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1 Methoden zur Untersuchung des Hörorgans

M. Schrader

1.1 Klinische Untersuchung

Zur klinischen Untersuchung des Ohres gehören neben der vollständigen HNO-ärztlichen Spiegeluntersuchung die Inspektion und die Palpation des äußeren Ohres, des Warzenfortsatzes, des Halses und des Kiefergelenks und die Spiegeluntersuchung des Trommelfells (Otoskopie). Dabei ist besonders auf Entzündungen zu achten (z.B. auf Effloreszenzen in der Ohrmuschel (Herpes zoster) oder eine abstehende Ohrmuschel (wie beim subperiostalen Abszeß). Druckschmerz hinter dem Warzenfortsatz (Vv. emissariae) spricht für eine Sinusthrombose (GriesingerZeichen), Druckschmerz über dem Kiefergelenk (Prüfen beim Kauen) ist verdächtig auf ein Costen-Syndrom.

1.1.1 Otoskopie

Die Otoskopie erfolgt mit dem Mikroskop und nur in Ausnahmefällen mit einem Endoskop (starre 0°-Optik), einem Otoskop oder einem Stirnspiegel. Der Patient sitzt etwas nach hinten geneigt und dreht den Kopf ein wenig zur Gegenseite. Damit das Trommelfell zu sehen ist, muß der knorpelige Teil des äußeren Gehörgangs dieselbe Richtung haben wie der knöcherne Teil (d.h. je nach Alter des Patienten die Ohrmuschel nach hinten [Kleinkinder] oder oben gezogen und der Tragus nach vorn geschoben werden) (Abb. 1-la). Der Ohrtrichter dient dazu, Haare beiseite zu halten und evtl. die Richtung des knorpeligen Teils des äußeren Gehörgangs zu stabilisieren (Abb. 1-1b). Zu enge Trichter erschweren die Sicht und werden oft zu weit in den Gehörgang eingeführt, was sehr schmerzhaft ist. Ist die Sicht durch Zerumen versperrt, muß der Gehörgang sorgfältig und schonend gereinigt werden. Entweder kann das Zerumen abgesaugt (Vorsicht: Lärmtrauma) oder mit körperwarmem Wasser ausgespült werden (Vorsicht: bei alter Trommelfellperforation Verschleppung von Detritus und Zerumen in das Mittelohr mit konsekutiver Entzündung möglich). Auch bei vorsichtiger Reinigung kann es zu Verletzungen des Gehörgangs oder des Trommelfells kommen, so daß bei fehlender Übung eine Vorbehandlung mit aufweichenden Ohrentropfen (z.B. Wasserstoffhyperoxid 3%) sinnvoll ist.

1.1.2 Pneumatischer Siegle-Trichter

Die Beweglichkeit des Trommelfells und Hammergriffs wird mit dem pneumatischen Siegle-Trichter überprüft. Der Siegle-Trichter ist nach außen mit einer Glasplatte abgeschlossen, so daß er luftdicht in den Gehörgang gesetzt werden kann (Abb.1-1c). Durch Druckänderungen über einen Gummiballon kann das Trommelfell ausgelenkt und der Hammergriff bewegt werden.

1.1.3 Valsalva-Versuch

Die Tubenfunktion kann mit dem Versuch nach Valsalva abgeschätzt werden. Dabei wird mit geschlossenem Mund kräftig gegen die zugehaltene Nase ausgeatmet. Bei guter Tubenfunktion überbläht sich dann ein geschlossenes Trommelfell, während der Patient ein Druckgefühl im Ohr spürt und manchmal ein schmatzendes Geräusch hört. Bei einem perforierten Trommelfell ist manchmal ein Durchblasegeräusch zu hören. Während der Versuch nach Valsalva einen Überdruck erzeugt, wird bei dem Versuch nach Toynbee ein Unterdruck erzeugt. Dabei schluckt der Patient mit zugehaltener Nase.


a


b


c

Abb. 1-1 a–c. Ohrinspektion: a Beim Kleinkind wird der Gehörgang eher nach hinten als nach oben gezogen. b Der Ohrtrichter wird mit einer Hand gehalten und gleichzeitig mit dem Mittelfinger die Ohrmuschel etwas nach hinten oben gedrückt. c Handhabung des Siegle-Trichters

1.1.4 Politzer-Ballon

Gelingt der Versuch nach Valsalva nicht, kann mit dem Politzer-Ballon (Abb. 1-2) Luft über ein Nasenloch eingeblasen werden. Dazu muß das andere Nasenloch durch einen Finger und der Nasenrachen durch das Nachsprechen gutturaler Laute (z.B. „Kuckuck“ oder „Coca Cola”) in dem Moment geschlossen sein, in dem Luft eingeblasen wird.Objektiv kann die Mittelohrbelüftung mit der Tympanometrie gemessen werden (s. auch Abschn. 1.3.2).


Abb. 1-2. Politzer-Versuch

1.1.5 Stimmgabelversuch nach Weber

(Abb. 1-3)

Die weich angeschlagene Stimmgabel wird fest auf die Stirnmitte aufgesetzt und der Patient gefragt, ob er den Ton in der Mitte oder auf einem Ohr lauter höre, er also den Ton lateralisiert. Da die Stimmgabel nicht lauter als 50 dB klingt, sollte der Versuch in der Stille durchgeführt werden. Hört der Patient dann noch keinen Ton, kann die Stimmgabel auf den Nasenrücken oder die obere Zahnreihe aufgesetzt werden.

Der Normalhörende, aber auch der Patient mit einer symmetrischen Schwerhörigkeit, hört den Ton in der Mitte, er lateralisiert beim Stimmgabelversuch nach Weber nicht. Bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit wird der Ton in das erkrankte Ohr lateralisiert, bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit vorwiegend in das bessere Ohr.


