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Bilder verstehen heißt, Bilder in ihrer spezifischen Ausprägung zu sehen

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Die Bildwelt, die der ägyptisch-orientalischen Kultur entspringt, ist aufgrund der unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten und Traditionen sehr breit. Mit Bildern vermittelten ihre Produzenten mehr als das, was auf den ersten Blick zu sehen ist. So erfordert eine Deutung von Bildern eine genaue Beschreibung aller Aspekte, die mit der Bildproduktion und seiner Rezeption verbunden sind. Dies geht über die derzeit geläufige „vornehmlich deskriptiv-analytische Erforschung von Bildern und Bildkunst“1, die Gegenstand einer altorientalischen Ikonographie ist, hinaus. In Fortführung der Ikonographie fragt die Ikonologie nach Bildern als Symbolen einer Kultur. Sie untersucht die Bedeutung des einzelnen Bildes in seinem weiteren kulturellen Kontext. Neben einer ikonographischen Analyse setzt eine ikonologische Interpretation daher die „synthetische Intuition (Vertrautheit mit den wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes)“2 voraus. Der symbolische Wert des Bildes wird als ein häufig unterbewusst in das Werk einfließender Faktor gewertet, der innerhalb der ikonologischen Analyse aufgezeigt und gedeutet wird. Erst durch diesen Prozess wird der eigentliche Gehalt des Bildes erkennbar.3 Dieser Ansatz basiert auf einer bewussten oder unbewussten Prägung des Künstlers durch seine Kultur, die in der ikonologischen Analyse aufgewiesen wird (Dokumentsinn4). Die Ikonologie basiert folglich auf der Vorstellung eines sich innerhalb einer Kultur erhaltenden Symbolsystems, das unter wechselnden historischen Bedingungen jeweils spezifische Ausformungen annimmt. Der ikonologische Ansatz ist also eine gattungskritische Beschreibung von Bildern, in der zuvorderst die jeweilige kulturelle Prägung des Künstlers untersucht wird.5 Damit ergibt sich zwischen Ikonographie und Ikonologie ein Spannungsfeld, das formkritisch beschrieben werden kann.

Im Spannungsfeld zwischen Ikonographie und Ikonologie wird die Wirkung des einzelnen Bildes und damit seine Funktion innerhalb des kulturellen Prozesses untersucht. Dieser formkritische Ansatz basiert auf der Annahme, dass der Künstler eine Wechselwirkung zwischen Bild und Betrachter im Bild bewusst anlegt. Eine solche Formkritik hat neben der Ausprägung des Bildes weitere Aspekte zu bedenken. Diese erweiterte Analyse setzt beim Motiv an. Dabei ist zunächst nicht die singuläre Ausprägung des Motivs entscheidend, sondern die dargestellte Szene (Konstellation). Die aus dem antiken Vorderen Orient überlieferten Bilder sind dahingehend unterschiedlicher Art, dass sowohl Bilder bekannt sind, die alltägliche Szenen und damit die menschliche Sphäre abbilden, als auch Bilder, durch die die göttliche Sphäre sichtbar wird. „Wie andere kulturelle Symbolsysteme kennen die Religionen nebst handlungspraktischen (rituellen, moralischen), auditiven, olfaktorischen und sprachlichen Kodierungsformen auch Bilder als Medien, um ihre spezifischen Gegenstände (Gott bzw. Gottheiten, Mythen, Riten, Frömmigkeitsmuster u.ä.) visuell gegenwärtig zu setzen oder darzustellen.“6 Mit der Sichtbarmachung einer anderen Sphäre geht das Bild über seine Funktion als Symbol hinaus. Durch das Bild wird eine Sphäre kosmischer Realität abgebildet, die für den Menschen ohne das Bild nicht sichtbar ist, auch wenn sie dauerhaft präsent ist.7 Das Bild dient also der Sichtbarmachung dieser Sphäre für einen Betrachter. Solche Bilder korrelieren mit vornehmlich prophetischen Texten, in denen Menschen von einem Einblick in die göttliche Sphäre berichten (Visionsberichte). Im Bild wird nun für jeden Betrachter das sichtbar, was Propheten/Seher in einzelnen Momenten erblicken konnten8 und was erst durch die Verschriftung zu einem dauerhaft präsenten Geschehen wird.9 Dementsprechend ist formkritisch zwischen einer Abbildung von Szenen der menschlichen Sphäre, zu denen auch prototypische Darstellungen geschichtlicher Ereignisse zählen, und einer Sichtbarwerdung der göttlichen Welt zu unterscheiden. Auf diese Weise erhalten Bilder eine kosmische Dimension, indem durch sie Aspekte des Kosmos sichtbar gemacht werden können, die menschlicher Wahrnehmung ansonsten verborgen sind.

