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GERHARD HÜMMELCHEN

Generaloberst Hans Jeschonnek

Jan Hans Wenzel Ernst Jeschonnek wurde am 9. April 1899 in Hohensalza/Westpreußen als Sohn des späteren Studiendirektors Dr. phil. Friedrich Karl Jeschonnek, Hauptmann der Reserve, und dessen Ehefrau Klara Emma Karoline geboren. Von 1905 bis April 1908 besuchte Jeschonnek die Bürgerschule in Bromberg, danach ein Jahr das dortige Gymnasium. Schon früh war sein Berufswunsch, Offizier zu werden1, und so trat er 1909 in die Kadettenanstalt Köslin/Pommern ein. Im April 1913 wechselte er in die Kadettenanstalt Groß-Lichterfelde bei Berlin über. Nach Ausbruch des Krieges meldete er sich am 10. August 1914 als Fähnrich aus der Obersekunda zum Kriegseinsatz. Als er im Herbst 1914 zum Leutnant befördert wurde, war er gerade 15 Jahre alt. Er kämpfte an der Westfront und wurde im Oktober 1915 verwundet. Im November 1916 übertrug ihm sein Regimentskommandeur die Führung einer Maschinengewehr-Kompanie. Sommer 1917 meldete sich Jeschonnek zur Fliegertruppe und wurde zum Flugzeugführer ausgebildet, bis er im Frühjahr 1918 zur Jagdstaffel 40 versetzt wurde. Bis zum Kriegsende errang er zwei Luftsiege und erhielt das Eiserne Kreuz I. Klasse.

Nach dem Krieg flog Jeschonnek bis Anfang 1920 im niederschlesischen Grenzschutz in der Fliegerabteilung 401 in Gleiwitz und der Fliegerstaffel 129. Danach übernahm ihn die Reichswehr als Zugführer ins Reiterregiment 11: Auf Grund der Versailler Friedensvertragsbestimmungen durfte Deutschland keine Luftstreitkräfte unterhalten. 1924–1928 diente er im Heereswaffenamt, ab 1.4.1925 als Oberleutnant. Als planmäßiger Hilfsoffizier der Abteilung T-3 im Truppenamt beim Reichswehrministerium absolvierte Jeschonnek 1928–1931 eine Führergehilfenausbildung, 1930 unterbrochen durch eine Blindflugausbildung bei der Deutschen Verkehrsfliegerschule Braunschweig. Sein fliegerisches Können wurde als „guter Durchschnitt“ beurteilt. Als Hauptmann (ab 1.6.1932) gehörte Jeschonnek ab Februar 1933 zur Inspektion der Waffenschulen (L) und zwei Monate später zum Luftschutzamt. Am 21. August 1933 schied er aus dem Heer aus, um zum Reichsluftfahrtministerium als Führungsstabsoffizier (Adjutant) beim Staatssekretär Milch2 und Verbindungsoffizier zum Reichswehrministerium überzutreten. In dieser Position erhielt er am 1.4.1935 die Beförderung zum Major. Der rasche Aufbau der Luftwaffe förderte auch Jeschonneks Karriere. Am 1.4.1936 erhielt er das Kommando über die Fliegergruppe Greifswald (II./K.G. 152 „Hindenburg“) und den dortigen Fliegerhorst. Wenige Monate später folgte die Lehrgruppe Greifswald. Daraus entstand am 1.10.1936 das Lehrgeschwader 1. Ihr erster Kommodore war Jeschonnek. Wegen dreier Totalverluste im Übungsbetrieb beim zu tiefen Fliegen über See kam es allerdings zur Zerrüttung des bisher guten Verhältnisses zum Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium Milch3.