Abb. 1-3 a-c. Stimmgabelversuch nach Weber.

a Normalbefund: Bei Aufsetzen der Stimmgabel auf die Schädelmitte wird der Schall auf beiden Ohren gleichlaut wahrgenommen

b Schalleitungsschwerhörigkeit links: Der Schall wird im erkrankten Ohr lauter gehört, da er aufgrund der Schalleitungsschwerhörigkeit über das Ohr schlechter nach außen abfließt

c Schallempfindungsschwerhörigkeit links: Der Schall wird dadurch auf dem rechten Ohr lauter gehört


Abb. 1-4 a, b. Stimmgabelversuch nach Rinne: a Rinne positiv: Wird die Stimmgabel vor das Ohr gehalten, wird der Ton länger und lauter gehört (dunkle Stimmgabel) als bei Aufsetzen der Stimmgabel hinter dem Ohr. b Rinne negativ: Bei Aufsetzen der Stimmgabel hinter dem Ohr wird der Schall lauter und länger gehört (dunkel) als vor dem Ohr

1.1.6 Stimmgabelversuch nach Rinne

(Abb. 1-4)

Klassisch wird die Stimmgabel auf den Warzenfortsatz aufgesetzt und, sobald der Patient den Ton nicht mehr hört, vor die Ohrmuschel gehalten. Bei normalem Mittelohr hört der Patient dann wieder den Ton, der Rinne-Versuch ist „positiv“. Hört der Patient den Ton nicht, ist der Versuch nach Rinne „negativ“.

In der klinischen Routine wird der Versuch oft abgekürzt, indem die Stimmgabel vor die Ohrmuschel gehalten oder auf den Warzenfortsatz aufgesetzt und der Patient gefragt wird, ob er den Ton vor der Ohrmuschel lauter als hinter der Ohrmuschel höre.

Zu beachten ist, daß bei ipsilateraler Taubheit der Versuch nach Rinne falsch-negativ angegeben wird, da der Patient den Ton über die Knochenleitung auf dem anderen Ohr hört.

Andere Stimmgabelversuche nach Schwabach, Gelle oder Bing sind durch psychoakustische oder elektroakustische Verfahren (s. Absch. 1.3.1 u. 1.3.2) ersetzt worden.

1.2 Bildgebende Verfahren

M. Schrader

Im Vordergrund der bildgebenden Verfahren stehen die klassischen Röntgenuntersuchungen, die Computertomographie (CT) und die Kernspintomographie (nuclear magnetic resonance tomography, NMRT). Sie dienen der Darstellung der individuellen Anatomie vor Operationen, dem Nachweis resp. Ausschluß von Neubildungen, der Differentialdiagnostik bei Verdacht auf Entzündungen und insbesondere der Ausdehnung dieser pathologischen Veränderungen.

1.2.1 Klassische Röntgenuntersuchungen

Bei Röntgenuntersuchungen des Schädels kommt es darauf an, durch geeignete Schrägprojektionen Knochenüberlagerungen auf dem Bild zu vermeiden.

1.2.1.1 Röntgenaufnahme des Warzenfortsatzes nach Schüller

Indikationen sind: Verdacht auf Erkrankungen im Warzenfortsatz, insbesondere entzündliche Veränderungen, V. a. Felsenbeinlängsfraktur, Darstellung des Sinus sigmoideus und des Kiefergelenks, Darstellung der individuellen Anatomie bei geplanter Tympanoplastik.

Technik: Schädellängsachse parallel zur Filmebene, Zentralstrahl nach kranial abgelenkt im Winkel von 30°. Er trifft dann handbreit oberhalb des kontralateralen (filmfernen) Ohres auf den Schädel und zielt auf den filmnahen aufzunehmenden Gehörgang (Abb. 1-5).

Der Röntgenstrahl geht so durch die Länge des Felsenbeins.

1.2.1.2 Röntgenaufnahme des Felsenbeins nach Stenvers

Indikationen sind: Verdacht auf Erkrankungen im inneren Gehörgang und in der Pyramidenspitze, V. a. Felsenbeinquerfraktur, Darstellung des knöchernen Labyrinths.


Abb. 1-5 a, b. Röntgenaufnahme nach Schüller: a 1 Pyramidenoberkante, 2 Sinus sigmoideus, 3 V. emissaria, 4 Mastoidspitze, 5 Kiefergelenkköpfchen, 6 Meatus externus (unterer Pfeil) und Vestibulum. b Zentralstrahl geht durch äußeren und inneren Gehörgang


Abb. 1-6 a, b. Röntgenaufnahme nach Stenvers: a 1 Pyramidenoberkante, 2 Schädelkalotte, in mittlere Schädelgrube übergehend, 3 Boden der mittleren Schädelgrube, 4 Bogengänge, 5 Cochlea, 6 Meatus internus. b Zentralstrahl quer zum Felsenbein

Technik: Sagittalebene des Schädels in einem Winkel von 45° zur Filmebene, Zentralstrahl um 10-12° nach kaudal abgelenkt. Er trifft dann 2-3 Querfinger hinter dem kontra-lateralen (filmfernen) Ohr auf den Schädel und zielt auf die Mitte der Verbindungslinie zwischen Auge und Ohr der aufzunehmenden Seite (Abb. 1-6).

Der Röntgenstrahl geht so durch die Breite des Felsenbeins.

Andere Aufnahmetechniken (AltschulUffenorde, Mayer u. a.) sind nur bei speziellen Fragestellungen indiziert und heute von der Computertomographie und der Kernspintomographie weitgehend verdrängt.

1.2.2 Computertomographie

Indikationen sind: Verdacht auf Fehlbildungen des Mittel- bzw. Innenohrs, V. a. Neubildungen, Destruktion der Otobasis, traumatologische Diagnostik.

