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Vorwort zur Sonderausgabe
ОглавлениеDie vorliegende Biographie erschien ursprünglich in der Reihe „Gestalten der Antike“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Das Anliegen dieser Reihe ist es, herausragende Männer und Frauen näher vorzustellen, die das politische und kulturelle Leben ihrer Zeit bestimmt und geprägt haben.
Der Leser einer Biographie kann erwarten, dass er umfassend darüber informiert wird, unter welchen Bedingungen die zu behandelnde Person lebte, wie sie mit diesen Bedingungen umging, wie sie zu dem geworden ist, was sie schließlich war, was sie in ihrem Innersten bewegte und wie ihre historischen Leistungen zu bewerten sind. So berechtigt solche Erwartungen auch sind, so lassen sie sich nicht immer ausreichend und zufriedenstellend erfüllen. Gerade für die Antike stellt sich allzu oft das Problem, dass wir aufgrund einer unzureichenden Quellenlage nur wenig über die Taten und Lebensbereiche einer bedeutenden Persönlichkeit wissen. Das gilt auch für die Spätantike, obwohl für diese Epoche eindeutig mehr Quellenmaterial zur Verfügung steht als beispielsweise für die römische Frühzeit. Das Leben und Wirken vieler spätantiker Herrscher lässt sich daher abgesehen von bedeutenden politischen und militärischen Ereignissen schwer umfassend beurteilen. Für die Germanenkönige, die wir letztlich nur aus der römischen Überlieferung kennen, trifft dies in besonderem Maße zu. Eine Ausnahme bildet der Ostgote Theoderich, der von 453 bis 526 lebte und später mit dem Beinamen der Große geehrt wurde. Zwar liegt vieles über seine Herkunft und seine wechselvollen Kämpfe auf dem Balkan im Dunkeln, seine Herrschaft über Italien, die 493 begann und dreiunddreißig Jahre währte, lässt sich dagegen anhand unterschiedlicher Quellen relativ genau rekonstruieren.
Die vorliegenden Zeugnisse sind hinsichtlich der Intention und der Einstellung ihrer Verfasser sehr unterschiedlich. Abgesehen von kurzen Erwähnungen in den Chroniken begegnet Theoderich in den Werken der griechischen Historiker Malchus von Philadelphia und Prokop von Kaisareia, welche die Ereignisse aus oströmischer Sicht schildern. Der zweite Teil der Excerpta Valesiana, der von einem nicht namentlich bekannten Italiker verfasst wurde, besitzt fast schon biographischen Charakter. In ihm werden in chronologischer Reihenfolge Theoderichs Taten von 473 bis zu seinem Tod 526 abgehandelt; zunächst positiv gegenüber Theoderich eingestellt, schlägt dieser Tenor am Ende des Werkes um. Eine wichtige Rolle spielt Theoderich ferner in der Darstellung des romanisierten Goten Jordanes. Zudem rühmte der Diakon und spätere Bischof von Pavia Ennodius in einem Panegyricus die Taten des Königs.
Neben diesen Texten sind noch Zeugnisse überliefert, die auf den ersten Blick direkt von Theoderich zu stammen scheinen. Es handelt sich zum einen um Schreiben des Gotenkönigs an den römischen Kaiser, an germanische Herrscher und an hohe Würdenträger sowie unterschiedliche Personengruppen seines Reiches, zum anderen um Briefe an die Bischofssynode in Rom. Die erste Gruppe publizierte im Jahre 537 der römische Senator und Hofbeamte Flavius Magnus Aurelius Cassiodor (485–580) zusammen mit Schreiben von Theoderichs Nachfolgern unter dem Titel „Variae“. Alle Texte sind im Stil der spätantiken Kanzleien abgefasst. Es ist daher davon auszugehen, dass Theoderich die Briefe zwar nicht persönlich formulierte, sie aber im Grundtenor seine eigenen Ansichten wiedergeben. Dagegen liegen keine persönlichen Zeugnisse vor, die über sein Denken und Fühlen, seine Ängste und Befürchtungen, seine Wünsche und Pläne Auskunft geben. Vieles lässt sich nur aus dem Kontext erschließen.
Nicht zuletzt wegen seiner historischen Bedeutung hat sich die Forschung immer wieder eingehend mit Theoderich befasst. Sie war vor allem an seiner besonderen Herrschaftsform interessiert, die sowohl germanische als auch römische Elemente in sich barg. Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind daher mehrere Monographien zu Theoderich und seiner Königsherrschaft erschienen. Nach mehreren Voruntersuchungen und langjährigen Forschungen hat vor allem Ensslin 1947 eine umfassende Biographie über Theoderich vorgelegt, die gleichzeitig ein Bild der damaligen Verhältnisse im Römischen Reich zu zeichnen versucht und bis heute die Grundlage für weitere Forschungen bildet; sie stieß auf so große Resonanz, dass sie 1959 eine zweite Auflage erfuhr. Beinahe gleichzeitig publizierte Lamma 1950 eine knappe, übersichtliche Studie über den Gotenkönig.
Danach ließ das Interesse an Theoderich insbesondere in Deutschland nach. Es erwachte aber vor allem in England und Italien in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder, als sich mehrere Historiker näher mit der Migration der Goten und deren Integration in das Römische Reich auseinander setzten. Zu nennen sind hier in erster Linie die Arbeiten von Burns, Heather und Moorhead.
Letzterer verfasste eine ausführliche Studie zu Theoderichs Herrschaft über Italien. Italienische Historiker haben zwei größere Aufsatzsammlungen herausgegeben, von denen eine erschien aus Anlass der Machtübernahme Theoderichs in Italien vor 1500 Jahren. Diese Arbeiten haben wie viele andere Studien zur Spätantike sein Bild in einigen wichtigen Punkten revidiert, sodass eine neue Darstellung des Lebens dieses bedeutendsten Goten lohnenswert erscheint.
Das Interesse an der Völkerwanderungszeit hat wohl wegen seiner aktuellen Bezüge zu Migrationsbewegungen unserer Zeit in den letzten Jahren nicht nachgelassen, sondern eher zugenommen. So sind, wie dem erweiterten Literaturverzeichnis zu entnehmen ist, nach der Publikation dieses Buches weitere Arbeiten über Theoderich den Großen erschienen. Zu nennen sind hier vor allem die von Goltz verfasste akribische und grundlegende Studie über die Darstellung Theoderichs in den spätantiken und frühmittelalterlichen Quellen und somit über die Rezeption seiner Herrscherpersönlichkeit sowie Vitiellos detaillierte Untersuchungen zur ostgotischen Herrschaft.
Freundliche Hinweise und Anregungen zu dieser Biographie haben Herr Professor R. M. Errington (Marburg) und Herr Privatdozent Dr. E. Pack (Köln) gegeben. Ihnen habe ich ebenso zu danken wie Herrn Dr. H. Baulig von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft für seine Bereitschaft zur erneuten Publikation und seinen fachkundigen Rat.
Oberursel, im Oktober 2011 | Frank M. Ausbüttel |