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4 DH in den Fächern: Einbeziehung und Ausbildung

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Die einzelnen Disziplinen haben ein berechtigtes Interesse daran, sich über die Verfeinerung ihrer Methoden und über neue Werkzeuge und Praktiken weiterzuentwickeln. DH als Spezialisierungsbereich geht hier voran und entwirft, testet und konsolidiert Ansätze und trägt zum Aufbau digitaler Informationsressourcen bei. Dies alles sollte in die Fächer integriert werden. Dabei besteht mit dem 3-Sphären-Modell ein Beschreibungsansatz, der zeigt, wo sich Entwicklungen in welcher Tiefe vollziehen können. Wissenschaftsorganisatorisch ist damit die Landschaft in Deutschland und anderen europäischen Ländern gut skizziert, in denen sowohl Spezialisierungsfächer, als auch ‚DH als Fach‘ existieren. Für die Tendenz, DH eher aus den Einzelfächern heraus aufzubauen, steht die angelsächsische Universitätskultur. Auch hier gibt es inzwischen zwar viele ausdrückliche Stellen für digital humanists, diese sind aber fast immer in die traditionellen Departments eingebunden.15

Die Frage nach den DH stellt sich für jedes einzelne Fachgebiet und damit auch hier: Was leisten die DH und wie können sie in die Geisteswissenschaften, in die Theologie, die Philologien, die Religionswissenschaften oder in die Bibelwissenschaften eingebunden werden? Hier ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Disziplinen schon immer zu den frühen Anwendern, wenn nicht gar treibenden Kräften gehörten, wenn es um den Entwurf und das Ausprobieren neuer Methoden ging.16 Traditionell gab es hier einen Fokus auf Textverarbeitung, Textanalyse oder auch Editionsfragen. Dazu kommen heute u. a. aktuelle Themen wie Annotation, Semantisierung, Netzwerkanalysen oder Visualisierung. Aus Sicht der DH ist zu beobachten, dass sie zwar für alle geisteswissenschaftlichen Disziplinen zuständig ist, dass es hier aber sehr wohl traditionelle Schieflagen oder, positiv gesprochen, Schwerpunkte gibt. Die gute Nachricht ist, dass diese Schwerpunkte vom Objekt her bei ‚Text‘, fachlich in den Sprach- und Literaturwissenschaften und thematisch bei Corpora, Editionen, Informationsportalen und Verfahren der Textanalyse und damit nahe an den exegetischen Interessen liegen.17 Die schlechte Nachricht wurde bereits oben angedeutet: Hermeneutik, die verstehende Deutung und Interpretation von Texten, ist ein so komplexes Verfahren, dass es derzeit als eine der am härtesten zu knackenden Nüsse der DH gilt.18 Es ist müßig, zu fragen, ob ‚die Exegese‘ automatisiert werden kann. Spannend ist es hingegen im Blick zu behalten, welche damit zusammenhängenden Bereiche von der Digitalisierung in welcher Weise erfasst werden. Denn auch hier zeigt sich wieder, dass es bei DH nicht nur um die Algorithmisierung von Analyseprozessen geht, sondern um den ganzen Zyklus der Forschung, von der Digitalisierung der Texte über ihre tiefe Erschließung und Annotation, ihre Bereitstellung in Portalen und an Schnittstellen, ihre Auswertung bis hin zur Publikation von Studien über sie.

Aber wie kann dies in Forschung und Lehre einfließen? In der drittmittelgetriebenen Forschung ist es heute üblich, Kooperationen einzugehen. Durch die Einbeziehung einer ‚digitalen Komponente‘ in die Fachforschung kann diese erweitert und durch neue Verfahren ergänzt werden. Die meisten Förderorganisationen unterstützen damit die digitale Transformation der Forschung; es stellt sich aber die Frage nach der Nachhaltigkeit der Wirkung auf die Fachforschung und ob hier ein dauerhafter Kompetenztransfer stattfindet, der auch jenseits von Projekten und Förderzeiträumen einen Effekt besitzt. Dies hängt wesentlich davon ab, wie Partner zusammenarbeiten: Besteht eine starke Trennung zwischen Fachforschung und DH bzw. Informatik und werden einerseits die Fachfragen nur als beliebige Beispielfälle (die man nicht zu verstehen braucht) und andererseits die technischen Ansätze z. B. nur als Dienstleistungen (die man nicht zu verstehen braucht) betrachtet, dann wird es auf beiden Seiten keine nachhaltige Entwicklung geben. Wichtig ist hier, dass die Fachwissenschaften auch die Grundlagen und Paradigmen digitaler Methoden soweit verstehen, dass sie aus dem Status reiner (blinder?) Anwendung herauskommen und ihre Entwicklung aktiv mitgestalten können. Passiert dies nicht, dann werden innerhalb der Forschung keine wirklich passenden und innovativen Methoden entwickelt werden können und werden keine anhaltenden neuen Kompetenzen in den Fächern zurückbleiben, sobald die Partner aus Informatik oder DH zum nächsten Projekt weitergezogen sind.

