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2 Digital Humanities im Forschungsprozess

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DH findet in den Fächern statt. Aber wo findet man es im Forschungsprozess? Dieser wird in letzter Zeit gerne als Forschungszyklus beschrieben, der verschiedene Etappen von der Fragestellung über die Informationserhebung und Auswertung bis hin zur Ergebnispräsentation durchläuft. Dabei ist sein Ende, nämlich die Ergebnisse, zugleich wieder Anstoß und Ausgangspunkt für die weitere Forschung. Dies ist gerade in den Geisteswissenschaften offensichtlich, in denen die produzierte Literatur oft das Rohmaterial für die nächste Frage bildet. In den Modellen von Research Data Life Cycles ist klar, dass alle Schritte im Zyklus durch digitale Daten und Prozesse der Datenverarbeitung abgebildet werden.8 Daraus folgt die zentrale Behauptung, dass digitale Verfahren und damit auch die DH nicht nur den Bereich der Datenverarbeitung und Analyse betreffen, sondern eben alle Aspekte der Forschung. Das Phänomen der Durchdringung der Forschung durch die Digitalisierung lässt sich auch über eine vertikale und eine horizontale Sicht beschreiben.

In einer vertikalen Sicht gibt es im Forschungsprozess aufeinander aufbauende Schichten. Eine Arbeitsgruppe innerhalb des Projekts DARIAH schlug dazu mit TaDiRAH eine hierarchische Taxonomie digitaler Forschungsaktivitäten vor, mit denen diese Schritte beschrieben und weiter untergliedert werden können.9 Auf der obersten Ebene wird unterschieden:

Nr. Titel Meine Paraphrase
1 Capture Digitalisierung, Datenerhebung aus gegebenen Objekten oder Wissensbeständen (digitale Repräsentation)
2 Creation Erstellung von Daten (die nicht einfach Dinge repräsentieren) oder Anwendugen
3 Enrichment Datenbearbeitung und Informationsanreicherung
4 Analysis (formale) Datenanalyse
5 Interpretation Modellierung, Kontextualisierung, theoretische Durchdringung
6 Storage Datenspeicherung, -bereitstellung, -archivierung
7 Dissemination Zusammenarbeit, Kommentierung, Verfügbarmachung, Publikation
0 Meta-Activities Bewertung, Fachgemeinschaften, Projektdurchführung, Ausbildung

Tab. 1:

TaDiRAH-Taxonomie, oberste Ebene

Vom grundsätzlichen Ansatz her soll die Taxonomie umfassend sein. Man stellt sich vor, dass es eigentlich keine Forschungsaktivitäten gebe, die nicht mit irgendwelchen digitalen Verfahren korrespondieren würden. Umgekehrt kann damit allen digitalen Ansätzen und Praktiken wiederum ein Platz in einem Forschungsprozess zugewiesen werden, den es so in den Fächern immer schon gab. Dabei sind die expliziten Forschungsaktivitäten wieder eingebettet in eine weitergehende digitale Umwelt. Deshalb geht es auch um die allgemeinen Grundlagen einer ‚computer literacy‘, die Veränderungen durch eine uns umgebende digitale Medienlandschaft und die Reflexion aller Veränderungen auf einer epistemologischen Metaebene.

In einer horizontalen Sicht finden sich auf den Schichten des Forschungsprozesses vielfältige und verschiedene Aktivitäten, Ansätze, Methoden und technische Lösungen. Hier gibt es jeweils Baukästen, aus denen man sich nach Bedarf bedienen kann, wobei die Entwicklung auf den einzelnen Schichten bis heute unterschiedlich weit gediehen ist.10 So gibt es im Bereich ‚capture‘ inzwischen reife Standards und etablierte Praktiken: Man weiß heute recht gut, wie Objekte (als materielle Objekte, als visuelle Objekte, als Träger und Instanzen von Texten etc.) digitalisiert werden. Dagegen gibt es im Bereich ‚enrichment‘ derzeit viel Bewegung: Unter dem Stichwort ‚Annotation‘ werden vielfältige Ansätze und Praktiken entwickelt und erprobt, mit denen informationsreichere digitale Repräsentationen entstehen und mit denen auch das Kontextwissen der Forschenden explizit gemacht und in den analytischen Prozess eingebracht werden soll. Der Kern wissenschaftlicher Forschung wird oft in den Bereichen ‚Analyse‘ und ‚Interpretation‘ gesehen. Hier spielen Computer als rechnende Maschinen, die in ihrer algorithmischen Verarbeitung von Information hinsichtlich Menge und Geschwindigkeit dem menschlichen Geist überlegen zu sein scheinen, von Anfang an eine große Rolle. DH steht hier für die Automatisierung und Beschleunigung von Auswertungsverfahren durch entsprechende Softwarewerkzeuge. Diese changieren aber zwischen Nachbildung und Innovation von Methoden. Zum einen sollen sie bewältigbar machen, was theoretisch auch ohne sie schon möglich gewesen ist, zum anderen verschaffen sie aber auch bestimmten Methoden und Betrachtungsweisen eine neue Prominenz und verschieben so den Fokus der Forschung. Neue Werkzeuge können damit auch eine Antriebskraft für Veränderungen der Forschung sein. Ihre inhärente Schieflage liegt aber darin, dass bestimmte Verfahren von ihnen leichter umgesetzt werden können als andere. Dies betrifft offensichtlich jene, die einfach explizit zu machen und quantitativ zu bearbeiten sind. Auf der Strecke bleiben dagegen derzeit noch jene für die Geisteswissenschaften zentralen Verfahren, die unter dem Stichwort Hermeneutik zusammengefasst werden können und zu einer ‚verstehenden Deutung‘ als Kernziel der Forschung führen sollen.

Für das Verständnis der DH-Ansätze im Forschungsprozess und ihr Zusammenspiel ist es wichtig, einige Grundprinzipien ‚des Digitalen‘ im Blick zu behalten. Rechnergestützte Arbeiten sind nicht zuletzt deshalb so umfassend, weil die Einfachheit der Herstellung, die Leichtigkeit der Bereitstellung und Verbreitung, die unmittelbare Anschlussfähigkeit und Nachnutzbarkeit auch in anderen Kontexten und damit ihre Vernetzung zur Natur digitaler Daten gehören. Daten spielen auf allen Ebenen eine zentrale Rolle, wechseln diese Ebenen aber auch und verbinden sie damit: die bibliografische Information ist das Rückgrat der Digitalisierung eines Objekts, dessen digitale Repräsentation mit Kontextwissen angereichert wird, das Gegenstand analytischer Auswertung ist, die Voraussetzung einer Interpretation ist, die in einer digitalen Publikation präsentiert wird, deren Daten Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen sind.

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