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EHER SICHTBAR, STATT PRIVILEGIERTER
ОглавлениеDie englische Sprache ist aber nicht weniger kolonial, siehe: die letzten 500 Jahre Geschichte. Die Stimmen Schwarzer Menschen aus englischsprachigen Ländern finden jedoch mehr Zuspruch, ihnen wird eher zugehört, sie werden eher gesehen. Dank des unschönen Wortes »eher« kann ich deutlich machen: Ich sehe den Schmerz und die Unterdrückung, die alle Geschwister erfahren, ich spreche ihnen das nicht ab. Aber: koloniale Ordnungen, also das Sezieren der Umwelt und der Menschen in wertvoll und wertlos, gut und schlecht, machen nicht halt vor unseren Communities, wir übernehmen, reproduzieren und stärken koloniale Ordnungen, indem wir ihnen unreflektiert folgen. Die »Kolonialität der Macht«11 wurde durch den Peruaner Aníbal Quijano in den 1980er-Jahren definiert, »Dekolonialität«12 durch den Argentinier Walter D. Mignolo. Beide Theorien haben eins gemeinsam: Sie kommen aus den Amerikas. In Schwarzen Räumen werden beide Begriffe viel verwendet. Doch ihre Herkunft, die gesellschaftliche Situation, die sie notwendig gemacht hat, ist oft vergessen, verschwiegen.
Genau dieses unter den Tisch fallen lassen, verschweigen, bezeichnet die Kommunikationswissenschaftlerin und Soziologin Dr. Natasha Kelly als »Ent_nennen«. Es fehlt nicht an mittel- und südamerikanischen Stimmen in der deutschen Schwarzen Geschichte, sondern an dem Willen, ihre Herkunft zu benennen.13
»Audre Lorde, die Amerikanerin« ist nicht ganz falsch, doch wird dabei meist nur an die USA gedacht. Dass ihre Eltern Migrant*innen aus Barbados und Grenada waren, wird meist verschwiegen. Wir reden über ihre Berlin Years, aber nicht darüber, dass sie in der Karibik mit ihrer Lebenspartnerin bis zu ihrem Tod lebte – ihre Saint Croix Years ent_nannt.
Mein zweites Schwarz, wie ich meine Afrolatinidades liebevoll nenne, ist durch schmerzhafte Begegnungen zu mir gekommen. Hat sich mir als Offenbarung des Andersseins enttarnt, mich mit all meinen Facetten sichtbar gemacht und aufgenommen.