Als Oberstleutnant (1.4.1937) wurde Jeschonnek am 1.10.1937 zum Chef der Operationsabteilung des Generalstabs der Luftwaffe ernannt. Damit trat er in den Kreis der Offiziere ein, die den Auf- und Ausbau der jungen Luftwaffe unter Göring, ihre Organisation und Ausbildung maßgeblich beeinflußten. Am 1.2.1938 stieg Jeschonnek zum Chef des Führungsstabes des Generalstabs der Luftwaffe auf und wurde am 1.11.1938 Oberst. Am 1.2.1939 ernannte Göring den 39jährigen zum Chef des Generalstabs der Luftwaffe. Die Beförderung zum Generalmajor folgte am 14.8.1939. Das war ein wahrhaft kometenhafter Aufstieg eines Offiziers, der durch seine kritiklose Verbundenheit mit dem NS-Regime ermöglicht wurde. Richard Suchenwirth, Autor der einzigen Biographie Jeschonneks, bemerkt: „Vom Oberst angefangen war seine Beförderung jedenfalls überstürzt und nicht mehr gesund. Sie war und wurde sein Schicksal!“4

Jeschonneks Jugend war in den Augen Görings zunächst keineswegs von Nachteil. Dieser war im Gegenteil „glücklich“, einen so jungen Generalstabschef zu haben. Er war ihm auch deshalb willkommen, weil er zunächst als potentieller Konkurrent bei Hitler ausschied. Auch dieser war von der Jugendfrische Jeschonneks begeistert. Ihm gefiel die ausgesprochen soldatische Erscheinung des jungen Offiziers. Auf Jeschonnek wirkte Hitler „wie ein geheimnisvoller Magnet“. Der Diktator war in seiner spartanischen Lebensführung sein Ideal. Trotz seiner mangelhaften Sachkenntnis in Luftwaffenfragen und seines pompösen schauspielerhaften Auftretens übte aber auch Göring auf seinen Kreis von Untergebenen eine seltsame Anziehungskraft aus, gegen die auch Jeschonnek nicht gefeit war, so sehr ihn Görings Gehabe während des Krieges irritiert haben mag. Ihm muß das selbst aufgefallen sein, denn er sagte einmal: „Ich kann nicht gegen Göring, ich bin Soldat!“5 Und dies war er auch, aber nur dieses6. Schließlich hatte er Göring viel zu verdanken.

Bezeugt sind Jeschonneks militärisches Leistungsvermögen und Können. Generalleutnant Rieckhoff bescheinigt ihm eine rasche Auffassungsgabe und eine gute formale Intelligenz, die ihn schnell das Wesentliche einer Sache erkennen ließ. Seine Energie habe sich ausgewirkt in Fleiß und rascher Entschlußkraft. Rieckhoff bemängelte jedoch, daß es ihm an persönlichen Werten fehlte, um eine Rolle als Erzieher zu spielen. Wohl vermochte er sich als Vorgesetzter durchzusetzen und als Kamerad Achtung zu verschaffen. „Er besaß die Kraft und zeitweilig auch das diplomatische Geschick, um Göring und Hitler für seine Auffassung zu gewinnen, aber er verfügte nicht über die durchsetzerische Kraft, um sich diesen beiden Phantasten und Dilettanten der Kriegführung entgegenzustemmen.“7 Politisch hat sich Jeschonnek nie geäußert, aber er galt als treuer Gefolgsmann Hitlers.8 Dadurch, daß er zusammen mit Göring Hitler eine viel stärkere und schlagkräftigere Luftwaffe vorgaukelte, als diese wirklich war, hat er Hitler in seinen Aggressionsplänen bestärkt und trägt dadurch Mitschuld am Krieg. Verständlicherweise war es für Jeschonnek nicht leicht, sich gegenüber den anderen Führungskräften der Luftwaffe, den meist an Dienst- und Lebensalter überlegenen Generalen durchzusetzen. Nur mit dem späteren Feldmarschall von Richthofen und General der Flieger Otto Hoffmann von Waldau (1898–1943) bestand ein engeres Verhältnis. In der Luftwaffe gab es allerdings verschiedene Ansichten über die Freundschaft Jeschonneks mit von Richthofen. Generaloberst Kurt Student war überzeugt, daß diese nur eine „Vernunftsehe“ sei und keine echte Freundschaft, während von Richthofens Stabschef, Oberst i. G. Torsten Christ, von einer „herzlichen Freundschaft“ sprach. Dies bestätigte auch Jeschonneks langjährige Sekretärin, Frau Lotte Kersten.9

