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Dispositiv
ОглавлениеDas D., wie es von Michel Foucault (1926–84) und Gilles Deleuze (1925–1995) innerhalb einer Genealogie der ↗ Wahrheit gedacht wird, beschreibt die automatische Verschaltung (↗ Schalter) von Subjektivierungsprozessen und Wahrheitsfunktionen durch ↗ Prozesse der Ein- und Ausschließung (↗ Ausschluss) innerhalb des Gesellschaftskörpers. Nach Foucault (1977, 131) handelt es sich bei D.en wie z.B. dem der Sexualität (↗ Geschlecht) nicht um anthropologische (↗ Mensch) Konstanten, sondern um geschichtlich wandelbare ↗ Strukturen, innerhalb derer verschiedene ↗ Strategien des ↗ Wissens und der ↗ Macht, wie z.B. Familie und Psychoanalyse, das Juristische und das Ökonomische (↗ Kapital), „verhäkelt“ werden, sodass D.e als Netzwerk (↗ Netz) zu verstehen sind: D.e erscheinen materiell in Form von Techniken, Architekturen, Institutionen und wissenschaftlichen Disziplinen, die wiederum über bestimmte Raumzeitstrukturen (↗ Raumzeit) handelnde Subjekte und wissenschaftliche Objekte überhaupt erst hervorbringen. Jean-Louis Baudry (2003) verwendet den Begriff 1975 erstmals zur Beschreibung des Funktionszusammenhanges zwischen kinematographischem und psychischem Apparat (↗ Apparatus). Auch bei Foucault und Deleuze (1987, 52f. u. 1991, 153f.) ist das D. an die Begriffe Apparat (frz. le dispositif), ↗ Diagramm und Maschine gekoppelt, wird allerdings auf andere ↗ Räume ausgedehnt. Giorgio Agamben (2008) erinnert im Anschluss an Foucault an den heideggerschen Bezug des D.s, indem er das lat. dispositio mit dem dt. Wort ‚stellen‘ übersetzt und damit D. und ↗ Gestell zusammenführt; allerdings geschieht dies bei Agamben im Hinblick auf die Theologie und unter ausdrücklicher Abgrenzung gegenüber den ‚Geräten‘. Innerhalb der Medien- und Kulturwissenschaften wird durch Friedrich Kittler (1943–2011) im Anschluss an Foucault mit dem D. ausdrücklich nach den materiellen (↗ Materie) Bedingungen von Wissen gefragt, das vielleicht im ↗ Archiv und seinen Lücken, aber auch im Inneren von Maschinen steckt (Kittler 1999).
Literatur: Bührmann/Schneider 2008; Foucault 1978.
Agamben, Giorgio (2008): Was ist ein Dispositiv?, Berlin [ital. 2007].
Baudry, Jean-Louis (2003): Das Dispositiv, in: Der kinematographische Apparat, hg. v. R. Riesinger, Münster, 41–62 [frz. 1975].
Bührmann, Andrea D./Schneider, Werner (2008): Vom Diskurs zum Dispositiv, Bielefeld.
Deleuze, Gilles (1987): Ein neuer Kartograph, in: ders.: Foucault, Frankfurt a. M., 37–64 [frz. 1975].
Ders. (1991): Was ist ein Dispositiv?, in: Spiele der Wahrheit, hg. v. F. Ewald u. B. Waldenfels, Frankfurt a. M., 153–162 [frz. 1988].
Foucault, Michel (1977): Der Wille zum Wissen, Frankfurt a. M. [frz. 1976].
Ders. (1978): Dispositive der Macht, Berlin.
Kittler, Friedrich (1999): Zum Geleit, in: Michel Foucault: Botschaften der Macht, Berlin, 7–9.
Christina Vagt