Читать книгу Haller 18 - Weihnachten - Группа авторов - Страница 4

Maiken Brathe: Den Weihnachtsmann gibt es doch gar nicht!

Оглавление

Wäre Luzifer bei Instagram angemeldet gewesen, er hätte an diesem Tag jede Menge neue virtuelle Abonnenten gewonnen. Böse Zungen würden behaupten, der Teufel habe bereits Freunde genug, aber wer das Christkind vor dem Tod bewahrt, der hat auch ein bisschen mediale Aufmerksamkeit verdient.

Dabei weiß heutzutage kaum noch ein Mensch, wer das Christkind überhaupt war, nachdem es erwachsen wurde. Niemand sprach mehr von der frühkindlichen Vergangenheit des Mannes aus Nazareth, dem Sohn des Zimmermanns oder (das hat sich bis heute durchgesetzt), von Jesus Christus.

Die Ewigkeit kann eine verdammt lange Angelegenheit sein und so beschloss eines Tages das Christkind, alias Jesus, seinen alten Wirkungsort, die Erde, zu besuchen. Er wollte sehen, wofür er seinerzeit gestorben war. Ambivalente Gefühle quälten ihn, schließlich waren seine Erlebnisse mit den Menschen durch Hochs und Tiefs geprägt, auch wenn sein letztes Tief hoch am Kreuz endete.

Anstatt Gott um Rat zu fragen, tat Jesus das, was fast alle Söhne tun, die nicht immer mit dem für sie väterlich vorgedachten Lebensweg einverstanden sind: Er ging einfach fort, ohne zu wissen, wo er die Welt erneut betreten würde. Vielleicht lag es an den unzähligen Lichtern der Weihnachtsdekoration, die wie eine Landebahn Signale in den Himmel strahlten, oder es war eine Nebenwirkung des Elektrosmogs, aber vielleicht war es auch einfach Gottes Fügung, dass Jesus an einem kalten Dezembertag, als noch niemand das Wort Lockdown kannte, mitten in einem großstädtischen Einkaufszentrum auf der Erde landete und noch dazu zur allerbesten Stoßzeit der Einkaufswütigen.

Die Menschen eilten an ihm vorbei, die Arme und Hände voller Taschen und Tüten. Die Luft war stickig heiß und Jesus froh, sein Leinenhemd zu tragen, das ihm um die blanken Knöchel eine kühlende Brise bescherte. Er betrachtete die Ware in den dekorierten Verkaufsregalen, die meist frohlockende Sonderkonditionen zu engelsgleichen Preisen versprach, und Jesus fragte sich, ob ein preisender Engel sich gerne mit einer Espressomaschine vergleichen ließe, die doch eher röchelte als frohlockte.

Die Rolltreppe brachte den Sohn Gottes in eine andere Abteilung, und er musste aufpassen, dass er mit seinen Sandalenriemchen nicht an den Metallschienen der Stufen hängen blieb. Oben angekommen zog jemand an seinem Leinenkleid. Ein kleiner Junge ließ seine Hand sinken und sah von unten zu ihm auf.

»Bist du ein Terrorist?«, fragte er und steckte seine Finger in den Mund. Die Haut unter seiner Nase glänzte von dem herunterlaufenden Rotz.

»Was meinst du mit ›Terrorist‹?«, wollte Jesus wissen, beugte sich zu dem Kind hinunter und legte eine Hand auf sein Haar.

»Du sollst nicht mit Fremden reden!«, schimpfte eine Frau, die herbeilief, während Einkaufstaschen an ihre Hüften stießen und die Trageriemen in ihren Ellenbogen scheuerten. Sie schnappte sich den Jungen und zerrte ihn in Richtung einer Reihe wartender Frauen mit Kindern, die sich wie eine Schlange zwischen den Regalen der Spielzeugabteilung wandte. Jesus sah noch, wie die erzürnte Mutter sich nach ihm umschaute, während sie ein Taschentuch aus der Manteltasche zog, erst die Nase des Kindes und dann seine Hand abwischte und ihm dabei versehentlich die Taschen an die Seite klatschte. Jesus folgte den beiden langsam, wurde überholt von lachenden Kindern, die ihre atemlosen Mütter hinter sich herzogen und von atemlosen Müttern, die ihre weinenden Kinder hinter sich herzogen. Alle wurden Teil der Schlange, deren Ende Jesus erreichte und von der er sich ebenfalls einverleiben ließ. Die Schlange wuchs stetig. Getuschel hörte er vor und hinter sich, und während die Mädchen und Jungen ihn neugierig betrachteten, schauten die Mütter bewusst in die Ferne, oder unbewusst auf ihre Mobiltelefone. Durch Jesus sah die Menschenschlange nun eher wie ein geteilter Regenwurm aus, denn die nachfolgende Frau mit ihrer Tochter bemühte sich um einen Meter Abstand zu dem Mann im Nachthemd.