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte ein Freundeskreis um Göring, gegen den der Generalstabschef nicht ankam. Zu diesem Kreis gehörten der Generaloberst Bruno Loerzer, der Staatssekretär Paul Körner und General der Flieger Karl Bodenschatz, Görings Verbindungsmann bei Hitler. Diese drei hatten kaum Verständnis für einen in so jungen Jahren zum Generalstabschef aufgestiegenen Offizier wie Jeschonnek.

Nach dem Polenfeldzug verlieh Hitler Jeschonnek 1939 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes und beförderte ihn bereits nach dem gewonnenen Frankreichfeldzug am 19. Juli 1940 „wegen hervorragender Verdienste in der Leitung der Operationen der Luftwaffe“ unter Überspringung des Generalleutnants zum General der Flieger. Als dann Görings Stern sank und die Luftwaffe an allen Fronten ins Hintertreffen geriet, erging sich Göring oft in ungehemmten Vorwürfen gegen seinen Generalstabschef.10 Für Jeschonneks Amtsführung war von wesentlicher Bedeutung, daß er Hitler für einen großen Staatsmann hielt und ein militärisches Genie, dessen Forderungen an die Luftwaffe zu erfüllen er für seine vornehmste Aufgabe hielt.11

Trotz seines raschen Aufstiegs fehlten Jeschonnek verschiedene für einen hohen militärischen Führer unerläßliche Eigenschaften: Menschenkenntnis, schöpferische Phantasie und Verständnis für Fragen der Technik und der Wirtschaft.12 Die daraus resultierende innere Unsicherheit führte dazu, daß sich Jeschonnek oft betont kurz gab, nicht aus sich herausging und eine ihm eigene Neigung zu sarkastischer Schärfe übertrieb. Eine andere Meinung konnte er diktatorisch ablehnen. Sein Führungsstil war dadurch gekennzeichnet, daß er sich von seinen Mitarbeitern „im allgemeinen wenig beraten ließ“. Aussprachen duldete er kaum. So bestand die Tätigkeit des Luftwaffenführungsstabes oft nur darin, Weisungen Hitlers, die Jeschonnek von den Lagebesprechungen mitbrachte, als Befehle auszufertigen und weiterzuleiten13.

Jeschonneks war nicht besonders religiös. So verfügte er wohl über keine seelischen Reserven, als die Wende des Krieges sein tiefstes Vertrauen in die Führung zerbrach und seine bis dahin kometenhafte Laufbahn gefährdete – am 1.2.1942 war er zum Generaloberst befördert worden. Im Grunde war Jeschonnek, wie von Zeugen ausdrücklich bestätigt wird, ein einsamer Mensch.14 So fand der von Göring und Hitler enttäuschte und auch gesundheitlich angeschlagene Offizier keinen anderen Ausweg, als am 18. August 1943 freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Andere Gründe dürfte es für Jeschonnek nicht gegeben haben. Die Verbrechen des NS-Systems, von denen er sich bis zuletzt nicht distanzierte, waren nicht der Grund für seinen Freitod, vielmehr ließen ihm die fachlichen militärischen Probleme im anstehenden Krieg keinen Ausweg möglich erscheinen. Vergebens hatte er Göring um Ablösung gebeten. Generalleutnant Rieckhoff kam zu kritischer Bewertung der tragischen Persönlichkeit Jeschonneks: „Jeschonneks Fehler waren groß und zahlreich gewesen. Seine Mitschuld am Krieg steht außer Frage. Das Versagen der Heimatluftverteidigung im Sommer 1943 bot den äußeren Anlaß zu dramatischen Auseinandersetzungen zwischen ihm, Göring und Hitler […] Jeschonnek ging in den Tod, als die beiden Männer sich gegen ihn wandten. Jetzt warfen sie ihm seine Nachgiebigkeit, seine Bereitwilligkeit, mit der er alle Forderungen erfüllt hatte, vor. Sein ‘Ja-Sagen’ war seine größte Schuld. Sein freiwilliger Tod war sein erstes und letztes ‘Nein’.“15 Ähnlich wie im Fall des Todes von Generaloberst Ernst Udet wurde offiziell wahrheitswidrig bekanntgegeben, daß Generaloberst Jeschon nek am 19. August 1943 „einem schweren Leiden“ erlegen sei. Auch eine tückische Krankheit „habe seine unerschöpfliche Arbeitskraft bis zur letzten Stunde nicht im geringsten lähmen“ können.

