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2.3 Der Mensch als Konsument

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Medial verwandelt und geprägt wird nicht nur die Welt, sondern auch der Mensch als Subjekt und Individuum. Anders diagnostiziert zunächst phänomenologisch die mediale Nivellierung der Kategorien Individuum und Masse sowie Privatheit und Öffentlichkeit. Den neuen Subjekttypus bezeichnet er als „Masseneremiten“, der solistisch und scheinbar individualistisch Massenware konsumiert. „Masse“ wird damit zu einer Qualität des Individuums, während sie als sichtbare Quantität verschwindet (Anders 1956: 101ff.; Anders 1980: 449).

Der zentrale Befund im Hinblick auf die mediale conditio humana besteht in der Zerstörung des Menschen als kohärentes „Individuum“, seiner Verwandlung in ein „Divisum“. Diese „Zerstreuung“ des Menschen, den Verlust seiner Integrität, beschreibt Anders als räumliches und funktionales Simultaneitätsphänomen: Das Subjekt ist an verschiedenen „Weltstellen“ zugleich, „ubique simul, immer auch anderswo“, niemals auf einen Ort oder eine Sache fokussiert; Anders (1980: 83) bezeichnet dies auch als „Schizotopie“ Darüber hinaus zerfällt das Subjekt, multimedial beliefert, in verschiedene simultane „Teilfunktionen“, die ob ihrer Inkompatibilität nicht mehr einer einheitlichen, integren Instanz zugerechnet oder von einer solchen koordiniert werden können, mithin eine „künstliche Schizophrenie“ erzeugen (Anders 1956: 135ff.).

Anders begründet das Zerstreuungsphänomen mit einem (falschen) Bedürfnis nach Zerstreuung, das auf der Selbstentfremdung des Menschen als Individuum und als Gattungswesen (im Sinn eines freien, selbstbestimmten, bewusst tätigen Wesens) in einer durch Industrialisierung und moderne Arbeitsorganisation geprägten Gesellschaft beruhe (vgl. Oppolzer 1997: 465f.). Moderne Technik potenziert die (teil-)funktionale Prägung der Subjekte und verwandelt sie in Teilfunktionsträger (Anders spricht von „schizophrener Arbeitskrankheit“). Die mediale Belieferung erfüllt eine dazu komplementäre Stabilisierungsfunktion: Sie soll die Reproduktion der Arbeitskraft bei gleichzeitiger Perpetuierung der Schizophrenien gewährleisten, indem das entfremdete Tun vom Subjekt als Akt des Genusses erlebt wird (Anders 1956: 141).

Die subjektiven Konsumbedürfnisse sind nach Anders darüber hinaus moralisch und pragmatisch bedingt. Die latente moralische Maxime einer durch Massenproduktion und -konsum geprägten Gesellschaft laute: „die Angebote sind die Gebote von heute.“ (Anders 1956: 172) Da jede Ware (funktionaler) Teil einer „Warenfamilie“ oder eines „Warenuniversums“ ist, entsteht außerdem das Folgebedürfnis nach weiteren Waren. Unsere Bedürfnisse sind also ein Produkt der Produkte, „die Abdrücke oder die Reproduktionen der Bedürfnisse der Waren selbst“ (Anders 1956: 178).

Aus dem skizzierten Befund über die Prägung des Menschen zieht Anders zwei Konsequenzen, die auf die These vom Verschwinden des Subjekts hinauslaufen: „Geprägt werden immer nur Geprägte“, „Das Dasein in dieser Welt ist unfrei“ (Anders 1956: 193). In einer technisch und medial zugerichteten Welt ist das Dasein a priori ein (vor-)geprägtes, das die Fähigkeit verloren hat, als „weltoffenes“ Subjekt einer unabsehbaren und widerständigen Welt zu begegnen. Welt (als Ware) und Subjekt (als Konsument) sind einander kongruent gemacht.

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