Читать книгу Kultur- und Literaturwissenschaften - Группа авторов - Страница 20
1.2.2 Ansätze traditioneller Kulturvermittlung
ОглавлениеInwiefern die Dynamik transkultureller und linguakultureller Prozesse in gängigen Modellen der Kultur- und Landeskundevermittlung tatsächlich abgebildet wird, soll im Folgenden dargestellt werden. An Versuchen, das Fremdverstehen für die fremdsprachige Kulturvermittlung zu operationalisieren, mangelt es schließlich nicht. Die Vermittlungsansätze lassen sich in unterschiedlichem Maße zwischen den Polen Rekonstruktion und Wiedergabe von enzyklopädischem Wissen und Konstruktion von eigenen Einstellungen der Lerner verorten und in Bezug auf ihre linguakulturelle Orientierung klassifizieren. Zu den wichtigsten landeskundlich relevanten Ansätzen gehören:
Komparatistische (oft multikulturelle) Verfahren in den Sprach- und Literaturwissenschaften. Bezugsdisziplinen sind die kontrastive Linguistik, die komparative Literaturwissenschaft, die Ethnologie und die Anthropologie sowie andere vergleichende Verfahren der Kunst-, Musik- und Kulturwissenschaften. In der Sprach- und Kulturvermittlung ist die Ausrichtung dieser Disziplinen eher auf die Rekonstruktion von Wissen ausgelegt. Konstruktivistische Aspekte der Bezugswissenschaften werden für Vermittlungszwecke meist eher eingeebnet. Linguakulturelle Aspekte werden disziplinabhängig unterschiedlich betrachtet und gewichtet.
Interkulturelle Trainings und die Verfahren der Beschreibung kulturspezifischer Parameter, Deutungsmuster, Orientierungen und Dimensionen. Sie sind vor allem auf die Rekonstruktion der fremden Kulturen durch Betrachterinnen und Betrachter beziehungsweise Lerner ausgelegt. Sprachliche Elemente erscheinen verbreitet als Artefakte zugrundeliegender Dimensionen und Muster.
Die interkulturell ausgerichtete Fachdidaktik mit partiellen, meist komparativ ausgerichteten unterrichtsmethodischen Verfahren, die vorwiegend auf die Rekonstruktion des Fremden und seine wohl dosierte Abbildung in linguakulturellen Strukturen abzielt.
Kulturkonstruktivistische Ansätze wie die Behandlung von Erinnerungskulturen und die explizite Thematisierung von Transkulturationsprozessen. Linguakulturelle Aspekte spielen eine sekundierende Rolle.
Hauptanwendungsbereich der interkulturellen Hermeneutik sind literaturwissenschaftliche Themen. Ihre Grundlage ist die Annahme der kompensatorischen, optimierenden und maximierenden Wirkung mangelnden Wissens. Marquard (1981) bezeichnet die Zielsetzung der interkulturellen Hermeneutik als Inkompetenzkompensationskompetenz. Auf diese wird noch ausführlicher in Lerneinheit 1.3 eingegangen. Interkulturelles Verstehen ist zielgerichtet und – in den Unterrichtsverfahren – vor allem rekonstruierend auf Innen- und Außenperspektiven ausgerichtet. Das Erreichen einer übergeordneten (harmonisierenden transkulturellen) Perspektive im Dritten Ort ist ein theoretisches Desiderat. Hierüber bestehen konzeptuelle Verbindungen zu einem (bisher nicht ausgearbeiteten) Modell einer transkulturellen Landeskunde. Die skeptische Hermeneutik betont dagegen die Normalität und katalytische Bedeutung des Erhalts von Fremdheit. Linguakulturelle Aspekte sind konstitutiv.
Die interkulturelle Sprachdidaktik. Sie versucht, das Sprach- und Kulturverstehen auf der Grundlage interkulturell hermeneutischer Verfahren als kohärentes linguakulturelles System abzubilden und dieses mit erwerbslinguistischen, kultur- und literaturwissenschaftlichen sowie lernpsychologischen und didaktischen Aspekten in Einklang zu bringen. Sharifian (2007) fordert dafür die Entwicklung einer angewandten kulturellen Linguistik. Die interkulturelle Sprachdidaktik verbindet rekonstruktive Aspekte des perspektivischen Verstehens mit konstruktiven Transkulturationsprozessen, die sich auch in kreativen Lernerproduktionen manifestieren.
In dieser Lerneinheit und in Lerneinheit 1.3 werden diese Ansätze der operationalisierten Sprach- und Kulturvermittlung genauer betrachtet. Im Anschluss daran wird die Rolle der Fremdheit als Bedingung und Element kognitiver Prozesse dargestellt und es wird ein Vorschlag skizziert, mit dem mehrsprachige und mehrkulturelle Dynamiken in einem ökologischen Transkulturationsmodell für die Sprach- und Kulturvermittlung angemessen zusammengeführt werden können. Ausführlicher lesen Sie in der Lerneinheit 4.3 über den Unterschied von Transkulturalität und Transkulturation.