Technik: Die Schnitte können sowohl in horizontaler (axialer) als auch in vertikaler (koronarer) Technik durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, daß bei vertikaler Schnittebene die Patienten die Halswirbelsäule in Bauchlage erheblich überstrecken müssen. Das ist nicht immer möglich. Auch der Beugung in Rückenlage sind oft vom Patienten her Grenzen gesetzt.

Zur Darstellung des Innenohrs bei Fehlbildungen hat sich die Dünnschicht-CT bewährt. Dabei wird der Schädel in 1 mm dicken Schichten mit 1 mm Vorschub in axialer Ebene geschichtet (Abb. 1-7).


Abb. 1-7 a–h. Dünnschichtcomputertomographie des Felsenbeins (super high resolution mode computerized tomography): 1 Meatus acusticus externus, 2 hintere Schädelgrube, 3 Canalis caroticus, 4 Stapes, 5 Canalis nervi facialis, 6 Mastoid, 7 Cochlea, 8 Aquaeductus cochleae, 9 Malleus, 10 Incus, 11 Bogengänge, 12 A. subarcuata, 13 Temporomandibulargelenk, 14 Canalis nervi hypoglossi, 16 Ganglion geniculi, 17 Aquaeductus vestibuli, 18 Meatus acusticus internus, 19 Sinus sigmoideus, 20 Recessus epitympanicus. Beachte: Knochen ist gut sichtbar

1.2.3 Kernspintomographie

(NMRT: nuclear magnetic resonance tomography )

Indikationen sind: V. a. Akustikusneurinom, V. a. Entzündungen und Tumoren mit endokranieller Ausbreitung.

Technik: Durch ein starkes Magnetfeld wird der ungerichtete magnetische Spin eines Wasserstoffprotons kurzzeitig synchronisiert. Der Rückkehrimpuls wird dann registriert. Durch geeignete Wahl der Aufnahmeparameter Echozeit und Repetitionszeit werden unterschiedliche Gewebe unterschiedlich kontrastiert.


a


b

Abb. 1-8 a, b. Kernspintomographie mit Kontrastmittel (nuclear magnetic resonance tomography): a Horizontale Schicht durch den Kleinhirnbrückenwinkel mit intrameatalem Akustikusneurinom links (Pfeil). b Vertikale Schicht durch den Kleinhirnbrückenwinkel mit intrameatalem Akustikusneurinom links (Pfeil). Beachte: Knochen ist nicht sichtbar

Besonders bei der Darstellung von Tumoren ist der Einsatz von Kontrastmitteln (Gadolinium-EDTA) indiziert (Abb. 1-8a,b).

Nuklearmedizinische Untersuchungen wie die Szintigraphie, die single photon emission computerized tomography (SPECT) oder die Positronenemissionstomographie (PET) dienen speziellen Fragestellungen.

1.3 Hörprüfungen

1.3.1 Psychoakustische Verfahren

(M. Schrader)

Die Hörprüfungen dienen dazu, das Ausmaß der Hörstörungen zu quantifizieren und – soweit möglich – deren Schädigungsort zu lokalisieren.

1.3.1.1 Reintonaudiometrie

Mit einem Tonaudiometer können Sinustöne in definierten Schalldruckpegeln erzeugt werden. Je nach Einsatz des Geräts gibt es verschiedene Güteklassen. Für die klinische Routine müssen zumindest Luftleitung und Knochenleitung, und somit auch Vertäubung, zwischen 125 Hz und 8000 Hz möglich sein. Audiometer müssen regelmäßig überprüft und jährlich geeicht werden.

Luftleitung: Die Messung der Luftleitung entspricht dem physiologischen Hören. Dazu wird dem Patienten der Schall über einen Kopfhörer angeboten.

Knochenleitung: Bei der Messung der Knochenleitung wird dem Patienten der Schall über einen vibrierenden Knochenhörer angeboten, der direkt auf den Warzenfortsatz aufgesetzt wird. Dadurch kommt es zu einer direkten Schallübertragung zum Innenohr unter Umgehung des Mittelohrs.

Hörschwellenbestimmung

Die Hörschwelle wird frequenzspezifisch bestimmt. Der Untersucher erhöht dabei bei jeder zu untersuchenden Frequenz den Schalldruckpegel des Tons bis zu der Schwelle, bei der dieser vom Patienten wahrgenommen wird. Diese Schwelle wird auf einem Audiogramm halbautomatisch registriert (Abb. 1-9).

Technik: Bei der Bestimmung der Knochenleitungshörschwelle ist besonders zu beachten, daß bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit, ähnlich wie beim. Stimmgabelversuch nach Rinne (Abb. 1-4), durch das kontralaterale Ohr der Ton „übergehört“ werden kann. Deshalb muß das andere Ohr durch ein Rauschen vertäubt werden. Das geschieht über den kontralateralen Luftleitungskopfhörer. Der minimale Pegel des Vertäubungsgeräusches richtet sich nach dem Pegel des Prüftons und der Schalleitungsschwerhörigkeit im Prüfohr. Bei einer Luftleitungsschwerhörigkeit wird ab 50 dB gleichlaut vertäubt, bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit darf der maximale Pegel der Vertäubung die Lautstärke des Prüftons um nicht mehr als 50 dB überschreiten. Bei den meisten Audiometern wird bei der Knochenleitungshörprüfung das kontralaterale Ohr automatisch 40 dB lauter als der Prüfton vertäubt. Bei Frequenzen unter 1000 Hz ist zu berücksichtigen, daß der Patient die Schwingungen bei höheren Pegeln fühlen kann. Hörkurven und Fühlkurven überschneiden sich in diesem Bereich.

1.3.1.2 Sprachaudiometrie

Mit Hilfe der Sprachaudiometrie wird das Sprachverständnis untersucht.

Dazu werden dem Patienten über ein Sprachaudiometer bei verschiedenen Schalldruckpegeln für den deutschen Sprachraum standardisierte Wörter oder Texte angeboten und diese vom Patienten wiederholt. Der Untersucher vergleicht dann den angebotenen Text mit dem nachgesprochenen Text.


