller Organismen als durch die kausale, quasi mechanistische Erklärung der Entwicklungsprinzipien: Mutation, Selektion und andere Evolutionsfaktoren, aber keine Zwecke, Ziele oder gar absichtsvolle Schöpfung; es herrscht gleichsam das sich selbst organisierende Spiel von zwingendem Zufall und nackter Notwendigkeit.

Für manche mag das, wie die kopernikanische Revolution in der Astronomie und viele weitere Erkenntnisse, eine nachhaltige „Kränkung“ (Sigmund Freud) bedeuten – eine Desillusionierung eben. Doch das lässt sich auch umgekehrt bewerten und, trotz aller Ambivalenz, als bedeutende Einsicht feiern. Dies wurde von Nietzsche in „Menschliches Allzumenschliches“, seinem „Buch für freie Geister“, mit einer feintief- und hintersinnigen Frage pointiert: „Der Irrthum hat aus Thieren Menschen gemacht; sollte die Wahrheit im Stande sein, aus dem Menschen wieder ein Thier zu machen?“


Ein Exemplar der Erstausgabe von Charles Darwins Epoche machendem Werk über die „Entstehung der Arten“. Es erschien 1859 in London. Das Foto links zeigt den Autor.

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