Читать книгу Wörterbuch alttestamentlicher Motive - Группа авторов - Страница 87

1 Warum verbietet die Bibel die Bilder?

Оглавление

Ägypten und Mesopotamien sind berühmt für ihre Statuen und ihre Ikonographie. Auch in den anderen Kulturen der Region wie Phönizien, den Königreichen Syriens und dem Reich der Hethiter waren Bilder Bestandteil der Kultur. Gottheiten, Herrscher, wichtige Beamte des Hofes und Mitglieder der Priesterklassen werden oft abgebildet. In Syrien und Phönizien wird die Gottheit oft durch eines ihrer Symbole dargestellt. Der Zweck dieser Bilder ist ziemlich einfach zu verstehen. Handelt es sich um eine Gottheit, so wird sie von der Statue oder dem Bild repräsentiert, das heißt vergegenwärtigt. Den Experten zu Folge geht es weniger darum, die äußere Form der Gottheit darzustellen, als vielmehr ihre Funktion, ihren Status und ihre Macht. Eine Statue oder ein Bild zu ehren – oder nicht zu ehren – bedeutet daher, die Gottheit selbst zu ehren oder zu verachten.

Wenn es um die Darstellung eines Herrschers oder anderer Personen des öffentlichen Lebens geht, spielt die Statue eine ähnliche Rolle. Hier kommt allerdings noch ein anderes Element ins Spiel, das deutlich aus folgendem biblischen Text hervorgeht: „Absalom hatte sich schon zu Lebzeiten den Gedenkstein, der jetzt im Königstal steht, herbeischaffen und für sich aufstellen lassen; denn er sagte sich: Ich habe keinen Sohn, der meinen Namen im Gedächtnis (der Menschen) halten würde. Er benannte den Stein nach seinem Namen; deshalb heißt er bis zum heutigen Tag ‚Absaloms Hand‘“ (2 Sam 18,18). Unabhängig davon, ob es sich hier nun um eine Stele oder um eine Statue handelt, ist der Zweck derselbe: Sie soll den Namen der Persönlichkeit fortleben lassen und ihr eine Art von Unsterblichkeit verleihen, da die Statue oder das Bild ihr Vorbild überleben wird.

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Israel den ikonographischen Geschmack seiner Nachbarn teilte. Warum also das Bilderverbot? Dafür gibt es mindestens zwei gewichtige Gründe.

Israel hat es nie geschafft, eine Großmacht zu werden. Weder das Nordreich noch das Königreich Juda konnten jemals einen wichtigen Platz auf der Bühne der internationalen Politik einnehmen. Darüber hinaus sind beide Reiche von fremden Armeen, der assyrischen bzw. der babylonischen, erobert und verwüstet worden. Es war damals üblich, nicht nur die Wertobjekte, die den Sieger bereicherten, sondern auch die Götterstatuen der besiegten Nationen als Beute mitzunehmen. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass die Eroberer nach der Plünderung Samarias (722 v. Chr.) und Jerusalems (586 v. Chr.) alles, was nur irgend möglich war, mitnahmen. Wir werden daher nie wissen, was sich in den Heiligtümern der beiden Hauptstädte befand, ganz zu schweigen von denjenigen der übrigen eroberten Städte.

Zwei Gründe sprechen dafür, dass das Bilder verbot mit diesen Erfahrungen zusammenhängt. Erstens könnte es das Ziel des Bilderverbotes gewesen sein, einer Geiselnahme des „Nationalgottes“ (→ Volk, erwähltes) zuvorzukommen (SCHENKER 2001). Als die Sieger den Tempel von Jerusalem betraten, wie z.B. Pompeius im Jahre 66 v. Chr., fanden sie nichts bzw. man nimmt an, dass sie nichts fanden. Dem Propheten Ezechiel zu Folge, soll sogar die Herrlichkeit Gottes den Tempel verlassen und sich auf dem Ölberg niedergelassen haben, bevor der Tempel entweiht wurde. Auch dies ist eine Weise auszudrücken, dass es im Heiligtum kein Bild JHWHs mehr gab bzw. dort ein solches nie gegeben hatte.