Abb. 1-9 a-d. Reintonaudiogramm: a Normalgehör, b Schallempfindungsschwerhörigkeit, c Schal- leitungsschwerhörigkeit, d kombinierte Schalleitungs-Schallempfindungs-Schwerhörigkeit

Freiburger Sprachtest

Beim Freiburger Sprachtest werden Hörverlust für Sprache (bei welcher Lautstärke Sprache überhaupt verstanden wird) und das Unterscheidungsvermögen, die Diskrimination (was der Patient überhaupt versteht), geprüft.

Diese Unterscheidung ist nötig, weil eine Erhöhung des Schallpegels keineswegs immer zur Verbesserung des Verständnisses führt (Abb. 1-10b, linkes Ohr).

Hörverlustprüfung

Der Hörverlust ist die Differenz zwischen dem Schalldruckpegel des Patienten und dem eines Normalhörenden, bei dem jeweils 50% der viersilbigen Zahlwörter verstanden werden. Dieser Pegel liegt beim Normalhörenden bei 18,5 dB.

Technik: Über einen Kopfhörer werden dem Patienten auf dem besser hörenden Ohr bei einem überschwelligen Pegel 20 viersilbige Zahlwörter (Abb. 1-10a oben) angeboten und die Anzahl der verstandenen Wörter registriert.

Der Hörtest wird bei verschiedenen Pegeln so oft wiederholt, bis etwa 50% der angebotenen Zahlwörter verstanden werden. Der genaue Pegel für eine Verständlichkeit von 50% kann aus dem Diagramm zeichnerisch ermittelt werden (Abb. 1-10b).

Sprachverständlichkeitsprüfung


Abb. 1-10 a, b. Sprachaudiogramm a Testmaterial (phonetisch ausgewogen) Zahlwörter (Z) und Einsilber (E). b Rechtes Ohr: annähernd normales Hörvermögen; linkes Ohr: mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit. NZ Vergleichskurve normales Hörvermögen (Zahlen), NE Vergleichskurve normales Hörvermögen (Einsilber); Z: Zahlwörter/Patient, E: Einsilber/Patient

Technik: Bei einem Schalldruckpegel von etwa 20 dB über dem Pegel beim Hörverlust für 50% der viersilbigen Zahlwörter werden dem Patienten 10 einsilbige Wörter angeboten und die Anzahl der richtig wiederholten Antworten registriert. Falsch ist ein Wort auch dann, wenn nur ein Buchstabe falsch wiederholt wird. Die Lautstärke wird dann in 15-dB Schritten gesteigert, bis der Patient 100% der Einsilber versteht (Abb. 1-106). Oft wird diese Verständlichkeit von 100% nicht erreicht. Die Differenz zwischen der maximal erreichten Sprachverständlichkeit und 100% ist der Diskriminationsverlust in Abb. 1-10b linkes Ohr: 40%.

Mit der Sprachaudiometrie werden Hörgeräte für den Patienten optimal angepaßt.

Die Hörbedingungen des täglichen Lebens können durch das Hinzufügen von Störlärm noch besser nachempfunden werden. So werden Patienten mit einer innenohrbedingten Hochtonschwerhörigkeit außerordentlichstark von Störlärm behindert. Dies zu beachten ist bei der Anpassung von Hörgeräten besonders wichtig.

Der Freiburger Sprachtest wird auch zur Begutachtung eingesetzt. Dazu wird bei 60 dB, 80 dB und 100 dB die Verständlichkeit der Einsilber geprüft (DIN 45621). Voraussetzung ist, daß der Patient die deutsche Sprache versteht. Deshalb liefert diese Untersuchung bei kleinen Kindern und Ausländern oft falsche Ergebnisse.

Andere Sprachteste wie der Marburger Satztest, der Reimtest oder der dichotische Test nach Feldmann sind speziellen Fragestellungen vorbehalten.

1.3.1.3 Überschwellige Audiometrie

Im Zusammenwirken der äußeren und inneren Haarzellen kommt es bei einer Funktionsstörung der empfindlicheren äußeren Haarzellen, deren Funktion u. a. die Verstärkung niedriger Schallintensitäten ist, früh zu einer Verschiebung der Hörschwelle, also einer Schwerhörigkeit. Bei höheren Schallpegeln werden die inneren Haarzellen direkt erregt, so daß dann die Lautheit des Tons wieder normal empfunden wird (Lautheitsausgleich, Recruitment).

Auf dieser Grundlage beruhen die Verfahren der überschwelligen Audiometrie.

Die überschwellige Audiometrie dient insbesondere dazu, kochleäre von retrokochleären Hörstörungen abzugrenzen, und hat deshalb mit der Entwicklung der evozierten Potentiale (s. auch Abschn. 1.3.2) und der bildgebenden Verfahren an Bedeutung verloren.

Binauraler Lautheitsvergleich nach Fowler

Voraussetzung für die Durchführung des Fowler-Tests ist eine Seitendifferenz von mindestens 30 dB zwischen beiden Ohren und ein annähernd normales Hörvermögen auf dem besser hörenden Ohr.

Technik: Ein Dauerton wird dem geschädigtem Ohr zunächst an der Schwelle dargeboten und dann auf dem besseren Gegenohr der Pegel ermittelt, der die gleiche Lautheitsempfindung hervorruft. Dazu darf der Ton nicht gleichzeitig, sondern nur im Wechsel (1 s Ton, 1 s Pause, i s Ton am Gegenohr, i s Pause usw.) angeboten werden.

Bei derselben Frequenz wird dann der Lautheitsausgleich in 20-dB -Schritten mit zunehmender Lautstärke gemessen. Bei intaktem Lautheitsausgleich wird dieser bei gleichen Schallpegeln erreicht. Bei fehlendem Lautheitsausgleich ist die Differenz zwischen den Schallpegeln an der Hörschwelle genauso groß wie bei höheren Lautstärken.

