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Für meine Lehrer war ich in der Schule nicht der absolute Knaller, und der Typ, der dem Lehrer die Schultasche trägt, war ich nie. Aber ich war beliebt bei meinen Mitschülern. Schließlich kannte ich alle neuen Schlager und konnte sie vorsingen, wobei ich mich dann mit meiner kleinen Gitarre begleitete.

Rein musikalisch war jedoch damals in Berlin eine besondere Musik der absolute Schrei - Skiffle. Mit Lothar, Fritz, Detlef und Soni, der eigentlich Jürgen hieß, gründete ich also eine solche Skiffle-Band. In unserem Keller durften wir üben und rauchten heimlich dabei. Die Jungs waren keine unbedingten musikalischen Talente, und so kam es auch nie zu einem einzigen Konzert. Aber einen super Spaß hatten wir auf jeden Fall, besonders als Fritze und Detlef die Haare gefärbt haben wollten. Farbe wurde organisiert, schwarz musste es sein, und Fritze, der ein dunkler Typ war, sah mit seinem blauschwarzen Haar eigentlich nicht übel aus. Beim armen Detlef hingegen, von Natur aus weißblond mit Locken, war das Ergebnis grauenhaft. Er rannte sofort zu seinen Eltern und die schnell mit Sohn im Gepäck zum Friseur, der aber unter Aufbietung aller Künste nicht über ein Orange hinaus kam. Heute wäre das vielleicht cool gewesen, in den 50er Jahren schlicht eine Katastrophe. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht sorgen, und wir machten alles noch schlimmer, indem wir sangen: ROTKOPF - DIE ECKE BRENNT - FEUERWEHR KOMMT ANGERENNT.

Modisch wollte ich natürlich auch auf dem letzten Stand der Dinge sein, und so musste natürlich ein Petticoat her. Ich trug einen schwarz-bunten Rock, weit geschnitten und um die Taille so eng, dass ich wirklich kaum Luft bekam. Darunter kam dieses Monstrum von Petticoat. Zwar war ich, was Hausarbeit betraf, ein ziemlich verwöhntes kleines Ding, aber ich ließ es mir nicht nehmen, meinen Petticoat selbst zu waschen, zu bügeln und zu stärken. Und das funktionierte folgendermaßen: frisch gewaschenen Petticoat in ganz wenig Wasser, dafür um so mehr Stärke tauchen, Petticoat ausdrücken, sofort aufs Bügelbrett und trocken bügeln. Der Petticoat war anschließend so steif, dass man ihn glatt hätte hinstellen können. Er war hart und kratzte, aber was machte das schon. Wer schön sein will, muss leiden...

Die Schweinerei, die mit dieser Prozedur einherging, war ein mittlerer Albtraum. Ich hatte nie Zeit, so kann man das auch nennen, und ließ nach dem Bügeln alles stehen und liegen. Das ging selbst meiner liebevollen und harmoniebedürftigen Mama auf den Wecker. Und um den Familienfrieden wieder herzustellen, bekam ich nun einen neuen Petticoat genäht - ein ganz scharfes Teil, einteilig bis zur Hüfte und sieben Röcke drangenäht mit viel Spitze. Ich sah zwar ein bisschen wie eine Kaffee-Wärmer-Puppe aus, aber ich fand mich toll.

Im Styling war ich auch ein absoluter Trendsetter - ich hatte mir jeden Fingernagel andersfarbig lackiert und das zu Zeiten, als der Punk noch fast zwanzig Jahre auf sich warten ließ. Denn ich wollte immer etwas ganz Besonderes sein, sah mich in meinen Tagträumen natürlich schon in Hollywood, und meine armen Eltern hatten es sicher mit ihrer pubertierenden Göre manchmal nicht so leicht. Es musste jedenfalls ein seltsamer Anblick gewesen sein, wenn die Tochter mit ihren Jeans in der Badewanne lag, damit diese schön eng wurden. Manchmal nähte ich die Hosen morgens vor dem Schulbeginn noch ein Stück enger. Eng, eng, eng - so musste es sein. An Pipimachen war bei diesen Konstruktionen von Jeans natürlich kaum zu denken. Wie ich das manchmal durchgehalten habe, weiß ich heute nicht mehr. Aber in diesen Dingen unterschied ich mich eben auch nicht von Millionen anderer Teenager auf der Welt.

