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4.2.2 Semrekurrenz und semantische KontiguitätKontiguität

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Der Ansatz, dass textuelle Kohärenz zwischen Sätzen durch Bedeutungsbeziehungen, also SEMREKURRENZSemrekurrenz entsteht, ist über andere Entwicklungen auch in der deutschsprachigen Textlinguistik entwickelt worden. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Analyse von Formen der PRONOMINALEN WIEDERAUFNAHMEWiederaufnahme im Text und ihrer Rolle als Bedingung von Textkohäsion durch Harweg (21979) (siehe ausführlich unter 3.1.2).

Bei der Herstellung derartiger Textbeziehungen können sehr verschiedenartige lexikalische Bedeutungsbeziehungen eine Rolle spielen, zum Teil mehr, als in einer Merkmalssemantik direkt dargestellt werden können (siehe Kleine Enzyklopädie 1983: 222, Heinemann/Viehweger 1991: 38):

 SYNONYMIE (Bedeutungsähnlichkeit): Verstorbener – Leiche, Ehemann – Lebenspartner

 HYPO-/HYPERONYMIE (Unter-/Überordnung): Familienmitglieder – Angehörige, Reh – Rotwild, Eichensarg – Sarg

 KOHYPONYMIE (Bedeutungsverwandtschaft mit gleichem Oberbegriff): Filmdarsteller – Künstler, Täter – Krimineller

 ANTONYMIE (Bedeutungsgegensatz): ausgraben – bestatten

 PARAPHRASE (Umschreibung): Ehemann – die bessere Hälfte.

Über reine Bedeutungsverwandtschaft können auch logische und sachliche Beziehungen zwischen Ausdrücken, so genannte SEMANTISCHE KONTIGUITÄTEN textuelle Kohärenzbeziehungen stiften (Harweg 1968: 192ff., siehe auch Brinker 62005: 37f.):

 LOGISCH (BEGRIFFLICH) BEGRÜNDETES KONTIGUITÄTSVERHÄLTNIS: Niederlage – Sieg, Aufstieg – Abstieg, Problem – Lösung

 ONTOLOGISCH (NATURGESETZLICH) BEGRÜNDETES KONTIGUITÄTSVERHÄLTNIS: Blitz – Donner (Kausalverhältnis), Elefant – Rüssel (Teil-von-Beziehung), Kind – Mutter (biologische/soziale Beziehung)

 KULTURELL BEGRÜNDETES KONTIGUITÄTSVERHÄLTNIS: Kirche – Turm, Haus – Tür, Krankenhaus – Chefarzt.

Ein Beispiel für Textkohärenz aufgrund solcher Kontiguitätsbeziehungen ist folgender Textausschnitt (aus Brinker 62005: 38):

(4–6) Eine Richterin beim Amtsgericht in Mettmann hat ein mutiges Urteil gesprochen. Sie lehnte die Klage eines 18jährigen Gymnasiasten ab, der von zu Hause weggezogen war und von seinen Eltern monatlich 200 Mark Unterhalt forderte.

Zwischen Richterin, Amtsgericht und Urteil gesprochen einerseits und lehnte Klage … ab andererseits besteht ein kulturell begründetes Kontiguitätsverhältnis, d.h. ein Zusammenhang, der durch kulturell entstandene Institutionen hergestellt wird. In der Institution Amtsgericht amten Richterinnen und Richter, die Urteile sprechen, und ein möglicher Inhalt eines Urteilsspruchs kann die Ablehnung einer Klage sein.

Auch gegen diesen Ansatz sind Einwände und Einschränkungen formuliert worden: Isotopie- und Kontiguitätsbeziehungen sind zwar ein wichtiges Symptom für Textkohärenz, aber keine ausreichende Bedingung; sie garantieren allein aus sich selbst noch keinen kohärenten Text. Von Manfred Bierwisch stammt das folgende, häufig zitierte Beispiel (hier zit. nach Heinemann/Heinemann 2002: 73):

 (4–7) Es gibt niemanden, den ihr Gesang nicht fortreißt. Unsere Sängerin heißt Josephine. Gesang ist ein Wort mit fünf Buchstaben. Sängerinnen machen nicht viele Worte.

Zweifellos ist in jedem der Sätze dieser Satzfolge ein rekurrentes Bedeutungselement ‚Gesang‘ oder ‚singen‘ enthalten. Trotzdem empfinden wir die Folge nicht als kohärenten Text. Heinemann/Heinemann (2002: 73f.) postulieren deshalb, dass die Elemente einer Isotopiekette zusätzlich koreferent sein müssen, also sich auf dasselbe Objekt beziehen müssen. In dieser Form ist die Bedingung allerdings wiederum zu eng gefasst. Im Beispiel (4–6) beispielsweise sind Richterin, Gericht, Klage oder Urteil nicht im präzisen Sinne koreferent. Der ganze Text bezieht sich auf eine konkrete einzelne Situation; die einzelnen Ausdrücke sind Teile dieses Textes und beziehen sich auf Teilausschnitte der beschriebenen Situation.

Und schließlich ist Isotopie nicht nur kein ausreichendes Kriterium für Kohärenz von Texten, es ist auch kein notwendiges. Es gibt durchaus Texte ohne SemrekurrenzenSemrekurrenz, die wir als kohärente Texte wahrnehmen. Heinemann/Heinemann (2002: 74) geben als Beispiel die Beschreibung eines Sommertags in Heinrich Heines „Harzreise“:

 (4–8) Silberne Wasser brausten, süße Waldvögel zwitscherten, die Herdenglöcklein läuteten, die mannigfaltig grünen Bäume wurden von der Sonne goldig angestrahlt.

Die Einheit dieses Textes liegt in anderen Aspekten als semantischen Semrekurrenzen. Wie in Rastiers etwas generellerem Isotopiekonzept könnten allerdings auch in diesem Text isotopiestiftende übergreifende Bezüge gefunden werden: ‚strahlende schöne Farben‘, ‚angenehme Naturklänge‘. Auch diese Überlegungen führen letztlich zu einer Erweiterung der textsemantischen Betrachtungsweise, bei welcher der thematische Zusammenhang zwischen ganzen Aussagen einbezogen wird (siehe 4.5).

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