Auswertung: Ein positives Recruitment spricht für einen Innenohrschaden, ein negatives Recruitment für eine retrokochleäre Störung.

Geräuschaudiometrie nach Langenbeck

Bei einem Innenohrschaden kann der Patient neben einem Störgeräusch ein Signal erkennen, wenn beide gleich laut sind (monauraler Lautheitsausgleich).

Technik: Dazu wird zunächst die Hörschwelle im Reintonaudiogramm bestimmt. Eine Frequenz, bei der die Knochenleitungshörschwelle mindestens um 15 dB gesunken ist, wird als Prüffrequenz gewählt. Dann wird dem Patienten ein konstantes Geräusch zusammen mit lauter werdenden Einzeltönen angeboten.

Die Lautstärke des Geräusches ist so zu wählen, daß die Hörschwelle bei der Prüffrequenz erreicht wird. Die Kurven mit und ohne Geräuschverdeckung werden in ein Audiogramm eingezeichnet.

Auswertung: Die Kurve mit Geräuschverdeckung kann entweder bei der Prüffrequenz in die Reintonaudiogrammhörkurve einmünden (das spricht für einen kochleären Schaden) oder der Kurve ausweichen (das spricht für einen retrokochleären Schaden).

Intensitätsunterschiedsmessung nach Löscher

Ein normales Ohr kann bei höheren Lautstärken immer feinere Intensitätsunterschiede wahrnehmen, während dies bei einem retrokochleären Hörschaden nicht möglich ist.

Technik: Bei einem überschwelligen Schallpegel, in der Regel 20 dB, wird dem Patienten ein amplitudenmodulierter Ton mit abnehmenden Tonschwellenverstärkungen von 5-0,1 dB angeboten und die geringste wahrgenommene Tonschwellenverstärkung registriert.

Auswertung: Bei einer Intensitätsunterschiedsschwelle von weniger als 1 dB spricht man von einem positiven Recruitment.

SISI-Test nach Jerger

Anders als beim Test nach Lüscher wird beim short increment sensitivity index Test nicht die Unterschiedsschwelle bestimmt, sondern lediglich geprüft, ob der Patient eine Tonschwellenverstärkung von 1 dB wahrnehmen kann.

Technik: Dazu wird bei einem Prüfton 20 dB über der Hörschwelle alle 5 s der Pegel für 0,2 s um 1 dB erhöht (zuvor muß meistens mit höheren Tonschwellenverstärkungen geübt werden).

Insgesamt 20mal wird der Test durchgeführt, und die wahrgenommenen Tonschwellenverstärkungen werden in Prozent registriert.

Auswertung: Werden mehr als 80% der Tonschwellenverstärkungen wahrgenommen, ist das Recruitment positiv; werden weniger als 20% wahrgenommen, ist das Recruitment negativ. Dazwischen erlaubt der SISI-Test keine Aussage. Voraussetzung ist, daß der Patient bei der Prüffrequenz einen Hörverlust von mindestens 50 dB erreicht.

Schwellenschwundtest nach Carhart

Auch beim gesunden Ohr kommt es zur Adaptation oder Hörermüdung, so daß ein gleichlauter Ton nach einiger Zeit subjektiv leiser empfunden wird. Insbesondere bei zentralen krankhaften Veränderungen kommt es zu auffälligen Schwellenverschiebungen.

Technik: Beim Schwellenschwundtest nach Carhart (Threshold Tone Decay Test) wird schwellennah, also gerade noch hörbar, ein Dauerton so lange angeboten, bis der Patient ihn nicht mehr hört. Der Ton wird dann in seiner Lautstärke gesteigert, bis ihn der Patient wieder hört. Der Test wird so lange wiederholt, bis der Patient den Ton mindestens 60 s hört.

Auswertung: Lautstärkenerhöhungen von mehr als 10 dB sind nicht mehr normal, bei Lautstärkenänderungen von mehr als 30 dB spricht man Hörermüdung (verdächtig auf eine zentrale Hörstörung).

Automatische Audiometrie nach v. Békésy

Technik: Bei der Békésy-Audiometrie steuert der Patient die Lautstärke selbst, indem er den Ton durch Tastendruck leiser oder durch Loslassen lauter werden läßt.

Dadurch entsteht eine wechselnde Hörkurve, die eng um die tatsächliche Hörschwelle schwankt.

Ursprünglich wurde auch die Frequenz stufenlos geändert, heute benutzt man jedoch meistens feste Frequenzen.

Der Ton wird dabei zum einen als Dauerton und zum anderen als kurzer Impulston gegeben.

Auswertung: Im Normalfall verlaufen Dauerton- und Impulstonkurve übereinander (Abb. 1-11, linkes Ohr). Bei einer pathologischen Hörermüdung kommt es jedoch zu einer Separation der Kurven (Abb. 1-11, rechtes Ohr). Eine Verkleinerung der Amplitude, mit der die Békésy-Kurve um die Hörschwelle schwankt, gilt als Zeichen eines Recruitments (geringere Schwellenunterschiedswahrnehmung).


Abb. 1-11. Békésy-Audiogramm: Rechts bei 1000 Hz bei normaler Hörschwelle Separation der Dauerton-kurve und der Einzeltonkurve (pathologische Hörermüdung, verdächtig auf zentrale Hörstörung), links bei 1000 Hz Normalgehör.

Die Békésy-Audiometrie ist auch geeignet, unsichere Angaben aus einem Reintonaudiogramm zu überprüfen (z.B. weisen hohe Zakkenausschläge auf eine Aggravation hin).

