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„Aus eignem Schoß ringt los sich der Barbar“ – Die Inversion der Humanität

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In der Metaphorik des Pferdes wird implizit Rudolfs Verschiebung bzw. Projektion unlösbarer Probleme auf seinen Sohn deutlich, den er zum Sündenbock einer nicht mehr beherrschbaren Entwicklung machen will: „Der freche Sohn der Zeit. – Die Zeit ist schlimm, / Die solche Kinder nährt, und braucht des Zügels. / Der Lenker findet sich, wohl auch der Zaum.“ (V. 1345ff.). Die Logik des Bildbereichs weiterführend, könnte man daraus folgern, dass Rudolf auch in Bezug auf die Probleme der Zeit die Vaterschaft besitzt. Diese Vaterschaft wird aber sowohl der Zeit als auch seinem Sohn gegenüber verleugnet, so wie er sich weigert, die Rolle des „Meisters“1 auf sich zu nehmen, weil sich lieber er als „Schüler“ der Weisheit des Alls versteht. Aber der Versuch, den Sohn als Gegner zu entäußern und ihn als die Verkörperung des Bösen zu dämonisieren, wird auch durch eine Reihe anderer Strategien im Text dekonstruiert, die den Parallelismus im Gegensatz zwischen den beiden etablieren und somit eine supplementäre Logik der gegenseitigen Abhängigkeit aufdecken.2 Überhaupt dient die Don-Cäsar-Handlung als Vehikel der Dekonstruktion des von Rudolf präsentierten Herrscherkonzepts. Der von Grillparzer erfundene illegitime Sohn ist sozusagen in die Welt gebracht, um die Legitimität der paternalistischen Machtausübung in Frage zu stellen und um die Schwächen in Rudolfs Idee eines Staates aufzuzeigen, der auf der ewigen Ordnung der Natur beruht. Zu dieser gehört die sich durch Generationen reproduzierende Ordnung der Familie, die „heilgen Bande, / Die unbewusst, zugleich mit der Geburt, / Erweislos, weil sie selber der Erweis.“ (V. 1617ff.)