Es geht zwar grundsätzlich um die Ausweitung des epistemologischen Rahmens; im Alltag von Forschung und Lehre geht es aber auch ganz einfach um die Ausweitung des Skillsets und wie dieses in die Lehre eingebracht werden kann. Intensive kooperative Forschung ist eine Form des teaching the teachers. Der Königsweg der Lehre ist: ‚Was in der eigenen Forschung gelernt wird, kann gut fundiert, gut reflektiert und nah an der Praxis weitergegeben werden‘. Jenseits des ‚Nebenbei‘ ist die Frage nach Inhalt und Form erweiterter Ausbildung aber auch systematisch zu stellen. Bei DH geht es häufig um generische Kompetenzen, die das Verständnis digitaler Daten, Kenntnisse von Ressourcen, Werkzeugen und Standards, die Praxis der Datenerstellung und Datenverarbeitung, Ansätze der Modellierung und Formalisierung oder Techniken der Ergebnispräsentation und Visualisierung betreffen. Diese können aus den Lehrangeboten der DH im Allgemeinen oder aus denen der spezielleren Subfächer (Computerlinguistik etc.) übernommen werden.19 Hier können die einzelnen geisteswissenschaftlichen Disziplinen anschließen und aus dem allgemeinen Kanon jeweils die Teile übernehmen, die für die eigenen Fragestellungen besonders relevant sind. Hinzu kommen dann fachspezifische Überblicke und Übungen, die wiederum für die allgemeinen DH zu speziell wären, als dass sie von ihnen behandelt würden. ‚Digitale Verfahren der Bibelwissenschaften‘ ist eher in der Theologie und den Religionswissenschaften zu unterrichten, als dass sie ein Gegenstand allgemeiner DH-Ausbildung wären. In einem idealen Fall gelangen die Einzeldisziplinen darüber zu einem eigenen Curriculum von relevanten Lehrinhalten.

Aber wie integriert man diese Inhalte in die Formen der Ausbildung? Manche glauben, dass die für ein Fach notwendigen Kompetenzen im Laufe der Zeit von selbst in die Basisveranstaltungen oder die exemplarisch vorgehenden Aufbauveranstaltungen eingehen würden, weil sie die Forschungspraxis der Lehrenden spiegeln. Fraglich ist aber, ob diese Transformation zügig geschehen wird, ob sie ausreichend ist und ob es Möglichkeiten ergänzender oder paralleler Studien gibt. Da die Integration in die Standardausbildung über die Ausweitung der Inhalte bestehender Kurse schwierig ist, sind verschiedene andere Wege zu bedenken. Personell können die Institute mit Spezialisten aus den DH verstärkt werden, um eine weitergehende, spezialisiertere Lehre anzubieten. Dieses Phänomen ist durchaus zu beobachten und reicht von Lehrkräften für besondere Aufgaben bis hin zu DH-Professuren, die nicht an Instituten für DH, sondern an den bestehenden Seminaren angesiedelt werden und auch keine expliziten DH-Studiengänge anbieten, sondern die Lehre in die Fächer hineintragen sollen. Eine andere Praxis liegt im ‚Import‘ von Lehrkapazität und damit auch Lehrangeboten aus benachbarten Bereichen. Dies können DH-Einrichtungen an der Hochschule sein, aber auch Informatik-Institute oder die Rechenzentren. Allerdings ergeben sich dabei oft nicht nur formale und organisatorische Probleme, sondern auch Fragen nach der Adäquanz der Didaktik.20 Hinsichtlich der Integration in die Studiengänge ist deshalb zunächst vor allem an die Vertiefungsmodule in den Fächern zu denken, die eine gewisse Wahlfreiheit und damit auch methodische Differenzierung erlauben. Hinzu kommen an vielen Universitäten freie Wahlbereiche (manchmal studium integrale oder Optionalbereiche genannt), in denen fächerübergreifende Angebote genutzt werden können. Hier lassen sich ggf. auch zielgerichtet Kurse zusammenstellen, die in der Summe ein Zertifikatsprogramm ergeben und zu einer Art Mini-Zusatzausbildung in einem bestimmten Bereich führen können.21 Jenseits der lokalen Studiengänge spielen im Bereich der DH vor allem Summer Schools eine große Rolle. Dazu gibt es inzwischen eine ganze Reihe fest etablierter Angebote, die mehr oder weniger regelmäßig angeboten werden.22 Solche Schools verlangen eine hohe Eigenmotivation und sind eine zusätzliche Belastung zur normalen Ausbildung. Sie schlagen aber eine gute Brücke zwischen den lokal unterrichteten Fächern und der globalen Sphäre der Digital Humanities.

Sie stehen damit einmal mehr für die Grundherausforderung der etablierten Disziplinen. Auf der einen Seite können die neuen Methoden nicht einfach in den bestehenden Strukturen wachsen, sondern brauchen den Input von Spezialisten, die sich ganz den neuen Ansätzen widmen und sie interdisziplinär und mit Rückgriff auf die Informatik vorantreiben. Auf der anderen Seite müssen diese Entwicklungen wieder in die Fächer zurückgeholt und integriert werden. Hier ist dem latenten Missverständnis vorzubeugen, Methoden und Werkzeuge würden irgendwann einen statischen, ‚fertigen‘ Zustand erreichen, den man dann nur noch aufnehmen müsste. Vielmehr ist die digitale Transformation kein einmaliger Prozess, der bald abgeschlossen wäre, sondern ein dauerhafter Zustand. Deshalb ist es wichtig, dass die Fächer und DH in engem Kontakt stehen und einen beständigen Austausch pflegen, auf dessen Grundlage die Fachforschung in ihrer Forschung und Lehre in der besten möglichen Weise kontinuierlich vorangebracht werden kann.

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