Simulations- und Aggravationsteste

Bei fehlender Mitarbeit des Patienten, sei es aus Unvermögen, z.B. im Kleinkindesalter, oder bewußt zur Vortäuschung einer Schwerhörigkeit bei einer Begutachtung, sind objektive Hörprüfungen erforderlich (s. Abschn. 1.3), die Simulationsprüfungen wie den Stenger-Test (Übertönen der Hörschwelle durch das kontralaterale Ohr, so daß der Simulant bei Schwellenabsenkung auf dem gesunden Ohr die Schwelle auf dem „kranken“ Ohr nicht mehr angeben kann), den Lombard-Leseversuch (der Simulant spricht lauter, wenn ihm ein lauteres Geräusch angeboten wird, das er eigentlich nicht hören würde) oder den Lee-Test (zeitverzögerte Wiedergabe des gelesenen Textes in einer Lautstärke, die der zu Begutachtende eigentlich nicht hören würde) abgelöst haben.

1.3.2 Objektive Hörprüfungen

R. Probst

Definition und Einleitung

Die unter 1.3.1 beschriebenen Methoden der Gehöruntersuchungen beruhen auf einer aktiven, meist der willentlichen Kontrolle unterworfenen Antwort der Testperson (psychoakustische Methoden). Da nicht alle Personen in der Lage sind, einen solche Antwort auf einen akustischen Reiz korrekt zu geben, werden die Funktionen des Gehörs auch anhand „objektiver“ Parameter gemessen, die eine physiologische und unwillkürliche Reaktion darstellen. Solche Untersuchungen werden als objektive Untersuchungsmethoden bezeichnet.

Vor allem das Gehör von Säuglingen, Kleinkindern und Personen mit mentalen oder kognitiven Einschränkungen wird mit solchen Methoden untersucht. Obwohl es sich dabei um eine objektive physiologische Antwort auf einen akustischen Reiz handelt, ist nicht immer zweifelsfrei festzustellen, ob eine Reaktion erfolgte oder nicht. Die Objektivität bezieht sich auf die Wahl der Reizantwort, nicht auf die Interpretation der Untersuchung. Die moderne computergestützte Meßmethodik erlaubt jedoch im allgemeinen eine sicher Interpretation in bezug auf das Vorliegen einer Reizantwort.

Mit verschiedenen objektiven Untersuchungsverfahren werden die 3 wichtigsten Reaktionen des Gehörs gemessen:

Akustische Impedanz: Mit einer Gehörgangssonde werden Änderungen der akustischen Impedanz des Trommelfells gemessen (Impedanzaudiometrie).

Auditorische evozierte Potentiale (AEP): Mit Oberflächenelektroden und durch Mittelungsverfahren werden akustisch hervorgerufene bioelektrische Antworten der Cochlea und der Hörnerv- und Hörbahnneurone erfaßt.

Otoakustische Emissionen (OAE): Mit einer Mikrophonsonde werden Schallereignisse im Gehörgang gemessen, die durch spontane oder akustisch hervorgerufene aktive biomechanischen Schwingungen in der Cochlea entstehen.

1.3.2.1 Impedanzaudiometrie

Die „Impedanz“ eines akustischen Systems ist ein Maß für den Widerstand, den dieses System der Aufnahme von Schallwellen entgegensetzt. Ein System mit einer hohen akustischen Impedanz absorbiert nur wenig Schallenergie in Form von Vibrationen. Ein direkter Übergang des Schalls von Luft in Flüssigkeit, wie er ohne Mittelohr für die Cochlea notwendig wäre, ist mit einer hohen Impedanz verbunden. Das Mittelohr wandelt das Schallsignal so um, daß es mit geringem Widerstand die Flüssigkeit der Cochlea in Schwingung versetzen kann (Impedanzanpassung des Mittelohrs).

Die akustische Impedanz des Gehörgangs und des Trommelfells kann mit einer Sonde im Gehörgang gemessen werden. Der Impedanzwert hängt vom gesamten akustischen System des Gehörgangs, des Trommelfells, des Mittelohrs und der nachgeschalteten Cochlea ab. Er ist außerdem von der Frequenz der Schwingung und von individuellen Faktoren abhängig. In der Klinik interessiert daher weniger der absolute Wert dieser Impedanz als vielmehr Impedanzänderungen, die durch gezielte äußere Einflüsse hervorgerufen werden.

Klinisch wurden hauptsächlich 2 Impedanzänderungen erfaßt (Abb. 1-12):

 Das Tympanogramm gibt durch Luftdruck hervorgerufene Impedanzänderungen wieder.

 Der Stapediusreflex (SR) bewirkt eine akustisch hervorgerufene Impedanzänderung.


Abb. 1-12. Schematischer Aufbau eines Impedanzaudiometers. Der Gehörgang wird durch eine Sonde luftdicht abgeschlossen. Durch verschiedene Zuführungen der Sonde werden der Luftdruck verändert, die akustische Impedanz des Gehörgangs/Trommelfells und der Stapediusreflex gemessen

Tympanometrie

Eine gezielte Erhöhung oder Erniedrigung des Luftdrucks im Gehörgang bewirkt eine Versteifung des Trommelfells und damit eine Erhöhung der akustischen Impedanz. Nur bei physiologisch gleichen Druckverhältnissen im Gehörgang und in der Pauke schwingt das Trommelfell nämlich optimal und absorbiert am meisten Schallenergie. Deshalb zeigt ein normales Mittelohr bei atmosphärischem Luftdruck die niedrigste Impedanz oder die höchste Schallabsorption (wird auch als Compliance oder „Nachgiebigkeit“ des Trommelfells bezeichnet). Das Tympanogramm ist die Aufzeichnung der Compliance, während der Untersucher einen schwachen Unter- und Überdruck im Gehörgang mittels einer luftdicht abgeschlossenen Sonde erzeugt. Die üblichen Druckänderungen betragen ± 300 mm H2O. Bestimmte pathologische Zustände von Trommelfell und Mittelohr führen zu einer Änderung der Compliance. Daher werden klinisch verschiedene Typen von Tympanogrammen unterschieden, die verschiedenen Zuständen des Mittelohrs zugeordnet werden können (Abb. 1-13).


