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Texte 1 Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat

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Der Verfasser der folgenden Hexameter nennt in einer vorangestellten Widmung sein Gedicht eine herkömmliche Satire (satiram, carmen per secula clarum 2). Er attackiert ebenso scharf wie sprachlich kunstvoll die Verweltlichung der Gruppe der Ordens-Geistlichen innerhalb des Standes der Geistlichen. Da die Attacken eine große Anzahl von Menschen betreffen, bleiben sie im Allgemeinen und überzeugen eher durch die Verve einer mitreißenden Sprache und eine einhämmernde Metrik als durch plastische Verbildlichung, wenngleich der Hauptpunkt der Kritik, der Kauf geistlicher Ämter (die sogenannte Simonie), deutlich genug herauskommt. Das Gedicht stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Kanoniker Wilchard, der als Verfechter der gregorianischen Kirchenreform in Frankreich tätig war.11

Bei der Vielzahl der dieses Gedicht überliefernden Handschriften wären viele Text-Varianten zu erwarten. Deren Anzahl hält sich hier jedoch wegen der starken Reglementierung der Verse durch ihr Metrum: nur reine Daktylen sind zugelassen, und ihren Reim: dreifache Reimbindung jedes Verses,12 in Grenzen.13

Ob ein Satiriker jemals auch nur die Absicht hatte, durch seine Satire, also auf ästhetischem Wege, die in seinem Gedicht intendierten moralischen Verhaltensänderungen zu erreichen, ist, wie schon gesagt, sehr zweifelhaft. Dennoch könnte es bei diesem in der genannten Weise so streng formalisierten Gedicht tatsächlich einmal geschehen sein, dass aus ästhetischen Gründen – nach dem Ohrwurmprinzip – der eine oder andere Vers und mit ihm sein Inhalt im Gedächtnis eines Rezipienten hängen blieb; und dann könnte ein Satirenvers sogar tatsächlich einmal Verhalten beeinflusst haben.

Lateinischer Text: KINDERMANN 1991, S. 44–45; davon bin ich abgewichen in Vers 2 cum] dum.

Sacrilegis monachis, emptoribus ecclesiarum,

composui satiram, carmen per secula clarum,

quam, quia uir magnus corroborat Hugo Diensis,

noster amicus eam legat Hugo Suessionensis.

Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat,

dura cibaria cum per agrestia rura colebat.

Nulla pecunia, nulla negotia prepediebant;

sobria copia, parua colonia sufficiebant.

5

Pro uenialibus et capitalibus inuigilabant,

tam uenialia quam capitalia nostra piabant.

Sed miserabilis et lacrimabilis est sibi factus,

ad capitalia post uenialia dampna redactus:

Ordo monasticus ecclesiasticus est uiolenter,

10

ecclesiastica comparat omnia dona patenter.

Ordo monasticus ecclesiasticus est sine fructu;

intrat ouilia desuper ostia non sine luctu.

Ordo monasticus ecclesiasticus est sine sensu:

Estimat omnia spiritualia diuite censu.

15

Ordo monasticus ecclesiasticus est sine causa:

Clamat ad ostia spiritualia iam sibi clausa.

Ordo monasticus ecclesiasticus unde uocatur,

quando tenacibus atque rapacibus assimilatur?

Terra, pecunia, templa, palatia magna parantur,

20

unde potentia siue superbia magnificantur.

Uana superbia quid per inania ludificatur?

Lucifer extulit et Deus expulit et cruciatur.

Sed duo crimina per sua nomina nolo notare,

que sapientia uel reuerentia nescit amare:

25

Dicere planius est inhonestius, ultro patebit;

ultro quis audiet, ultro subaudiet, ultro docebit.

Sed dominus meus, omnipotens Deus, omnicreator,

insipientibus et sapientibus auxiliator,

hec pius auferat et bona conferat, ut mereantur

30

spiritualia querere pascua, ne moriantur.

Gottesräuberischen Mönchen, die Kirchen kaufen,

habe ich eine Satire geschrieben – Dichtung von langer Tradition;

sie möge, da der große Hugo von Die hinter ihrer Aussage steht,

mein Freund Hugo von Soissons lesen.

Der Stand der Mönche war ein kirchlicher Stand,

als er mühsame Nahrung anbaute auf ländlichem Felde.

Nicht Geld und nicht Geschäfte behinderten ihn;

ein bescheidener Vorrat in einer kleinen Niederlassung war genug.

Für kleine und große Sünden hielt man Nachtwachen,

5

für unsere kleinen und großen Sünden leistete man Sühne.

Doch sich selbst bejammerns- und beweinenswert ist dieser Stand geworden,

da er erst zu leichten, dann zu schweren Sünden sich verleiten ließ.

Der Ordensstand ist widerrechtlich ein kirchlicher Stand,

denn alle geistlichen Gaben kauft er sich ungeniert.

10

Der Ordensstand ist ein kirchlicher Stand, der keine Frucht bringt;

nicht durch die Tür kommt er, sondern wie ein Dieb und Räuber dringt er

ein in die Hürde, ein Anlass zur Trauer.

Der Ordensstand ist ein kirchlicher Stand ohne Sinn,

denn alle geistlichen Güter lässt er sich mit reichlichen Gebühren bezahlen.

Der Ordensstand hat keinen Grund mehr, ein kirchlicher Stand zu sein,

15

denn er brüllt vor dem Tor der geistlichen Ämter, die ihm von nun an verschlossen sind.

Der Ordensstand – ein kirchlicher Stand? Warum soll er überhaupt so heißen,

da er mit einem gierigen Raffer ähnlich ist?

Länder und Geld und Kirchen und große Paläste erwirbt man,

um Macht und Hochmut herauszustellen.

20

Hochmut ist nichtig. Warum lässt er sich von Nichtigem täuschen?

Luzifer hat sich hochmütig erhoben, Gott hat ihn vertrieben, jetzt leidet er.

Zwei andere Sünden aber will ich nicht namentlich nennen,

die mit Weisheit und Ehrwürde unvereinbar sind.

Klarer zu sprechen wäre zu unanständig; es wird von selbst klar werden,

25

von selbst wird man’s hören, wird es heraushören, wird sich’s zeigen.

Aber mein allmächtiger Herr und Gott, der Schöpfer aller Dinge,

der dem Toren und dem Weisen zur Seite steht,

möge in seiner Güte dies beseitigen und Gutes geben, auf dass die Mönche würdig werden,

nach geistlicher Nahrung zu suchen, um dem ewigen Tod zu entgehen.

30

11 Wilchard von Lyon; siehe KINDERMANN 1991. – Es ist nachzuvollziehen, dass der vom Papst mit der Durchführung der Kirchenreform beauftragte Legat Hugo von Die die inhaltliche Aussage des Gedichts unterstützte (corroborat Widmung 3).

12 Sogenannte dreigeteilte Hexameter, hexametri tripertiti.

13 Zu einer wohl eigenen Zudichtung siehe den Anhang 1.

Satiren des Mittelalters

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