»Oh, du Fröhliche«, beschallten die Lautsprecher des Kaufhauses das Treiben und endlich sah Gottessohn, warum sie alle gemeinsam hier anstanden. Inmitten der Abteilung befand sich ein goldener Sessel auf einem Podest. Dort thronte ein großer Mann mit langem weißem Bart, dessen rot-weiße Kleidung den Körper darunter vermutlich in Schweiß baden ließ. Neben ihm stand eine Pyramide aus eingepackten Geschenken, fast so groß wie der Sitzende. Hinter dem Stuhl wippte auf den Zehenspitzen eine junge Frau, schön anzusehen, wie Jesus fand, mit blondem welligem Haar und zwei gebastelten Flügeln am Rücken klebend. Die Frau lächelte unentwegt und trug wie Jesus ein weißes Leinenkleid, allerdings ließ ihres an Dekolleté und Beinen wesentlich mehr frische Brise zu als bei Jesus.

Die Mutter, die vor dem Gottessohn stand, schob ihr Kind die Stufen zum Thron hinauf. Der kleine Junge knetete an gestreckten Armen den Saum seines Mantels und ließ den Stoff auch nicht los, als der bärtige Mann ihn unter die Achseln griff und auf seinem Schoß platzierte. Jesus bemerkte, dass der Kleine weinen wollte und den Blick seiner Mutter suchte. Jesus trat vor und suchte ebenfalls den Augenkontakt zu ihr. Die Mutter fuchtelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum und begann die Mundwinkel nach oben zu ziehen und ihre Zähne zu zeigen, als wäre ihr ausgestreckter Zeigefinger ein Stift, der ihr ein Lächeln auf das Antlitz malen könnte. Der Junge versuchte, die Befehle zu befolgen. Seine Wangen zuckten, und Jesus bemühte sich gleich mit, sah abwechselnd zu Mutter und Kind und probte mit einem verzogenen Gesicht ein Lächeln, während er wetteiferte, die Anweisungen der Mutter schneller umzusetzen als ihr Kind. Die Frau ließ abrupt ihre Hand sinken, zog die Augenbrauen zusammen und die Stirn kraus, als sie in dem Mann im Nachthemd einen strebsamen Schüler erkannte.

Beim Jungen erschien irgendwann auf seinem Gesicht etwas, das wie eine Mischung aus Zähnezusammenbeißen und Weinkrampfverhindern aussah. Dem hünenhaften Mann auf dem goldenen Sessel schien das zu genügen.

»Na, mein Kind, sagte er, »warst du auch immer brav?« Der Kleine nickte. »Hast du dir auch etwas beim Christkind gewünscht?« Er nickte erneut.

»Einen Action-Hero-Blackmaster.« Die Frau mit den Flügeln hinter dem Mann auf dem Thron lächelte noch mehr, als wolle sie einem Zahnarzt beweisen, sie habe keine Paradentose und zeigte der Mutter die Richtung zu den Action-Heroes-Verkaufsregalen.

»Und auch etwas, was man nicht kaufen kann?«, fragte der Bärtige erneut und der Junge schien erschrocken, als habe man ihm gerade in die Seele geblickt. »Flüstere es mir einfach ins Ohr«, ermutigte der Mann den Kleinen, und das Kind beugte sich vor das geneigte Haupt des Erwachsenen und flüsterte und flüsterte. Jesus konnte erkennen, dass der Engelsfrau die Wangenmuskeln vom Lächeln wehtaten. Die Mutter beugte den Kopf vor, das Ohr dem Podest zugewandt und auch Jesus tat es unbewusst, verstand aber nichts außer engagiertem Gemurmel. Der Mann in Rot sagte nur immer »Hm« und »So, so«. Manchmal war sich Jesus nicht sicher, ob er nicht unter seinem Bart grinste, aber irgendwann wurde die Frau mit den gebastelten Flügeln ungeduldig, nahm ein Geschenk von der Pyramide, drückte es dem Jungen in dem Arm, der überrascht aufsprang, das Päckchen nahm und zu seiner Mutter lief.

