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1 „Mosaische“ Bücher

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Das Verschriften von Texten ist ein in der Tora mehrfach wiederkehrendes Motiv, wobei JHWH und Mose als „Schriftsteller“ auftreten (→ Schreiben, göttliches). Gott selbst beschriftet die Tafeln vom Sinai mit den Zehn Worten (Ex 31,18 → Gesetz), Mose hingegen ist für die Verschriftung verschiedener Gesetzeskorpora, nämlich des „Bundesbuchs“ Ex 20,22–23,33 (vgl. Ex 24,7), des sog. „Privilegrechts“ Ex 34,10–26 (vgl. Ex 34,27–28) und des Deuteronomiums (vgl. Dtn 31,9–13), zuständig. Darüber hinaus schreibt Mose einen Bericht über die Schlacht gegen die Amalekiter (Ex 17,14) und ein Verzeichnis der Lagerorte Israels während der Wüstenwanderung (Num 33,2). Von diesen Texten, für die die Tora eine mosaische Verfasserschaft reklamiert, wird von dreien ausdrücklich betont, dass sie auf eine Buchrolle geschrieben werden: der Bericht über die Amalekiterschlacht (Ex 17,14), das „Bundesbuch“ (Ex 24,7) und das Deuteronomium (Dtn 31,9–13.24–26). Das Situationsmotiv „Herstellen eines Buches“ ist dabei jeweils mit einer Reflexion über die Funktion und den Gebrauch des jeweiligen Buches verbunden.

Das erste Buch, das Mose der Tora zufolge verfasst, entsteht nach dem erfolgreich abgewehrten Überfall der Amalekiter (Ex 17,8–13). Mose schreibt auf den Befehl JHWHs hin, „dieses“ (Ex 17,14) – d.h. die zuvor erzählten Begebenheiten rund um die Rettung Israels und den Sieg über Amalek – auf, um die Erinnerung daran auf Dauer zu bewahren. Damit verbunden ist der Appell, Josua „in die Ohren zu legen“, also mündlich einzuschärfen, dass JHWH die Erinnerung an Amalek auslöschen will. Zu bewahrende und auszulöschende Erinnerung stehen einander somit gegenüber, wobei die Buchrolle dezidiert als Medium der ersteren profiliert wird.

Die schriftliche Niederlegung des „Bundesbuchs“ (Ex 20,22–23,33) als Buchrolle ist eingebunden in die Zeremonie des Bundesschlusses (Ex 24,3–8) und setzt zugleich die Besonderheit der Funktion des Mose als Offenbarungsmittler (vgl. Ex 20,19–21) voraus. So trägt Mose nach seiner Rückkehr von der Begegnung mit JHWH dem Volk zunächst „alle Worte und Rechtsvorschriften“ (Ex 24,3) vor, die JHWH ihm (allein) mitgeteilt hat (Ex 20,22–23; 21,1), und kommt so seinem Auftrag nach, dem Volk weiterzugeben, was er selbst von JHWH gehört hat. Nachdem Israel sich bereiterklärt hat, die übermittelten Weisungen JHWHs zu befolgen, schreibt Mose die Worte nieder (Ex 24,4), um sie im Zuge der am nächsten Tag stattfindenden Zeremonie des Bundesschlusses nochmals – nun als geschriebenen Text – zu verlesen und so als gültiges Gesetz zu proklamieren (Ex 24,7). Dadurch, dass Israel sich auf die Einhaltung dessen, was Mose in Buchform niedergeschrieben und durch Verlesung öffentlich proklamiert hat, verpflichtet, wird die Buchrolle zum Grundlagendokument des Sinaibundes.

Neben diese „Buchrolle des Bundes“ (vgl. Ex 24,7) tritt in Dtn 31,9 ein weiteres Buch, das mit „diese Tora“ (hattôrāh hassoʾṯ Dtn 31,9) beschrieben wird. „Diese Tora“ sind dabei wohl die Reden des Mose in den Steppen von Moab (Dtn 1,6–30,20; vgl. Dtn 1,1–5; 4,44–49), in denen er vor der zweiten Generation nach dem Exodus die Sinai-Tora neu auslegt. So tritt neben die Buchrolle mit den Worten Gottes (Ex 24) eine weitere Buchrolle mit der mosaischen Auslegung der Sinai-Tora. Dieses in Dtn 31 neu entstehende Buch wird in Dtn 31,9 (mit Blick auf seinen Inhalt) als tôrāh „Weisung“ (oft auch „Gesetz“), in Dtn 31,24 aber (mit Blick auf das schrifttragende Medium) als seær „Buchrolle“ bezeichnet, die die Worte der Tora in ihrer Vollständigkeit enthalte. In der abschließenden Gesamtschau hingegen spricht der Text – beide Aspekte zusammenfassend – von einem seær hattôrāh „Buch des Gesetzes“ (Dtn 31,26). Die Funktion dieses Schriftstücks wird in Dtn 31,10–13 deutlich. Hier weist Mose die Ältesten und die levitischen Priester an, die Buchrolle alle sieben Jahre vor dem ganzen Volk zu verlesen und dabei je neu auszulegen (vgl. Dtn 31,10–13). Auf diese Weise, d.h. durch das öffentliche Vorlesen und erneute Auslegen, wird die einmalige Redesituation der Gesetzesverkündigung des Mose in den Steppen von Moab, die in Dtn geschildert ist, wiederholbar. Das schriftlich fixierte und so immer wieder (ver-)lesbare Torabuch „ersetzt“ Mose als Mittler und Ausleger der offenbarten Weisung und ermöglicht eine Reinszenierung der mosaischen Verkündigung(stätigkeit) auch nach dem Tod des Mose.

