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1.3 Das Problem des religiösen Fundamentalismus

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Das Entstehen des neuen Atheismus ist eine Reaktion auf das Erstarken des religiösen Fundamentalismus im öffentlichen Raum, wobei dem islamistisch motivierten Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 eine entscheidende Bedeutung zukommt. Daher richtet sich die Kritik der neuen Atheisten gegen jeglichen religiösen Fundamentalismus, der sich in Politik und Gesellschaft breitmacht. Und so erkennt mit gutem Grund SCHMIDT-SALOMON „eines der bedrückendsten Probleme der Gegenwart“ darin, „dass sich religiöse Fundamentalisten jeder Couleur in aller Selbstverständlichkeit der Früchte der Aufklärung (Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Wissenschaft, Technologie) bedienen, um auf diese Weise zu verhindern, dass die Prinzipien der Aufklärung auf den Geltungsbereich ihrer eigenen Weltanschauung angewandt werden.“17 Vom Standpunkt eines undogmatischen Christentums wird man solcher Kritik zustimmen können.

Und auch darin wird man Schmidt-Salomon beipflichten, dass es eine Schicksalsfrage der Menschheit darstellt, ob es künftig gelingen wird, den Einfluss des religiösen Fundamentalismus einzudämmen.18 M.E. wird dies jedoch nur dann möglich sein, wenn der Nährboden, auf dem religiöser Fundamentalismus entstehen kann, ausgetrocknet wird. Und das ist wiederum abhängig von Politik, Wirtschaft und Bildung.

Es erscheint mir aber durchaus fraglich zu sein, ob sich Schmidt-Salomon und seine Gesinnungsgenossen dieser Herausforderung wirklich stellen wollen. Denn dann müsste man doch darauf bedacht sein, mit den liberalen Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Religionen zusammenzuarbeiten und gemeinsam für die humanen Werte der Aufklärung einzutreten. Nicht zielführend ist es dann, das europäische Christentum als eine „harmlose Pseudoreligion mit folkloristischem Charakter“ zu titulieren oder vom „seichten ‚religiösen Musikantenstadl‘ in Europa“ zu sprechen.19

Und so überrascht es nicht, wenn Schmidt-Salomon die Welt „inmitten eines sehr realen, globalen Kulturkampfes“ stehen sieht. Indem er der sogenannten „Religion light“, d.h. den liberalen Religionsrichtungen, ihre „Vermittlungsfunktion zwischen Aufklärung und Fundamentalismus“ abspricht, scheint nur eine gewaltsame Lösung dieses Kulturkampfes in Betracht zu kommen. Eine fatale Lösung! Wie viel aufgeklärter und humaner ist doch HANS KÜNGs Eintreten für eine „Koalition der Glaubenden und der Nichtglaubenden“20. Die drei Basissätze seines Projekts „Weltethos“ sind nach wie vor gültig: „kein menschliches Zusammenleben ohne ein Weltethos der Nationen; kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen; kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog unter den Religionen.“21 Und hier sind es doch gerade die liberal Denkenden und Glaubenden, die solche Dialoge befördern können.

SCHMIDT-SALOMONs Behauptung halte ich für sehr gewagt:

„Die Menschen neigen offenkundig immer mehr dazu, entweder auf konsequentere Weise zu glauben oder aber sich aufgrund rationaler Argumente konsequenter gegen den Glauben zu entscheiden.“22

Erstens ist die verwendete Terminologie nicht geklärt. Zweitens ist es problematisch, den Glaubensbegriff auf alle Religionen anzuwenden.

Drittens fehlt jeder Nachweis. Aus seiner Behauptung zieht Schmidt-Salomon dann den Schluss, man solle aufhören, „allzu große Hoffnungen auf das europäische Projekt einer ‚aufgeklärten Religion‘ zu setzen23. Da, realistisch betrachtet, nicht zu erwarten ist, dass die Menschen weltweit innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte sich von ihrer jeweiligen Religion verabschieden und sich einem evolutionären Humanismus verschreiben werden, führt kein Weg an dem Projekt einer aufgeklärten Religion vorbei – nicht nur in Europa, sondern auch in den übrigen Erdteilen, wenn wir als Ziel eine friedliche, gerechte und humane Kultur anstreben.

Der neue Atheismus

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