Jesus betrat unter empörtem Gemurmel das Podest. Dass Gemurmel empört klang, das kannte der Gottessohn nur zu gut aus der Vergangenheit. Als er sich auf das Knie des Mannes setzen wollte, zog der es weg, und der Heiland plumpste auf die Erde und blieb unten sitzen. Den Menschen hat er seinerzeit solch ein Verhalten als Demut erklärt, aber wenn Jesus ehrlich war, hatte es inzwischen etwas mit seinen Bandscheiben zu tun, warum er nicht gleich wieder aufstand.

»Wer bist du?«, fragte er den bärtigen Mann.

»Verschwinde, das ist hier für Kinder und nicht für Freaks.«

»Ich bin Jesus.«

»Sag ich doch. Freak.«

»Wer willst du denn sein?«

»Ich bin der Weihnachtsmann und nun verschwinde.«

Jesus schüttelte den Kopf und versuchte aufzustehen.

»Den Weihnachtsmann gibt es doch gar nicht.«

Die engelsgleiche Frau half ihm hoch. Er lächelte sie an. »Und wer bist du?« Sie lächelte zurück oder immer noch. Das konnte er nicht unterscheiden.

»Ich bin das Christkind!«, fistelte sie, und ihre Stimme klang so, als hätte sie gerade etwas sehr Saures gegessen und das passte nicht zu ihrem Lächeln.

»Das ist doch Quatsch!«, empörte sich Jesus. »Ich bin das Christkind! Jesus! Niemand sonst!« Und während er brüllte, wich die junge Frau zurück. Ihr erschrockenes Gesicht unterschied sich nicht sehr von ihrem lächelnden, und sie stolperte rücklings von dem Podest, währen ihre welligen blonden Strähnen vor dem Gesicht flatterten. Die gebastelten Flügel dämpften ihren Sturz. Mütter eilten ihr zur Hilfe, Kinder weinten, und Jesus stampfte geräuscharm mit seinen Sandalen auf. Die Männer vom Sicherheitsdienst eilten herbei, aber der Weihnachtsmann, der die Männer um einen Kopf überragte, rief: »Ich mach das«, hakte Jesus unter und zog ihn aus der Abteilung in das angrenzende Treppenhaus, das nur in Notfällen genutzt wurde. Jesus ließ es geschehen, ließ er doch in der Vergangenheit schon ganz andere Dinge geschehen und während er vom vermeintlichen Weihnachtsmann von dannen gezerrt wurde, beklagte er die Undankbarkeit der Menschen. Beim Aufstemmen der Feuerschutztür verhakte sich der Bart des Mannes an einem Metallbügel, und das Gummiband an seinem Hinterkopf, das seine weißen Kinnhaare hielt, spannte sich. Jesus stoppte mit dem Lamentieren über die menschlichen Abgründe und schaute ihn verdutzt an.

»Du bist nicht der Weihnachtsmann!«, stellte er überflüssigerweise fest.

Der Mann seufzte und antworte: »Ja, den gibt es ja auch gar nicht.«

Im Treppenhaus setzten sich beide erschöpft auf eine Stufe der Treppe, die eine Etage höher führte.

»Ein Königreich für einen Whisky«, murmelte der falsche Weihnachtsmann und rieb sich mit dem Ärmel über dem Mund die künstlichen Bartflusen ab.

Ein Stockwerk über ihnen hörten sie ein dumpfes Klopfen und eine kratzige Stimme unverständliche Dinge rufen. Die Männer schauten kurz nach oben, waren aber zu sehr mit sich und ihrer Erschöpfung beschäftigt. Der hünenhafte Kerl bot Jesus eine Zigarette an, aber der winkte ab, wollte nicht in Versuchung geführt werden. Der Bart lag nun auf den Knien des Mannes, und Jesus betrachtete sein Gesicht von der Seite.

»Dich kenne ich doch! Wer bist du wirklich?«, und er kreuzte vorsichtshalber die Arme vor seiner Brust, weil er die Antwort erahnte.

Der Angesprochene seufzte, nahm einen Zug aus der Zigarette und blies Ringe in die Luft, die für den Hauch einer Sekunde kleine Hörner hatten.