Obwohl ich nie ein sonderlich politisch denkender Teenie war, blieb mir der 13. August 1961 im Gedächtnis haften. Ich war in Berlin geboren und aufgewachsen, kannte nur diese in Zonen aufgeteilte Stadt. Das Glück hatte meine Familie im West-Teil angesiedelt. Meine zwei Tanten jedoch und mein Opa hatten ihr Haus im Ost-Teil. Tante Mary arbeitete als Postbeamtin im Westen und fuhr nach Feierabend zurück in ihr Haus in Hohenschönhausen. Bis zu jenem einschneidenden 13. August 1961, an dem plötzlich der Weg zur Arbeit versperrt war. Walter Ulbricht hatte den Befehl gegeben, eine Mauer zu errichten, die für die kommenden 100 Jahre gedacht war und tatsächlich 28 Jahre bestand. Dadurch wurde aus der aufgeteilten Stadt Berlin über Nacht eine geteilte Stadt, und Tante Mary kam nicht wieder zurück und blieb bei Opa und Tante Alice im Osten.

Einmal noch, zu Weihnachten 1961, wurde die Grenze für uns West-Berliner ohne Besuchserlaubnis passierbar, und wir fuhren alle zu Opa und Tante Mary und Alice. Es war mein Geburtstag, und wir machten uns alle fein zurecht. Mama hatte einen Käsekuchen gebacken, der an der Passierstelle Friedrichstraße genau unter die Lupe genommen wurde. Man hätte ja etwas darin verstecken können.

Nach der Untersuchung ging es weiter und Mama sagte nur zum Papa: "Hast die den Stein fallen hören?" Worauf Papa nur erstaunt dreinblickte. Mama hatte 20.000,- DM in ihrem Hüftgürtel versteckt. Da waren die gesamten Ersparnisse von Opa und Tante Mary, die auf diesem etwas ungewöhnlichen Weg nun wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt wurden. Das gab ein großes Hallo. Mir wird dieses Weihnachtsfest - mein 15. Geburtstag - jedenfalls unvergesslich bleiben.

Endlich - Drewitz - wieder endlose Warterei... Stop and Go... Handbremse - die Fußbremse versagt immer mehr. Ein Unfall in der DDR hätte mir jetzt gerade noch gefehlt. Bei meinen vielen Gastspielen "drüben" habe ich die Menschen stets als warmherzig, freundlich und hilfsbereit kennen und schätzen gelernt - was aber in einer Unfallsituation auf mich eingestürmt wäre, übersteigt meine Phantasien.

In der Schule langweilte ich mich mittlerweile immer mehr. Ich schreckte nicht einmal davor zurück, furchtbare Bauchschmerzen vorzutäuschen, um einen Tag zu Hause bleiben zu können. Papa nahm mich aber gleich mit in die gegenüberliegende Klinik, in der er als Krankenpfleger arbeitete und schickte mich in die Notaufnahme. Einer leicht erhöhten Leukozytenzahl hatte ich es schließlich zu verdanken, dass die Ärzte mir bereitwillig den Blinddarm entfernten. Der Professor höchstpersönlich verpasste mir einen Bikini-Schnitt, auf den er so stolz war, dass er ihn während meines gesamten Klinikaufenthaltes täglich seinen Studenten vorführte.

Aber im Gegensatz zu meinem Interesse an der Schule stieg mein Interesse an Jungs. Das Musikkorps der schwedischen Heilsarmee gastierte in Berlin, und da musste die Familie natürlich hin und das selbstverständlich in erster Reihe. Da blickte ich in unverschämt blaue Augen. Sie gehörten dem Trompeter des Ensembles, den ich nach der Vorstellung unbedingt kennen lernen musste. Und so schlich ich mich hinter die Bühne. Dieser blonde Traum von einem Mann entpuppte sich als Bernt Tilström, genannt Tim.

