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Einleitung 1. Führen von Expert*innen – eine komplexe Aufgabe

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Führungsaufgaben in Expert*innenorganisationen gelten allgemein als anspruchsvolle Tätigkeit. Mintzberg (1979) bezeichnet die Bedingungen und Funktionsweisen von Expert*innenorganisationen in ihrer schöpferischen Aufgabe als «Profi-Bürokratie». In Abgrenzung zur «Maschinen-Bürokratie» ist die Profi-Bürokratie gekennzeichnet durch die grosse Anzahl an Mitarbeitenden, die fachlich hoch qualifiziert sind und eine erhebliche Kontrolle über die eigene Arbeit haben.

In der neueren Literatur ist häufig auch von einer «Wissensintensität» oder «Wissensidentität» solcher Organisationen die Rede (Kels & Kaudela-Baum, 2019b, S. 17f.). Damit ist die reiche Erfahrung und eine ausgeprägte Problemlösekompetenz der Mitarbeitenden gemeint. In der Summe werden dabei jedoch häufig ambivalente und teilweise paradoxe organisationale Bedingungen für Expert*innenorganisationen sichtbar (Thomann, 2016, S. 49; Kels & Kaudela-Baum, 2019c, S. 36):

 Expert*innenorganisationen zeichnen sich durch Mitarbeitende aus, die hoch qualifizierte Spezialist*innen sind und in ihrem Fachbereich möglichst autonom arbeiten wollen und können. Sie verfügen folglich über eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit und ein nicht zu unterschätzendes Beharrungsvermögen. Nur mit überzeugenden Argumenten lassen sie sich in eine bestimmte Richtung bewegen. Widerstand gegen Entscheidungen von aussen ist häufig, flache Hierarchien und Konzepte des Intrapreneurships führen zu Konkurrenz, zu Machtkämpfen und zu Deregulierung – und dadurch wieder zu übergeordnetem Regulierungsbedarf.

 Expert*innenorganisationen kennzeichnet, dass die Expert*innen sich eher ihrer jeweiligen Berufsgruppe gegenüber verpflichtet sehen als der organisatorischen Einheit oder der Gesamtorganisation, zu der sie gehören. Karriere und Laufbahnen werden mehrheitlich in der Logik der Profession und damit weniger abhängig von der Organisation definiert. Dies schafft eine Ambivalenz zwischen inhaltlicher Profilierung in der Fachcommunity und dem organisationalen Commitment. Eine Paradoxie besteht darin, dass gerade die Reputation der einzelnen Expert*innen zentral ist für die Reputation der Gesamtorganisation (Laske, Meister-Scheytt, & Riehl, 2006, S. 207).

 Inhaltliche Fachexpertise verfügt zudem traditionsgemäss über einen höheren Status als Führungs- oder Managementexpertise; sie repräsentiert sozusagen das «Kapital der Organisation». Führungsentscheidungen treffen deshalb auf Ambivalenz oder Skepsis bei Expert*innen; es ist zudem eine grundsätzliche Hierarchieaversion zu konstatieren.

 Partizipation an Entscheidungen gehört zur organisationalen Kultur in Expert*innenorganisationen – gleichzeitig ist nicht selten latent eine subtile fachliche Konkurrenz allgegenwärtig.

 In Expert*innenorganisationen stehen inhaltlich orientierte Aufgaben in einem Spannungsverhältnis zu Verwaltung und Management. Beide Kulturen benötigen unterschiedliche (Führungs-)Konzepte. Eine solche Spannung ist nicht einfach auflösbar, kann aber durchaus produktiv genutzt werden.

 Zudem lassen die Anforderungen an eine zunehmende Spezialisierung aufseiten der Expert*innen oft Organisationsstrukturen entstehen, die nach fachlichen Profilen aufgebaut sind. Dies führt wiederum zu einem wachsenden Integrationsbedarf auf der Ebene der Gesamtorganisation. Die notwendige Verknüpfung von hoch autonomen Einheiten ist anspruchsvoll.

 Einerseits sollen sich gerade staatliche Expert*innenorganisationen zunehmend kostenbewusst oder sogar unternehmerisch verhalten. Andererseits kann das Spannungsfeld zwischen den Steuerungsebenen (staatliche Geldgeber, strategische Führung und operative Führung) eine Paradoxie erzeugen: Die Forderung nach unternehmerischem Handeln wird andauernd durch bürokratische Vorgaben unterlaufen.

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