»Ich bin der Teufel. Nenn’ mich Luzifer. Das klingt eleganter. Gott hat mich aus dem Himmel geworfen.«

Jesus schaute den Rauchgebilden nach.

»Das klingt nach Vater. Er hat manchmal seltsame Ideen.« Jesus betrachtete die Male an seinen Handinnenflächen. »Und was soll die Maskerade hier?«, fragte er und nahm Luzifer die Zigarette aus der Hand und inhalierte einen tiefen Zug.

»Recherche«, erklärte Luzifer. »Wenn ich mich den jungen Menschen und ihren Wünschen widme, kann ich die Versuchungen gezielter ansetzen und die Sünder von morgen dingfest machen. Das ist investigative Höllenarbeit. Eine Investition in die Zukunft!« Er nahm Jesus wieder die Zigarette aus dem Mund. »Irgendwo hatte ich was zu trinken …«, nuschelte er und rieb sich beim Inhalieren des Rauches die Schläfen.

»Darf ich auch mal?«, fragte Jesus und zeigte auf den Bart.

»Bitte«, antwortete Luzifer, »mir reicht’s für heute. Ich hatte irgendwo … ach egal.« Er erhob sich, ließ die Fingergelenke an gestreckten Armen knacken, und reichte dem Sohn Gottes die Hand, um ihm aufzuhelfen. »Oben habe ich einen todschicken Anzug in der Herrenabteilung entdeckt. Rot kann ich nicht mehr sehen«, sprach der Teufel, pellte sich aus dem Kostüm und half Jesus beim Bekleiden.

Als Jesus das Podest bestieg, waren die Kinder mit ihren Müttern verschwunden. Die Frau mit den angeklebten Flügeln erkannte ihn nicht, wisperte etwas wie »Ach, Ablösung – und warum kriege ich keine?« Und Jesus dachte wieder an saure Zitronen im Garten Getsemani, als er ihre Stimme hörte. Sofort bildete sich wieder eine Schlange vor dem Podest zu Jesus’ Füßen, und während er unbewusst mit der rechten Hand zu segnen begann, kletterte ein kleines Mädchen auf seinen Schoß.

»Na, wie heißt du, mein Kind?«, probierte sich Gottessohn mit tief verstellter Stimme.

Das Mädchen kicherte, ballte ihre Finger zu kleinen Fäusten und steckte sie unter die Achseln, als wollte Jesus sie kitzeln.

»Magdalena.«

»Magdalena!« Er riss die Augen auf. »Das ist aber ein schöner Name. Ich kannte mal eine Maria Magdalena …«

»Krieg ich jetzt ein Geschenk?«, unterbrach ihn das Kind.

»Was wünscht du dir denn?«, imitierte Jesus seinen Vorgänger.

»Eine Barbie!« Und die junge Frau hinter dem Sessel wies lächelnd Magdalenas Mutter mit ausgestrecktem Arm den Weg zum Puppenregal. Ein gebastelter Flügel löste sich bei der Bewegung ab, und das falsche Christkind verschwand hinter dem Thron, um ihn aufzuheben. Ihr Lächeln hingegen ließ die junge Frau für diesen Tag hinterm goldenen Stuhl liegen.

»Und was wünscht du dir, was man nicht kaufen kann?«, fragte Jesus das Kind. Er hatte einen größeren Kopf als Luzifer, deshalb legte ihn das Bartgummiband die Ohren an.

Die Antwort des Mädchens kam schnell: »Ein’ Dinosaurier.«

Jesus räusperte sich. »Ich meine, was anderes, was man nicht kaufen kann.«

»Ein’ ander’n Dinosaurier.«

Jesus seufzte, versuchte mit einer Hand sein Ohr aus seiner Gummibandfessel zu befreien und gerade, als er zu weiteren Erklärungen ansetzen wollte, kam ein breiter Kerl auf das Podest gestürmt und packte ihn am Kragen und schüttelte den Sohn Gottes. Das Mädchen fiel von Jesus ab und kullerte vom Podest zu seiner Mutter, die laut aufschrie. Der Atem des Angreifers roch nach Alkohol und seine mangelnde Standhaftigkeit, die er beim Schütteln an den Tag legte, ließ vermuten, dass neben dem Atem auch der ganze Mann mit Alkohol durchtränkt war.

»Vier Stunden war ich in der Besenkammer eingesperrt, bis mich jemand gefunden hat! Vier Stunden! Und ich habe mir die Seele aus dem Hals geschrien! Und hätte nicht jemand dort in der Kammer eine Flasche Whisky versteckt, wäre ich vermutlich verdurstet!«, schimpfte er weiter.