Der zweite Grund ist noch einfacher. Auffälligerweise finden sich die heftigsten und sarkastischsten Polemiken gegen den Bilderkult bei „Deuterojesaja“ (Jes 40–55). Nun ist aber „Deuterojesaja“ mit der babylonischen Kultur wohl vertraut. Was kann man daraus schließen? Diese Texte spiegeln eine Mentalität wieder, die der Lebensweisheit „aus der Not eine Tugend machen“ entspricht. Die judäische Gemeinde konnte in keiner Weise mit den babylonischen Künstlern konkurrieren. Die mesopotamische Kultur war der des Königreiches Juda bei weitem überlegen. Es war darum undenkbar, mit den babylonischen Künstlern in einen Wettstreit einzutreten. Was sollte man also anderes tun, als zu versichern, dass der Gott Israels nicht abgebildet werden könne, weil er einer anderen Kategorie angehöre, und dass er auf keinerlei Weise mit einem seiner Geschöpfe verwechselt werden dürfe. Er sei seinen Geschöpfen derart überlegen, dass man jegliche Analogie zwischen Schöpfer und Geschöpf leugnen müsse: „Mit wem wollt ihr Gott vergleichen und welches Bild an seine Stelle setzen?“ (Jes 40,18). Die verächtlichen Reaktionen des „Deuterojesaja“ auf die Arbeiten der mesopotamischen Künstler geben diese Einstellung wieder.

Aus theologischer Sicht begegnet man der Idee, dass eine Gottheit nicht abgebildet werden kann, vor allem ab dem Exil. Es ist wiederum „Deuterojesaja“, der wieder und wieder darauf besteht, dass eine Abbildung Gottes unmöglich ist. Diese Aussage hängt mit einer Reihe ähnlicher Äußerungen zusammen: Der Gott Israels, JHWH, ist der einzige und einzigartige Schöpfer und Herr des ganzen Universums und aller Nationen. Darum existieren die anderen Götter nicht. Über den genauen Sinn dieser Aussagen mag man unterschiedlicher Meinung sein, man wird jedoch kaum ihre Kraft leugnen können. Die Folgerungen aus dieser Aussage sind einfach zu ziehen: Wenn die Götzen der Völker nicht existieren und ihre Idole bloßes Machwerk von Menschenhand sind, dann kann der Gott Israels auf keinen Fall mit einer von Menschen gemachten Statue identifiziert werden. Diese Möglichkeit muss unter allen Umständen ausgeschlossen werden – daher das absolute Bilderverbot.

Auch das Buch Ezechiel stammt aus der Exilszeit, d.h. es ist als Antwort auf die gleichen Probleme geschrieben worden. Es wählt jedoch einen etwas anderen Weg. Von seiner Beschreibung der Herrlichkeit Gottes gilt es, drei Dinge festzuhalten: 1. Die Herrlichkeit Gottes befindet sich über dem Himmelsgewölbe; das will besagen, dass sie über unsere Welt unendlich erhaben ist. 2. Die lange Beschreibung der mit Flügeln oder Rädern ausgestatteten Tiere soll zum Ausdruck bringen, dass die „Herrlichkeit“ beweglich ist. Sie ist nicht an einen Ort, einen Tempel gebunden, wie die meisten Gottheiten. 3. Der Text suggeriert eine einzige Ähnlichkeit zwischen der „Herrlichkeit“ und Elementen der Schöpfung: „die Menschengestalt“ (Ez 1,26). Ohne die Schwierigkeit der Interpretation dieses Textes leugnen zu wollen, ist es klar, dass für diesen Text der Mensch die einzig mögliche Analogie zwischen dem transzendenten Gott und dem geschaffenen Universum bildet.

Auf diese Weise hat Israel weiterhin an seinen Gott glauben können, ohne die Götter der Siegermächte zu übernehmen. Israel hat seinen Gott jeglicher Konkurrenz entzogen und ihn in einem dem menschlichen Zugriff entzogenen Himmel verortet. Mit anderen Worten, Israel hat seinen Glauben vertieft und verfeinert, bis es zu einer Konzeption der Gottheit gelangt ist, die zugleich diese Welt transzendiert und aus eben diesem Grunde auch ihr Herr ist. Der Preis, den es zu zahlen galt, war: Der zumindest theoretische Ausschluss jeglicher künstlerischer Abbildung.

Wörterbuch alttestamentlicher Motive

Подняться наверх