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Weltoffen und zu früh

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Als Produkt der Evolution ist der Mensch eingeflochten in eine Milliarden Jahre währende Naturgeschichte. Die stammesgeschichtliche Trennung von den Schimpansen erfolgte vor gut fünf Millionen Jahren. Zunächst entwickelten sich der aufrechte Gang und eine feinere Bewegungssteuerung der Hände. Wie es dann zu der Verdreifachung des Gehirnvolumens und Intelligenz-Steigerung kam, ist bislang nur ansatzweise geklärt. Das komplexe Groß- und Kleinhirn mit zusammen rund 100 Milliarden Nervenzellen, die jeweils bis zu 10.000 Verknüpfungen untereinander eingehen, ist jedenfalls kein evolutionärer Luxus. Neben einer effizienteren Nahrungsnutzung (besonders durch das Kochen) waren soziale Faktoren entscheidend – einschließlich eines „geistigen Wettrüstens“ und der sexuellen Selektion.

Biologisch betrachtet, kommen Menschen von ihrem Entwicklungsstand her ein Jahr zu früh auf die Welt. Aufgrund des großen Gehirns und somit Schädelwachstums wäre ein späterer Zeitpunkt bei der gleichen Beckengröße der Frau nicht mehr möglich. Seine „physiologische Frühgeburt“ (Adolf Portmann) macht den Menschen viel länger empfänglich für soziokulturelle Einflüsse – Sprache und Erziehung eingeschlossen. Immanuel Kant glaubte sogar: „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung.“ Die verlängerte Kindheit und Jugend verstärken diesen Effekt noch. Das ist einmalig im Tierreich und erfordert einen großen Aufwand an Zuwendung. Dies schließt die Notwendigkeit väterlicher Unterstützung und somit einer längerfristigen Paarbindung ein.

Aus biologischer oder zoologischer Perspektive ist der Mensch also ein Tier unter vielen. Aber eben nicht „nur“ ein Tier. Denn solche Wertungen haben in der Naturwissenschaft keine Grundlage. Und viele Fragen bleiben – oder stellen sich im richtigen Kontext überhaupt erst. Denn seine „Weltoffenheit“ (Max Scheler) treibt den Menschen weiterhin dazu, über sich hinauszudenken. Auch ohne metaphysische Wunsch- und Blütenträume muss und kann man sich selbst hinterfragen. Dazu gehört: Wie und warum unterscheidet sich der Mensch von anderen Tieren?

Diese Frage ist uralt und auf verschiedene Weisen zu beantworten versucht worden – durch Definitionen, Behauptungen oder erfahrungswissenschaftliche Tatsachen. Besonders drei Arten von prinzipiellen Differenzen wurden dabei diskutiert: soziale, kulturelle und geistige – die allerdings miteinander zusammenhängen und interagieren können (sowie zuweilen metaphysisch überhöht werden).

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