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6.2 Führung im Gesundheitsbereich

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Von der Hausarztpraxis über die Spitex sowie die Alters- und Pflegeheime bis hin zu einem Universitätsspital: Organisationen der Gesundheitsversorgung umfassen eine grosse Bandbreite. Im Folgenden wird auf Merkmale der Führung in einem Spital (stationärer Bereich) fokussiert.

Mit der rasanten Zunahme an Spezialisierung und Technologisierung im Gesundheitswesen hat sich das diagnostische und therapeutische Spektrum kontinuierlich erweitert. Zusammen mit der Ökonomisierung und einem neuen Rollenverständnis der Patient*innen, aber auch mit den veränderten Ansprüchen der Politik und der Medien hat die Komplexität der Gesundheitsversorgung zugenommen (Schmitz, Egger, & Berchtold, 2017).

Es haben sich innerhalb der medizinischen Arbeitskontexte (Ärzt*innenschaft, Pflege und Betriebswirtschaft) in den letzten Jahren zusehends neue Führungsprofile entwickelt. Hier könnte zwischen Fach- und Systemführung oder zwischen Interaktions- und Systemkontext (Rügg-Sturm, 2008) differenziert werden. Die Spezialisierung betrifft jedoch dabei nicht nur diese Bereiche, sondern auch eine eminente Zunahme von professionsinternen fachlichen Teildisziplinen.

Der Interaktionskontext bezieht sich dabei nach Rüegg-Sturm (2008) auf die unmittelbare Beziehung zu Patient*innen, der Systemkontext auf organisationale Prozesse und Strukturen.

Die Systemführung im medizinischen und pflegerischen Kontext kann nicht ohne Risiken an erfahrene Führungskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung delegiert werden. Eine gewisse «Feldkompetenz» oder Anschlussfähigkeit an den medizinischen Kontext ist dabei unerlässlich – wenn man nicht Spannungen zwischen Fach- und Führungspersonal erhöhen will (ebd.).

Es lassen sich auch – gerade in Krankenhäusern – Entwicklungen von funktionaler zu divisionaler Organisationsstruktur feststellen (Schrappe, 2009). Sparten- respektive Abteilungsinteressen verstärken Subkulturen und Spannungen, der Integrationsaufwand ist riesig. Zudem orientieren sich Mediziner*innen wie oben beschrieben an Fachlichkeit und an Patient*innen-Kontakten, Geschäftsführungen isolieren sich auf der Systemebene. Mit den Spitalmanager*innen und den Chefärzt*innen treffen somit zwei Berufsgruppen aufeinander, die in ihrem Selbstverständnis und in ihrer Kultur sehr verschieden sind.

Interessant sind neuere patientenorientierte Führungsmodelle im Rahmen des Konzeptes «clinical governance» (vgl. Schrappe, 2009). Diese enthalten Evidenz- und Leitlinienorientierung, konsequente kontinuierliche Verbesserung und eine Betonung der Sicherheitskultur; es handelt sich dabei eigentlich um einen systematischen Ansatz zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Patient*innenversorgung. Die gegenwärtige Problematik besteht darin, dieses Konzept zu einer «clinical corporate governance» (unternehmensorientierte Führung) auszubauen.

Zu konstatieren ist, dass die heutige Realität in Spitälern «von der Ungleichzeitigkeit der Führungsverständnisse gekennzeichnet» ist (Schmitz et al., 2017, S. 1100). War klassische Medizin (auf ärztliche Führung bezogen) von einer «Kultur des heroic leadership gekennzeichnet» (ebd., S. 1099), das heisst Führung durch macht- und statusbewusste Chefärzt*innen, verlangt die heutige Zeit mehr und mehr ein «Sich-Einbringen in […] netzwerkartige Strukturen und Prozesse, die von Kollaboration und wechselseitigen Abhängigkeiten geprägt sind» (ebd.).

So werden aktuell viele Anstrengungen unternommen, um die Zusammenarbeit der beiden grössten Berufsgruppen im Spital, der Medizin und der Pflege, zu fördern. Dies wird mit der übergreifenden Bezeichnung «Interprofessionalität» thematisiert. Haddara und Lingard (2013, zit. nach Atzeni, Schmitz, & Berchtold 2017) beschreiben mithilfe einer Diskursanalyse zwei verschiedene Bedeutungen von Interprofessionalität. Zum einen konstruiert der «emanzipatorische Diskurs» die Interprofessionelle Zusammenarbeit «als ein Korrektiv zur Dominanz der Ärzt[*innen] über die Pflege» (ebd., S. 18). Dies spiegelt sich auch in (alten) hierarchischen Führungsstrukturen wider. Fraglich ist, in welchem Verhältnis sich dabei die akademische Medizin zu der sich weiterhin akademisierenden Pflege sieht und umgekehrt. Auf der anderen Seite konstruiert der «utilitaristische Diskurs […] den Prozess der Zusammenarbeit im klinischen Setting als ein Mittel zur Gewinnung besserer Outcomes in der Gesundheitsversorgung» (ebd.). Letzteres charakterisiert die heute intendierte Ausrichtung von Interprofessionalität. Publikationen zur Führung im Gesundheitswesen befassen sich auch separat mit Führungsphänomenen der einen oder der andere Berufsgruppe (z.B. von Arx, Endrissat & Jacobs, 2019 [medizinisches Personal], Shaw, 2007 [Nursing Leadership]). So beschäftigt sich die Organisation «Swiss Nurse Leaders» mit der Sichtweise der Profession Pflege. Sie empfiehlt in ihrem 2019 entwickelten Leadership-Modell gleichzeitig, eine «gemeinsame interprofessionelle Führung auf allen Hierarchiestufen» zu fördern (Swiss Nurse Leaders, 2019). Als gelungenes Beispiel soll abschliessend das Spital Schwyz genannt werden, dessen Konzept der Führungsentwicklung im Papier «Führen im Spital Schwyz» festgehalten ist. Das Führungsverständnis gilt in diesem Schweizer Spital gleichermassen für «Medizin/Ärzte, Pflege und Ökonomie», wobei konkrete Bedürfnisse berücksichtigt werden (Spital Schwyz, o.J.).

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