»Verschwinde, du Betrüger, ich bin der Weihnachtsmann!«, brüllte er weiter, bevor er sich verschluckte und kurz innehalten musste. Der Geruch seines Atems ließ vor Jesus’ inneren Augen die grünen Hügel Schottlands entstehen. Er riss sich aus seinen Visionen, rief: »Den Weihnachtsmann gibt es doch gar nicht!«, und befreite sich von dem Bart, den der Mann nun ergriffen hatte, um Jesus vom Podest zu zerren.

»Den Weihnachtsmann gibt es gar nicht?«, kreischten unzählige Kinderkehlen zugleich und eh sich die Männer versehen konnten, wurden sie von den starken Armen der Sicherheitsleute gepackt und durch die Etagen des Kaufhauses gezerrt, während sich eine breite Gasse Richtung Tür bildete, als würde Moses das Meer erneut teilen.

Handys wurden zur Aufnahme gezückt, jemand zog Jesus die Mütze vom Kopf und auch das kam ihm aus einem anderen Leben bekannt vor, auch wenn ihm dieses Mal ausnahmsweise niemand bespuckte oder eine Dornenkrone aufsetzte.

Auf dem Bürgersteig biss der Wind eisig in seine nackten Zehen und er war froh, noch den roten, warmen Mantel mit dem weißen Kragen zu tragen. Es hatte zu schneien angefangen und der spätnachmittägliche Himmel war mittlerweile nur noch durch die blinkende Weihnachtsdekoration der Geschäfte und die Straßenlaternen beleuchtet.

Der konkurrierende Weihnachtsmann war auf die Knie gestürzt, rappelte sich auf, während die Passanten einen Bogen um die beiden seltsamen Gestalten machten.

»Wegen dir bin ich meinen Job los, du Freak«, pöbelte der Betrunkene und Jesus seufzte, weil er wohl wieder erklären musste, dass er kein Freak, sondern Jesus, ehemals Christkind, sei.

Doch dazu kam es nicht. Der Kerl packte ihn an den Halsumschlägen seines Mantels und schleuderte den ganzen Jesus, samt Christkind-Vergangenheit, auf die mehrspurige Straße vor dem Kaufhaus. Eine Straßenbahn nährte sich; Jesus spürte die kalten Schienen auf seiner Wange, Schneeflocken benetzten seinen schmerzenden Körper, da wurde ihm schwarz vor Augen.

»Vielleicht solltest du ein bisschen mehr Gottvertrauen haben, mein Sohn.« Sein Vater half ihm aus dem Mantel und ließ das Kleidungsstück zwischen den Wolken zur Erde fallen.

»Was ist passiert?«, fragte Jesus, die Augenlider noch schwer und geschwollen. Der Kopf schmerzte und lähmende Müdigkeit ließen ihn sich schwer auf eine Wolke setzen. Er befühlte seinen Kopf, seine Arme und Beine, die alle unversehrt waren. Gott seufzte und hielt ihm ein Handy hin, das er aus Jesus’ Weihnachtsmannmantel gezogen hatte und spielte ihm ein YouTube-Video vor. Jesus erkannte sich, auf den Schienen am Boden liegend, Schneegestöber über seinem bewusstlosen Körper, hörte die Schreie der Passanten, sah die Lichter der sich nähernden Straßenbahn. Und wie aus dem Nichts sprang ein hünenhafter Mann in einem todschicken Anzug auf den Asphalt, klaubte Jesus vom Boden und verschwand mit ihm in der Dunkelheit.

»Das, mein Sohn«, erklärte Gott Jesus, »ist höllisch gute PR-Arbeit. Vielleicht sollte ich doch noch einmal meinen Standpunkt über eine Zusammenarbeit mit Luzifer überdenken«, und der Allmächtige ließ das Handy ebenfalls durch die Wolken in Richtung Erde plumpsen.

»Ach bitte«, fand Jesus nach großem Staunen seine Sprache wieder, »bitte auch noch einmal das mit den Dinosauriern überdenken«, und lächelte bei dem Gedanken, Magdalena einen Wunsch erfüllen zu können, den man nicht kaufen konnte.


Astrid Hammerthaler: Baumschmuck in Freiheit

Haller 18 - Weihnachten

Подняться наверх