Tim besuchte eine Offiziersschule in Jönköpping. Wir mochten uns auf Anhieb. Papa wunderte sich natürlich, dass ich am nächsten Morgen dringend zum Busbahnhof musste, um die Truppe zu verabschieden. Wir tauschten unsere Adressen aus, und dann begann ein langer, intensiver Briefwechsel. Er sprach und schrieb sehr gutes Deutsch. Sogar von einer Verlobungsabsicht konnte ich lesen. Bei seinem nächsten Besuch in Berlin zeigte ich ihm meine Stadt. Übernachten durfte ich bei Tante Ruth.

Aber wie das Leben so spielt... Irgendwie waren meine Vorstellungen ganz anders als seine, und zwischenzeitlich war ich auch schon mit einem anderen netten blonden Jungen aus Berlin ausgegangen. So reiste Bernt Tilström schließlich ab, meine Vorliebe für gut aussehende Männer aber blieb...

Ich hatte also meine erste Bekanntschaft mit Jungs hinter mir, hatte fleißig Knutschen geübt und wartete auf den großen Moment, der mein Leben verändern sollte. Den sah ich in Form einer Anzeige in der Berliner Zeitung. Dort suchte ein Tonbandgerätehersteller für die in diesem Jahr stattfindende Funkausstellung Nachwuchsinterpreten, Talente, die vor Publikum ihr Können unter Beweis stellen sollten. Dem Sieger winkte natürlich als erster Preis ein Tonbandgerät. Damals unerschwinglich für uns. Aber heißbegehrt. Also nix wie hin...

Ich pirschte mich durch die Hallen und stand vor einem gläsernen Studio. Klein und unscheinbar, wie ich war, hätte ich da wohl heute noch gewartet, wenn da nicht dieser süße Junge mit seinen dunklen Haaren gestanden hätte, bei dem ich auf Anhieb wacklige Knie bekam. Der hatte mit seinem frech-forschen Blick wahrscheinlich sofort erkannt, was mich dort hingezogen hatte, kam weltmännisch auf mich zu und fragte direkt: "Du willst wohl ooch singen?" Und ob ich wollte, jetzt erst recht. Er hatte seinen Auftritt bereits hinter sich und brachte mich zu den Männern im Studio. Was ich denn singen wollte? Keine Ahnung - darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Das bekannteste Lied war von meiner Lieblingssängerin Conny Froboes, ebenfalls Berlinerin und hieß "Zwei kleine Italiener". Mit diesem Lied hatte Conny die deutschen Schlagerfestspiele 1962 gewonnen, und der Titel war ein echter Hit. Den Text konnte ich natürlich auswendig. Also - Playback rein und los gings. Bislang hatte ich immer nur mit Bands gesungen oder mich auf der Gitarre begleitet. Das war nun mein Debüt als Sängerin mit einem Playback, das natürlich von einer dieser Super-Bandmaschinen abgefahren wurde.

"Eine Reise in den Süden ist für andere schick und fein, doch zwei kleine Italiener würden gern zu Hause sein. Oh Tina, oh Marina..."

Da war die Kleene in ihrem Element. Das fanden wohl auch die Zuschauer, die mir einen wirklich großen Applaus spendeten. Die Herren der Tonbandfirma und der nette Junge waren wohl auch beeindruckt. So wurde ich gefragt, ob ich nicht am nächsten Tag auch noch mal kommen möchte, natürlich bei freiem Eintritt und 20 DM gab es auch noch. Die mussten mich nicht zweimal fragen, klar wollte ich und wie...

Der nette Junge kam auch noch mal zu mir, machte eine Verbeugung und stellte sich vor wie ein echter Gentleman. "Ick bin Drafi, Drafi Deutscher aus Lichterfelde."

TinaRainford

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