Rudolf entfaltet seine im Naturrecht begründete, absolutistische Staatsideologie in langen Monologen, die immer wieder die Aufmerksamkeit der Interpreten auf sich gezogen haben und oft als das konservative Vermächtnis Grillparzers gelesen wurden, die aber schon als Selbst- und Weltauslegungen keiner stringenten Logik folgt. Vor Erzherzog Ferdinand im 1. Akt spricht er von Don Cäsar als „Schüler“ einer Zeit, dem „Achtung für der Väter Sitte“ (V. 328) verloren gegangen ist, bzw. als einem von den „Keime[n] […] der Verkehrtheit“ angesteckten, die „ihm geliehn so wildverworrne Welt.“ (V. 343f.) Der in seiner Denkweise ganz anders geartete Ferdinand greift diese Metapher mit der Aufforderung auf: „Die Zeit bedarf des Arztes und ihr seids“, worauf Rudolf sofort diese einfache Gegenüberstellung unterläuft: „Ein wackrer Arzt, der selber Heilung braucht!“ (V. 356f.) Für Ferdinand besteht, ja muss eine Übereinstimmung bestehen zwischen Gesinnung, Wort und Handlung, sowie zwischen Status, Autorität und Macht. Diese Einheit wird aber sowohl durch Rudolf als auch vom Drama als Ganzem in Frage gestellt. Nur aber durch das Extreme seines Charakters unterscheidet sich Rudolf von den übrigen Figuren, die wie er zusammengesetzt und unkoordiniert sind und in mancher Hinsicht ebenso blind sein können, wie sie in anderer Hinsicht weit- und klarsichtig sind. Es gilt somit für alle zentralen Figuren, dass ihre Aussagen manchmal auf die tatsächliche Lage im Drama zutreffen und daher Anspruch auf allgemeine Geltung erheben können, manchmal aber auch in ihrer Subjektivität isoliert dastehen. So drückt Rudolf eine Wahrheit des Dramas aus, wenn er Ferdinand gegenüber den Unterschied im Lauf der Sterne vom Lauf der Menschenwelt erklärt: „Dort oben wohnt die Ordnung, dort ihr Haus, / Hier unten eitle Willkür und Verwirrung“. (V. 428f.) Diese Einsicht entspricht dem unheilvollen Mangel an Rationalität und Durchsichtigkeit im Stück, der nicht zuletzt an Rudolf selbst exponiert wird. Andererseits erscheint Konsequenz und Logik, wenn sie in den Säuberungsmaßnahmen des Religionsfanatikers Ferdinands – der St. Just der Gegenreformation – auftritt, als ein Schreckgespenst der Zukunft. Rudolfs Einwand Ferdinand gegenüber, dass der „vielverschlungene Knoten der Verwirrung“ nicht mit einem Streich gelöst werden kann, und sein Erschrecken über die unmenschliche Vertreibung von zwanzigtausend Protestanten „an einem Tag“, mit dem Ferdinand in der Steiermark, in Krain und Kärnten „ausgetilgt den Keim der Ketzerei“ (V. 476f.), zeigt Rudolf als den Humanisten, der sich v.a. in der Optik des Fernen, Visionären und Allgemeinen um das Ganze bemüht – mit einem Blick der Inklusion. Das Tragische besteht aber in diesem Stück darin, dass die Idee des Humanen und gesellschaftlich Guten in eine inhumane Barbarei umschlägt – wie in Dantons Tod. Rudolfs Aufopferung seines Sohns entbehrt dabei den tragischen Sinn, den das Opfer in der klassischen Tragödie der Goethezeit innehatte.3 Der Tod Don Cäsars hat mit dem ausbrechenden politischen Chaos nichts zu tun, das natürlich durch sein Opfer auch nicht gebannt wird. Im Zusammenhang des Stücks wird Don Cäsar in einem der Perspektive Rudolfs ganz entgegengesetzten Sinne zu einem Stellvertreter der vielen Menschen, die im Namen der Ordnung umgebracht werden. Wie in Dantons Tod wird der tragische Konflikt nicht durch den Tod Don Cäsars oder Rudolfs beendet, sondern eher beschleunigt bzw. mündet im Bewusstsein des historisch versierten Zuschauers in einen furchtbaren, langjährigen Krieg.

Im Vordergrund von Grillparzers komplexer dramatischer Reflexion geschichtlicher Erfahrungen im Hinblick auf eine bedrängte Gegenwart und die Alpträume der Zukunft steht aber die Auseinandersetzung mit dem Absolutismus à la Habsburg angesichts der Forderungen nach Demokratie und Bürgerrechten in der Folge der Französischen Revolution. Die allbekannte Ambivalenz Grillparzers in dieser Frage stimmt mit der offenen Struktur dieses Dramas und der polyphonen und zugleich transpersonalen Reflexion überein, vor allem aber mit der Tatsache, dass das Habsburgische System durch die extrem heterogene Figur Rudolfs sowohl von innen, durch die vielen Selbstwidersprüche, als auch von außen, durch die Forderungen von schriftlichen Verträgen zur Sicherung individueller Rechte und des kollektiven Friedens, in Frage gestellt wird. Die Indignation Rudolfs über die Forderung der böhmischen Stände nach einer verträglichen Sicherung jener „Freiheit der Meinung und der Glaubensübung“ (V. 1530), die er ihnen de facto zugebilligt hat, setzt die „Schrift“, die „toten Züge einer toten Hand“ dem „lebendig warmen Wort“ gegenüber, das „von dem Mund der Liebe fortgepflanzt, / Empfangen wird vom liebedurst’gen Ohr“ (V. 1653ff.). Dass die Böhmen aber von Rudolf auf diese Weise „der Neigung Pfänder“ fordern, wird angesichts der Entwicklung der Ereignisse nur allzu verständlich. Der Jurist Grillparzer zeigt sich hier, wenn nicht als ideologischer Bannerträger ihrer Forderungen, dann doch indirekt als ihr Anwalt, indem er das „erweislose“ ‚Gesetz‘ Rudolfs, das sich der Logik und der Überprüfung durch eine Erwägung von Sachverhalten entzieht, eine Art Selbstmord begehen lässt. Die duldsame Vaterliebe des Kaisers, die jeden Augenblick in ihr Gegenteil umschlagen kann, erweist sich als Alternative zum positiven Recht ungeeignet. „Zieht nicht vor das Gericht die heilgen Bande“ lautete die Warnung Rudolfs (V. 1617) – eben das tut das Drama aber, indem es die allzu menschlichen Schwächen analysiert, die die Rollen in der Familie und im politischen Feld durcheinanderbringen. Rudolfs privater, jeder rechtlichen Begründung entbehrender Racheakt an seinem illegitimen Sohn – seinem supplementären Stellvertreter – dient dabei dazu, den ‚Selbstmord‘ der Theorien Rudolfs durch seine Inversion in einen rachsüchtigen Barbaren anschaulich vorzuführen.