Abb. 1-13. Typen der Tympanogrammkurven. Klinisch unterscheidet man hauptsächlich 3 Typen des Tympanogramms. Typ A: Normalbefund, die Kurve zeigt einen Gipfel zwischen 0 und ± 100 mm H20. Typ B: Es ist kein eindeutiger Gipfel vorhanden; typisches Bild bei Flüssigkeit in der Paukenhöhle. Typ C: Ein Gipfel ist im Unterdruckbereich (-100 bis -300 mm 1120) vorhanden; typisches Bild bei Belüftungsstörungen der Paukenhöhle


Abb. 1-14. Schematische Darstellung des Stapediusreflexes. Ein Schallreiz auf einer Seite löst beiderseits eine Kontraktion der Stapediusmuskeln aus: Reflex auf der Seite des Schalls: ipsilateraler Reflex (links), Reflex auf der Gegenseite: kontralateraler Reflex (rechts)

Stapediusreflex (SR)

Der M. stapedius kontrahiert sich reflektorisch bei akustischen Reizen, die einen gewissen Schalldruckpegel erreichen (Abb. 1-14). Bei einem normalen Gehör wird dieser Pegel durch einen reinen Ton von 75-85 dB HL erreicht, Geräusche lösen den SR bereits bei tieferen Schallpegeln aus. Auch bei der Beschallung nur eines Ohres kontrahieren sich die Stapediusmuskeln auf beiden Seiten. Wird der SR auf der Seite der akustischen Stimulation gemessen, spricht man von einem gleichseitigen, ungekreuzten oder ipsilateralen SR. Wird ein Ohr beschallt und auf der anderen Seite der SR gemessen, spricht man vom gekreuzten oder kontralateralen SR.

Der M. stapedius setzt am Steigbügel an, und seine Kontraktion bewirkt eine Versteifung der Schalleitungskette. Die so hervorgerufene Impedanzänderung kann mit der Gehörgangssonde gemessen werden. Als Reflexschwelle wird der Schallpegel bezeichnet, der soeben eine Änderung der Trommelfellimpedanz hervorruft. Voraussetzung für die Messung des SR ist das Vorhandensein eines Tympanogramms vom Typ A oder C (s. Abb. 1-12).

Entsprechend der Reflexbahn kann eine Erhöhung oder ein Ausfall der SR-Schwelle verschiedene Ursachen haben:

 Veränderung der Schalleitungskette (z.B. Unterbrechung [s. Abschn. 3.2.2] oder Otosklerose [s. Abschn. 3.5.1]).

 Veränderungen der Cochlea und/oder des Hörnervs (z.B. kochleäre Schwerhörigkeit [Abschn. 4.1.1] oder Akustikusneurinom [Abschn. 7.1.2].

 Veränderungen des Hinstamms (z.B. multiple Sklerose).

 Veränderungen der N. facialis (z.B. BellParese s. Abschn. 8.1.4.1)

 Veränderungen des M. stapedius (z.B. Myasthenia gravis).

Anwendungen der Impedanzaudiometrie

Die Tympanometrie wird in der Mittelohrdiagnostik verwendet. Sie ist jedoch als alleinige Untersuchung von untergeordnetem Wert. Ihre Interpretation bedingt eine genaue Kenntnis des Trommelfellbefunds. Die Tympanometrie ist außerdem eine Voraussetzung zur Messung des SR.

Die Messung des SR ist bei einer Vielzahl von Abklärungen des Gehörs von Interesse. Wann immer möglich, sollte beiderseits die Schwelle des gekreuzten und ungekreuzten SR bestimmt werden. Die verschiedenen SR-Muster tragen zur Differentialdiagnose zwischen Mittelohr-, kochleärer und retrokochleärer Schwerhörigkeit bei. Zudem stellt die Differenz zwischen der subjektiven Hörschwelle und der SR-Schwelle ein Maß für einen pathologischen Lautheitsausgleich (Recruitment, s. Abschn. 1.3.1.3) dar. Im Normalfall beträgt diese Differenz 60 dB oder mehr, bei kochleären Schwerhörigkeiten mit pathologischem Recruitment kann u. U. der SR bereits 10 dB über der Hörschwelle ausgelöst werden (sog. objektives oder Metz-Recruitment).

1.3.2.2 Auditorisch evozierte Potentiale

Der physiologische Vorgang des Hörens ist an eine Vielzahl von bioelektrischen Potentialänderungen in der Cochlea, im Hörnerv und im ZNS gebunden. Diese Änderungen können zur objektiven Funktionsprüfung des Gehörs verwendet werden. Klinisch werden die Potentiale an der Schädeloberfläche mit Nadel- oder Oberflächenelektroden registriert (Abb. 1-15). Wie beim Elektroenzephalogramm (EEG) werden damit die Potentiale vieler Zellen gemeinsam registriert (Summenpotentiale). Bei einer üblichen EEG-Registrierung sind die durch das Hörsystem hervorgerufenen Potentialänderungen nicht erkennbar, da sie nicht von der Gesamtaktivität des ZNS unterschieden werden können. Durch Mittelungsverfahren (averaging) wird dies ermöglicht. Es handelt sich dabei um das vielfache Addieren eines kurzen EEG-Abschnitts, der zeitlich nach einem gleichförmigen und vielfach wiederholten akustischen Reiz festgelegt wird. Der akustische Reiz bewirkt innerhalb dieses Zeitabschnitts bestimmte Potentiale, die durch die Addition vergrößert werden. Gleichzeitig werden die nicht akustischen Hintergrundspotentiale durch das Addieren verkleinert, da ihre Aktivität zufällig erfolgt. Es werden positive und negative Hintergrundspotentiale addiert, die sich bei einer genügenden Anzahl von Additionen gegenseitig aufheben. Durch die Mittelung kommen damit Potentiale zur Darstellung, die zeitlich dem akustischen Reiz zugeordnet werden können (auditorisch evozierte Potentiale, AEP). Als audiometrische Untersuchung – etwa zur Bestimmung der Hörschwelle – wird auch von der „electric response audiometry“ oder ERA gesprochen.

