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4.Wenn Busse fliegen
ОглавлениеPeitschende Orkanwinde mit über 300 Kilometern pro Stunde, abhebende Dachstühle, durch die Luft geschleuderte Autos und Busse und am Ende fünf dem Erdboden gleichgemachte Dörfer mit 6 Toten und über 200 Verletzten – einen derart zerstörerischen Tornado wie in Tschechien an der Grenze zum niederösterreichischen Waldviertel vergangenen Juni gab es das letzte Mal in unseren Breiten vor über 100 Jahren in Wiener Neustadt mitten im Ersten Weltkrieg: 1916 fegte ein F4-Tornado über den Norden von Wiener Neustadt und zog eine Schneise der Verwüstung von gut 20 Kilometern Länge. Dabei zerstörte er unter anderem eine Lokomotivfabrik und soll dabei tonnenschwere Lokomotiven versetzt haben. 34 Tote und 328 Verletzte waren am Ende zu beklagen. Damals ein absolut singuläres Ereignis, das seinesgleichen in Österreich suchte. Die im Volksmund früher als „Windhosen“ bezeichneten Aufwindschläuche von „Superzellen“ (das sind große rotierende Gewitterzellen) sind für Europa durchaus nichts Neues. Speziell über Wasserflächen kommen sie Jahr für Jahr vor. Allerdings sind das normalerweise sehr viel kleinere und harmlosere Ausführungen von Tornados. Orkanschläuche der Stärke F4 waren in Mitteleuropa immer die absolute Ausnahme und entsprechend selten. Und genau deswegen macht der Tornado in Tschechien, an der Grenze zu Niederösterreich, stutzig. Eine der wesentlichen Zutaten für einen Tornado ist warme, feuchte Luft. Die Energie, die bei der Kondensation des Wasserdampfes zu Wolken und Regen frei wird, ist der Treibstoff der Gewitterzelle. Je wärmer die Luft, umso mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Und je mehr Feuchtigkeit die Luft trägt, desto mehr zerstörerische Energie kann frei werden. In der berühmten Tornado Alley des Mittleren Westens der USA sind die Bedingungen für schwere F4-Tornados jedes Jahr gegeben. Wenn feuchtschwüle Luft aus dem Golf von Mexiko auf kalte Luft aus dem Norden trifft, ist die Mischung explosiv. Mit circa 100 Tornadototen ist dort Jahr für Jahr zu rechnen. Kommt das in Zukunft bei uns auch öfter vor? Weil die Luft mit dem Klimawandel wärmer ist und mehr Wasserdampf aufnehmen kann? Keine Sorge: Einem „effektiven“ Aufeinandertreffen von feuchter und kalter Luft stehen bei uns in Mitteleuropa – im Gegensatz zu den freien Ebenen der Great Plains – die Alpen im Weg. So schlimm wie in Kansas oder Oklahoma wird es nicht werden, aber die Luft ist mit dem Klimawandel auch bei uns energiegeladener. Damit muss es nicht immer gleich ein Tornado wie in Tschechien sein, aber die Gewitter werden heftiger ausfallen – so viel steht fest. Der Tornado in Tschechien war aber nicht das Bedenklichste des vergangenen Sommers: Die auf der Nordhalbkugel wie störrische Esel stehenden Hoch- und Tiefdruckgebiete waren es, die die Klimatologinnen und Klimatologen ganz besonders an den Klimawandel erinnerten.