Anmerkungen

1 Auch zwei Brüder Jeschonneks waren aktive Offiziere. Paul kam im Juni 1929 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Gert, 1912 geboren, trat 1930 in die Reichsmarine ein und war als Vizeadmiral von 1967 bis 1971 Inspekteur der Bundesmarine.

2 Suchenwirth, Hans Jeschonnek, S. 9. Milch hatte zu dieser Zeit ein gutes Verhältnis zu Jeschonnek und nannte ihn „Hänschen“.

3 Irving, Die Tragödie der deutschen Luftwaffe, S. 120f.

4 Suchenwirth, Hans Jeschonnek, S. 11.

5 Ebenda, S. 135.

6 Ebenda, S. 21.

7 Rieckhoff, Trumpf oder Bluff, S. 87f.

8 Ebenda, S. 89.

9 Suchenwirth, Hans Jeschonnek, S. 16.

10 Rieckhoff, Trumpf oder Bluff, S. 15.

11 Fischer, Über den Entschluß zur Luftversorgung Stalingrads, S. 36.

12 Aussage von General der Flieger a.D. Rudolf Meister (1897–1958) vom 20.3.1956.

13 Suchenwirth, Hans Jeschonnek, S. 25.

14 Fischer, Über den Entschluß zur Luftversorgung Stalingrads, S. 36.

15 Rieckhoff, Trumpf oder Bluff, S. 273.

Bibliographische Hinweise

(Vgl. auch die weiteren Literaturangaben in der Gesamtbibliographie ab S. 599ff.)

Ungedruckte Quellen

BA-MA Freiburg Pers. 6/41: Personalakte Jeschonnek.

Gedruckte Quellen und Literatur

Boog, Horst: Die deutsche Luftwaffenführung 1935–1945. Stuttgart 1982.

Fischer, Johannes: Über den Entschluß zur Luftversorgung Stalingrads. Ein Beitrag zur militärischen Führung im Dritten Reich. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen 2/1969, S. 7–67.

Irving, David: Die Tragödie der Deutschen Luftwaffe. Aus den Akten und Erinnerungen von Feldmarschall Milch. Frankfurt a. M. 1970.

Rieckhoff, Herbert J.: Trumpf oder Bluff? 12 Jahre deutsche Luftwaffe. Genf 1945.

Suchenwirth, Richard: Hans Jeschonnek. Ein Versuch über Wesen, Wirken und Schicksal des vierten Generalstabschefs der deutschen Luftwaffe. Studiengruppe „Geschichte des Luftkrieges“. Karlsruhe 1957 (unveröffentlichte Studie).

Völker, Karl-Heinz: Die deutsche Luftwaffe 1933–1939. Aufbau, Führung und Rüstung der Luftwaffe sowie die Entwicklung der deutschen Luftkriegstheorie. Stuttgart 1967.

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