Im 3. Akt hatte Rudolf seine Theorie einer humanen Ordnung mit dem Bild der Familie vorgeführt, die im Gegensatz zu Ferdinands Idee der Reinheit des Glaubens und des Staates auf Liebe baut, die aber mit Ambivalenz einhergeht:

Du ehrst den Vater – aber er ist hart;

Du liebst die Mutter – die beschränkt und schwach,

Der Bruder ist der nächste dir der Menschen,

Wie sehr entfernt in Worten und in Tat;

Und wenn das Herz dich zu dem Weibe zieht,

So fragst du nicht ob sie der Frauen Beste,

Das Mal auf ihrem Hals wird dir zum Reiz,

Ein Fehler ihrer Zunge scheint Musik,

Und das: ich weiß nicht was, das dich entzückt,

Ist ein: ich weiß nicht was für alle andern;

Du liebst, du hoffst, du glaubst. Ist doch der Glaube

Nur das Gefühl der Eintracht mit dir selbst,

Das Zeugnis, daß du Mensch nach beiden Seiten:

Als einzeln schwach, und stark als Teil des All.

Daß deine Väter glaubten, was du selbst,

Und deine Kinder künftig treten gleiche Pfade

Das ist die Brücke, die aus Menschenherzen

Den unerforschten Abgrund überbaut,

Von dem kein Senkblei noch erforscht die Tiefe.

O Prüfe nicht die Stützen, beßre nicht!

Dein Menschenwerk zerstört den geistgen Halt

Und deine Enkel lachen einst der Trümmer

In denen deine Weisheit modernd liegt. (V. 1621ff.)

Isoliert betrachtet klingt dies wie eine konservative Utopie des friedlichen Zusammenlebens im heterogenen Vielvölkerreich der Habsburger Monarchie, in der Zusammengehörigkeit, Liebe und Respekt durch nichts Bestimmtes legitimiert und daher nicht theoretisierbar sind, in dem es aber zugleich Raum für entgegengesetzte Gefühle und Eigenschaften gibt. In seinen Monologen ist diese gekoppelt mit einer Theorie des Rechts, mit erkenntnistheoretischen und metaphysischen Aspekten, kurz: sie gehen aufs Ganze. Don Cäsar ist der einzige, der gedanklich einen vergleichbaren Anspruch und ähnliche Spannweite aufweist – schon die Länge und die poetischen Qualitäten seines Monologes Lukrezia gegenüber (V. 1882ff.) machen ihn mit denen Rudolfs vergleichbar. Bei genauerem Hinsehen sind aber alle Elemente seiner Rede in Relation zu Rudolf zu verstehen, als Parallelität, Gegensatz oder Konsequenz. Im Gegensatz zu Rudolfs göttlicher Ganzheitsperspektive, aus der scheinbar die Perspektive des Ichs verschwunden ist, ist der Monolog Don Cäsars der Versuch, die Situation aus der Perspektive des suchenden, verzweifelten Ichs darzustellen:

Was ist es auch: ein Weib? Halb Spiel, halb Tücke,

Ein Etwas, das ein Etwas und ein Nichts,

Je demnach ich mirs denke, ich, nur ich.

Und Recht und Unrecht, Wesen, Wirklichkeit,

Das ganze Spiel der buntbewegten Welt,

Liegt eingehüllt in des Gehirnes Räumen,

Das sie erzeugt und aufhebt, wie es will.