Visualisierungen erfolgten auf unterschiedliche Weise, was wiederum eng mit der Funktion des jeweiligen Bildes für den Kommunikationsprozess verbunden ist. Die Wirkung des Bildes auf den Betrachter wird zunächst durch ihre Größe, Gestaltung und den jeweiligen Rezeptionsraum bestimmt. Während monumentale Bilder für einen festgelegten Raum und damit immer im Kontext einer über die einzelne Abbildung hinausgehenden Bilderwelt geschaffen sind,10 ist die Wirkung kleinerer Artefakte nur dann zwingend an einen räumlichen Kontext gebunden, wenn die Objekte für bestimmte Performanzformen verwendet werden. Die Wirkung eines Bildes ist zudem von seiner Dimensionalität bestimmt. Während flächige Abbildungen i.d.R. aspektivisch und damit bezogen auf die Funktion des abgebildeten Gegenstandes hin geschaffen sind, lassen räumliche Darstellungen perspektivische Wahrnehmung zu. Diese können auf besondere Konstellationen der Installation von dreidimensionalen Bildern hinweisen.11 Besonders Lichtquellen (seien es natürliche oder künstliche) können Einfluss auf die Wirkung eines Bildes nehmen, wenn zwischen dem Objekt und der Lichtquelle eine Wechselwirkung durch eine spezifische Installation bewirkt werden soll. Um diese vollständig beschreiben zu können, ist nicht nur das Bild und seine Form, sondern auch der Bildträger, d.h. die materielle Basis des Bildes zu betrachten (Bild-Bildträger-Relation). Sie bestimmt, wie das Bild dem Betrachter unter jeweils spezifischen Bedingungen entgegentritt, sofern die Wahl des Materials auf einen singulären Kontext ausgelegt ist. Da die wenigsten Bild tragenden Objekte an ihren ursprünglichen Einsatzorten aufgefunden wurden, ist aufgrund des verwendeten Materials und der Form des Bildes nach Situationen zu fragen, in denen das Bild seine Wirkung vollumfänglich erzielen konnte.

Von derartigen Beobachtungen ausgehend, lassen sich Aussagen zur Bild-Text-Relation treffen. Form und Inhalt von Bild, Trägerobjekt und Text sind für die Deutung der Bild-Text-Beziehung entscheidend. Dabei ist eine zweifache Wechselwirkung zu beobachten: Zum einen sind Texte implizit von zeitgenössischer Bildkunst geprägt; zum anderen sind Bilder von älteren oder zeitgenössischen Texten beeinflusst.12 Dabei können größere zeitliche oder räumliche Distanzen auftreten. Je weiter Bild- und Textüberlieferung auseinanderfallen, desto schwieriger wird es, in der Rekonstruktion einen Bezug herzustellen. Es ist sicherlich der einfachste Fall, wenn Bild und Text gemeinsam, d.h. auf einem Trägerobjekt überliefert werden. Wenn die Überlieferung von Bild und Text jedoch auseinanderfällt, dann sind neben motivischen Überschnitten auch zwingend formkritische zu bedenken. Treten im Bild und im Text jeweils dieselben Motive auf, dann ist jeweils nach der Wirkung bzw. der Funktion von Bild und Text zu fragen, um die Bild-Text-Relation beschreiben zu können (Thomas Wagner).

Solche Bilder werden jedoch nicht nur am äußeren Objekt wahrgenommen. Sie entstehen auch in den Köpfen der Rezipienten und werden dann als Sprachbilder sichtbar.

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