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Differenz
ОглавлениеD. (von lat. differt, für ‚Unterschied‘, frz. différer, für ‚verschieden sein, unterscheiden, trennen, auseinandertreiben, zerstreuen, aufschieben, verschieben‘) wird 1968 von Jacques Derrida (1930–2004) in seinem Vortrag La différance mit einer Sinnverschiebung verwendet: Stumm (↗ Ruhe) klafft ein Spalt zwischen ‚a‘ in Derridas (1999) Schreibweise und ‚e‘ in der eigentlichen Schreibweise différence. Derrida deutet damit Ferdinand de Saussures (1857–1913) Behauptung einer semiologischen D. als Spiel der différance. ↗ Sinn entstehe aus der D. der Zeichen (↗ Syntax), nie durch den Bezug zum abwesenden (↗ Anwesenheit) Gemeinten (↗ Semantik), von dem nur eine ↗ Spur bleibe, sodass seine Wiederaneignung stets aufgeschoben sein wird. Die Abspaltung ist eine Verzeitlichung und ↗ Verräumlichung, ein Raumwerden (↗ Werden) der ↗ Zeit und Zeitwerden des ↗ Raums. Anders gesagt spaltet der Spalt im Schaffen von Präsenz seine Präsenz ab, treibt die Bedeutungen (↗ Semiotik) auseinander, zerstreut den Sinn (↗ Verstreuung). Als Urschrift (↗ Schrift) ziehe er im Entzug eine Urspur als Spur der Spur des Abwesens durch die Textur (↗ Text) des Seins. Derrida bemängelt dabei, dass Martin Heidegger (1889–1976) in der von diesem so g. ‚ontologischen D.‘ das Sein als ein Erstes (↗ Grund) setzt. Die différance sei als D. der D. hingegen ursprungslos älter: Sie trage und säume (↗ Saum) ohne Sinn jeden Sinn. In Heideggers (1957) ↗ Seinstopologie ereignet (↗ Ereignis) sich die D. der D. als umfassend-vorgreifend einmaliger Ursprung (↗ Sprung), Kluft, ↗ Chaos, Unter-Schied. Als stets wiederholte D. zwischen dem ↗ Nichts des Seyn und dem Sein des Seienden reißt das Seinsgefüge als ↗ Riss auseinander, zerklüftet und bricht die Zusammenhangsstruktur (↗ Struktur) des Seyns im Sinne einer Nichtstandardtopologie (↗ Topologie). Zugleich reißt die D. zusammen, ist umreißend und ermöglicht die Emergenz raumzeitlicher Strukturen, ↗ Orte des Seins aus einem dynamischen und metriklosen, unzusammenhängenden Vorzustand (↗ Prägeometrie). Für Heidegger (1985, 246 u. 256) ist D. daher im höchsten Fall ↗ Dimension oder universale Dimensionalität als „Ortschaft aller Orte und Zeit-Spiel-Räume (↗ Räume)“ und „Verhältnis aller Verhältnisse (↗ Relation)“. Nach Niklas Luhmann (1927–1998) ist D. das Ergebnis der ↗ Operation, durch die sich ein System seine ↗ Umwelt erzeugend abgrenzt (↗ Grenze). Dies erfolgt durch den Wiedereintritt (engl. re-entry) des Beobachtungsschemas (↗ Schema) als Kopieren der D. in das System. Die Einheit von Selbstd. als ↗ Innen und Fremdd. (↗ Fremde) als ↗ Außen ist nach Luhmann (1984) die D. von Identität und D.
Literatur: Nunold 2004; Quadflieg 2007.
Derrida, Jacques (21999): Die différence, in: ders.: Randgänge der Philosophie, Wien, 31–56 [frz. 1968].
Heidegger, Martin (1957): Identität und Differenz, Pfullingen.
Ders. (1985): Der Weg zur Sprache, in: ders.: Unterwegs zur Sprache, Frankfurt a. M., 227–257 [1959].
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme, Frankfurt a. M.
Nunold, Beatrice (2004): Freiheit und Verhängnis, München.
Quadflieg, Dirk (2007): Differenz und Raum, Bielefeld.
Beatrice Nunold