Ich plagte mich mit wirren Glaubenszweifeln,

Ich pochte forschend an des Fremden Tür,

Gelesen hab ich und gehört, verglichen,

Und fand sie beide haltlos, beide leer.

Vertilgt die Bilder solchen Schattenspiels,

Blieb nur das Licht zurück, des Gauklers Lampe,

Das sie als Wesen an die Wände malt,

Als einzge Leidenschaft der Wunsch: zu wissen. (V. 1900ff.)

In der Metaphorik von Licht und Dunkelheit wird deutlich, dass das Problem der Liebe auf alle Seinsbereiche ausgedehnt worden ist und somit Identität, Recht, Wahrheit und Erkenntnis umfasst – wie in den Monologen Rudolfs. Während aber für Rudolf im Dunklen die Sterne aufleuchten als Zeichen jener Ordnung, von der die Menschen abgefallen sind, ist Wissen und Glaube für Don Cäsar nicht mehr erreichbar, sondern löst sich im Nichts auf. Das Licht rührt in seinen Bildern vom Bewusstsein, von der Lebensenergie und Leidenschaft des Menschen her, die er nunmehr als „den letzten Schimmer dieses Daseins“ erfährt, der „noch ins Dunkel strahlt, das Leben heißt“ (V. 1887f.) – „Der Schatten nur des Wesens, das ich war.“ (V. 1886). Durch die Anspielung auf Platons Höhlengleichnis reflektieren diese Bilder, dass Don Cäsar auf seiner Suche nach dem Licht nicht zur Idee des Guten vorgedrungen ist, wie Rudolf es sich einbildet, sondern desillusioniert in die Schattenhöhle der menschlichen Existenz zurückgekehrt ist, wo er nun von den anderen als störend aufgefasst wird. Wie sich die Gefangenen in Dantons Tod vor dem Sterben angesichts der leeren Transzendenz das Lachen der Götter vorstellen, sieht Don Cäsar, oft genug selbst als Teufel an die Wand gemalt, nun noch „des Gauklers Lampe / Das sie [die Bilder] als Wesen an die Wände malt“.

Wem Gott zum Gaukler wird, erscheint die Welt als kontingent, wenn nicht absurd. Als das Stück voranschreitet, wird aber der Kontrast zwischen der erhabenen Pose Rudolfs und seiner Ohnmacht und willkürlichen Handlungen auch für den Zuschauer zum Problem, wie der arme Spielmann Jakob, der wie eine Kippfigur zugleich erhaben und lächerlich erscheint – denn wie soll man aus diesem Sowohl-als-auch einen Sinn bilden, an dem man sich erbauen könnte oder eine erhebende Katharsis durchleben? Rudolf als Kippfigur, die man mit der Selbstcharakteristik Don Cäsars als „Ein Zerrbild zwischen Niedrigkeit und Größe“ (V. 1893) beschreiben könnte, nähert sich eher dem Eindruck des Grotesken: Zu krass ist bei Rudolf der Unterschied zwischen Theorie und Praxis, zwischen der hellen und der dunklen Seite, als dass sein Fall im 4. Akt als tragisch gelten könnte.