Rekurse auf „das Buch des Mose“ finden sich schließlich auch in den an die Tora anschließenden Kanonteilen mit einem deutlichen Schwerpunkt in den Büchern der Geschichte. Dabei wird in den jeweiligen Texten die durch Mose vermittelte Weisung JHWHs ganz selbstverständlich als eine autoritative, normative und Identität stiftende (mithin „kanonische“) Größe vorausgesetzt, die nach dem Tod des Mose allein über die Bücher (bzw. „das“ Buch) des Mose zugänglich ist. Erkennbar wird das vor allem an den (durchaus zahlreichen) Stellen, an denen (lobend und anerkennend) konstatiert wird, dass ein beschriebenes Handeln dem entspricht, was im „Buch der Tora des Mose“ geschrieben ist (vgl. z.B. Jos 8,31; 2 Kön 14,6; 2 Chr 25,4; Esr 6,18; vgl. auch 1 Kön 2,3; 1 Chr 16,40; 2 Chr 23,18; 25,16; 31,3; Esr 3,2; Neh 8,14; 10,35.37; Dan 9,11). Das Handeln nach den Weisungen des Mose aber setzt das Studium des Buches voraus, wie exemplarisch in der Beauftragung des Josua (Jos 1,1–9) deutlich wird. Josua erhält nach dem Tod des Mose den Befehl, das Land in Besitz zu nehmen und an die Stämme zu verteilen (Jos 1,2–6). Damit verbunden ist der Auftrag, die Weisung des Mose zu bewahren und ihr gemäß zu handeln (Jos 1,7). In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich das „Torabuch des Mose“ – gemeint ist offensichtlich die in Dtn 31 hergestellte Schriftrolle – angesprochen (Jos 1,8) und als ein Text hervorgehoben, der studiert und kontempliert werden soll. Von besonderer Bedeutung dabei ist, dass selbst Josua, der immerhin noch Augen- und Ohrenzeuge der Verkündigung des Mose ist, nach dessen Tod ausdrücklich auf das Studium des Buches verwiesen wird, das allein die mosaische Verkündigung auf Dauer bewahrt. In seiner Abschiedsrede (Jos 23) legt Josua dem gesamten Volk die Lektüre des „ Torabuches des Mose“ (vgl. Jos 23,6) ans Herz und gibt damit den in Jos 1,8 ausschließlich an ihn selbst ergangenen Auftrag an ganz Israel weiter.

Ihre weitere Entfaltung erfährt diese Sinnlinie vor allem in den Psalmen (vgl. Ps 1; 40,7–11; 119), wenngleich sie für den kanonischen Leser bereits vor Jos 1,1–9 – also noch innerhalb der Tora – einsetzt. So verpflichtet das Königsgesetz des Deuteronomiums (Dtn 17,14–20) den König dazu, beständig die Tora zu studieren und ihre Weisungen zur Leitlinie seiner Amtsführung zu machen (Dtn 17,19). Zu diesem Zweck soll er sich eine „private“ Abschrift des „Torabuches“ anfertigen lassen, die er stets mit sich führen soll.

Neben das Studium und die Meditation des Torabuches tritt dessen liturgischer Gebrauch. Seine Grundlegung erfolgt in der Anweisung von Dtn 31,9–13. Ihr zufolge ist das Buch des Mose in regelmäßigen Abständen öffentlich zu verlesen und auszulegen. Erstmals und paradigmatisch geschieht dies in Jos 8,30–35 (vgl. die Nennung des Torabuches in Jos 8,34). Darüber hinaus aber finden sich im AT noch zwei weitere Begebenheiten, bei denen „die Tora“ bzw. „das Torabuch“ öffentlich und – zumindest der Idee nach – vor ganz Israel zum Vortrag kommt. So ist in 2 Kön 22,8 davon die Rede, dass bei Instandsetzungsarbeiten am → Tempel „das Torabuch“ – für den biblischen Erzähler ist es offensichtlich kein anderes als das Buch des Mose aus Dtn 31 – (wieder?)aufgefunden wird. Nachdem die Prophetin Hulda die Echtheit des Buches bestätigt hat (2 Kön 22,14–20), verliest es der König Joschija selbst vor dem versammelten Volk (2 Kön 23,1–3).

Nach der Heimkehr aus dem Exil trägt schließlich Esra dem in Jerusalem versammelten Volk von einer eigens errichteten „Kanzel“ aus die Tora vor (vgl. Neh 8,1–18). Mit dieser Verlesung, die abschnittsweise vorgenommen wird, ist zugleich eine Auslegung und Interpretation des Gehörten durch die Leviten verbunden (Neh 8,7–8).

In allen drei Texten – Jos 8; 2 Kön 22–23 und Neh 8 – mündet die feierliche Verlesung des Buches schließlich in eine Selbstverpflichtung des Volkes auf die Einhaltung des Geschriebenen und damit in eine Erneuerung des Sinaibundes ein (vgl. 2 Kön 23,3; Neh 10,1–30). Das Torabuch des Mose hat somit auch die Funktion, über seine Verlesung das Sinaigeschehen immer neu gegenwärtig zu setzen.

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