Hinzu kommt, dass Rudolf kaum mehr als eine selbständige Figur zu betrachten ist, sondern in Don Cäsar seine Schattenseite besitzt. Zeigte sich dieser am Anfang des 4. Aktes in der Lukrezia-Szene als ein Gefangener des Nihilismus, ist er wenig später ein Gefangener seines Vaters, was sowohl konkret als auch symbolisch zu verstehen ist. In dieser Szene (V. 2225ff.) bleibt er im Verborgenen unsichtbar, während sein Schicksal im Gespräch zwischen Julius und Rudolf entschieden wird. Don Cäsars Funktion als supplementärer Stellvertreter entsprechend, stirbt er in einer zweideutigen Weise, die zugleich als Mord und Selbstmord gesehen werden kann. Denn dieser stirbt einerseits, weil er den Verband der Ärzte, die ihm seine Ader zur Heilung seines Wahnsinns geöffnet hatten, eigenhändig abreißt, einen Richter fordernd, andererseits, weil Rudolf ihm – als Richtspruch – einen Arzt verweigert, und dabei den Quasiselbstmord in einen Quasimord verkehrt. Rudolf, nun in der Tat selbst in Haft, ist wieder zu dem im 1. Akt vorgeführten Zustand von Wortkargheit, gepaart mit psychischer Labilität und starken Affekten zurückgekehrt und spielt nun zugleich den Arzt, der wie Ferdinand durch Töten heilen will, und den Richter, während sein Freund Julius zugleich als Übersetzer seiner Gedanken und als Anwalt Don Cäsars auftritt. Der Ruf des verzweifelten und lebensmüden Don Cäsars „nach einem Richter, um Gericht“ (V. 2171) ist Ausdruck seines Wunsches nach einer Art Objektivierung und verbindlicher Anerkennung, was ihn mit dem politischen Strang der Handlung verbindet, wo die böhmischen Stände und Bischof Klesel auf schriftlichen Verträgen bestehen. Vergebens plädiert Julius für das objektivierbare, weltliche Recht Don Cäsars:

Von einem Augenblick hängt ab sein Leben,

Und nicht sein Leben nur, sein Ruf, sein Wert.

[…]

Daß nicht wie ein verzehrend, reißend Tier,

Daß wie ein Mensch er aus dem Leben scheide,

Wenn nicht gereinigt, doch entschuldigt mindstens.

Ihm werde Spruch und Recht. (V. 2178ff.)

Indem aber Rudolf den Schlüssel zum Turm Don Cäsars in den Brunnen wirft, bevor ihm dies gewährt werden kann, stürzt auch Rudolf und sein großes Theoriegebäude in die Tiefe und zerstört jene „Brücke, die aus Menschenherzen / Den unerforschten Abgrund überbaut, / Von dem kein Senkblei noch erforscht die Tiefe.“ (V. 1637ff.). Die Raumgestaltung verdeutlicht, wie Rudolfs Urteil schließlich ihn selbst im Kern trifft und die ‚heil’gen Bande‘ zwischen Menschen zerreißt, die in seiner eigenen Theorie die Menschheit vor der Zerstörung von Innen, vor dem kollektiven Selbstmord schützt. Auch durch die Parallelität mit den leidenden Tieren im Käfig, die nur von Rudolf gefüttert werden wollen4, wird auf subtile Weise der Rechtsbegriff Rudolfs kommentiert, mit dem er im 3. Akt (V. 1257ff.) zugleich den Menschen ex negativo bestimmt hatte. Denn das einzige Recht, das er Don Cäsar zugesteht, ist das Recht zu hungern und zu leiden, und indem er ihn wie „verzehrend, reißend Tier“ sterben lässt, dementiert er auch seine eigene Menschlichkeit. Damit zeigt er auch das Problematische an seiner Doppelrolle auf, denn entgegen seinem Motto „Nicht ich, nur Gott“ demonstriert diese Szene den Kurzschluss zwischen der Rolle und dem allzu menschlichen Rolleninhaber, deutlich in der Geste des Hinabwerfens: „Er ist gerichtet / Von mir, von seinem Kaiser, seinem – (mit zitternder, von Weinen erstickter Stimme) Herrn!“ (V. 2186f.)

Grotesk ist diese Szene durch die dem Leser zugemuteten Kontraste, die nur noch Unbehagen und eine besondere Art von Grauen erwecken können. Hatte Rudolf vorhin gewarnt, dass jeder Versuch, die gottgegebene Ordnung durch „Menschenwerk“ zu bessern in Zukunft ausgelacht werden würde („Und deine Enkel lachen einst der Trümmer / In denen deine Weisheit modernd liegt“), gibt es beim Zusammenbruch der Weisheit Rudolfs nichts zu lachen, im Gegenteil – das Unpassende, Sinnlose verstärkt nur das Tragische an der Veranlagung des Menschen, der das Böse übt, wenn er auch das Gute will, und dessen Abgründe offenbar unermesslich sind.

Franz Grillparzer

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