Die Eigenschaften und Form der AEP hängen wesentlich von ihrem zeitlichen Auftreten nach dem akustischen Reiz oder ihrer Latenz ab. AEP mit kurzer Latenz, die also sehr kurz nach einem Reiz auftreten, sind Strukturen zuzuordnen, die früh durch den Reiz angeregt werden. Die Potentiale der Cochlea treten 1-3 ms nach dem Reiz auf, diejenigen des Hirnstamms innerhalb etwa 10 ms und diejenigen der Hirnrinde mit Latenzen bis zu 0,5 s. Aufgrund der Latenzen unterscheidet man:

 Elektrocochleographie (ECochG): Registrierung der Potentiale der Cochlea und des Hörnervs,

 Hirnstammpotentiale (BERA:

brainstem electric response audiometry): Registrierung der Potentiale des Hörnervs und des Hirnstamms mit Latenzen bis etwa 10 ms,

 Potentiale mittlerer Latenzen (MAEP: mittlere auditorisch evozierte Potentiale): Registrierung der Potentiale mit Latenzen von 10-100 ms,

 Potentiale später Latenzen (SAEP:

späte auditorisch evozierte Potentiale, Hirnrindenpotentiale; CERA: cortical electric response audiometry): Registrierung der Potentiale mit Latenzen von 100-1000 ms.

Hirnstammpotential (BEIM)

Von den verschiedenen AEP haben sich die Hirnstammpotentiale als die diagnostisch wichtigsten herausgestellt.


Abb. 1-15. Beispiel einer BERA-Kurve (s. Text). Es lassen sich typische Potentiale erkennen, die mit I–V bezeichnet sind und der akustisch induzierten Aktivität der Hörnerven- und Hörbahnneuronen entsprechen

Die Hirnstammpotentiale werden bis etwa 10 ms nach einem kurzen akustischen Stimulus abgeleitet. Am häufigsten wird ein Click-Stimulus verwendet, der nur wenige Millisekunden dauert und ein breites Frequenzspektrum aufweist. Für eine Ableitung der Hirnstammpotentiale müssen die Potentiale nach 1000-2000 Stimuli 1000-2000mal addiert werden. Mit angeklebten Oberflächenelektroden auf dem Scheitel und über dem Mastoid kann so eine typische Wellenform nachgewiesen werden, die auch im Schlaf oder in Narkose (Kleinkind) fast unverändert ist. Sie weist 5 typische Potentiale auf, die nach Jewett mit den römischen Ziffern I-V bezeichnet werden. Das Potential I entspricht dem Summen-aktionspotential des Hörnervs, die anderen Potentiale entstehen im Hirnstamm.

Die wichtigsten Meßwerte bei den Hirnstammpotentialen sind die zeitlichen Abstände zwischen diesen Potentialen und die Bestimmungsschwelle des Potentials V. Für die Diagnostik einer retrokochleären Schwerhörigkeit ist besonders der Unterschied zwischen den Latenzzeiten der Potentiale I und V wichtig (Interlatenzzeit I-V). Das Potential V kann im Normalfall bereits etwa 10 dB über der Hörschwelle nachgewiesen werden. Mit der BERA wird vorwiegend das Gehör für mittlere und hohe Frequenzen (>1 kHz) geprüft; Aussagen über das Tieftongehör sind schwieriger zu halten. Eine Untersuchung der Hirnstammpotentiale dauert etwa 30-60 min.

Andere auditorische evozierte Potentiale

Die Elektrocochleographie (ECochG) muß mit einer Elektrode durchgeführt werden, die möglichst nahe an die Cochlea herangebracht wird. Es werden entweder durch das Trommelfell geschobene Nadelelektroden auf dem Promontorium oder speziell konstruierte Gehörgangselektroden verwendet. Damit können neben den Hörnervenpotentialen auch kochleäre Potentiale (cochlear microphonics, CM; Summationspotential, SP) nachgewiesen werden. Sie haben für die Diagnostik sowohl des M. Ménière (s. Abschn. 4.4.1) als auch der kochleären Taubheit (dabei fehlen sie) eine Bedeutung.

Die Potentiale mittlerer Latenz (MAEP) können zur Bestimmung der Hörschwelle im tiefen Frequenzbereich eingesetzt werden. Sie sind aber im Schlaf und in Narkose nicht sicher abzuleiten.

Die Potentiale später Latenz (SAEP) können mit vielen verschiedenen akustischen Stimuli ausgelöst und im gesamten Frequenzbereich zur Diagnostik der Hirnrinde und zur Überprüfung nichtorganischer Schwerhörigkeiten eingesetzt werden. Form und Größe dieser Potentiale hängen wesentlich von der Aufmerksamkeit der untersuchten Person ab.

Anwendung der auditorisch evozierten Potentiale

Die klinisch wichtigsten Anwendungen der AEP sind die Abklärung einer retrokochleären Störung und die Beurteilung der Hörschwelle mittels der Himstammpotentiale. Die Untersuchung auf eine retrokochleäre Schwerhörigkeit wird bei einseitiger Empfindungsschwerhörigkeit zum Ausschluß eines Kleinhirnbrückenwinkeltumors durchgeführt. Eine Verlängerung der Interlatenzzeit I-V (>ca. 4,3 ms) belegt eine retrokochleäre Schwerhörigkeit und muß zur Einleitung weiterer Abklärungen (s. Abschn. 1.2 Bildgebende Verfahren) führen.

Während die Hirnstammpotentiale beim Erwachsenen meist ohne Schwierigkeiten gemessen werden können, müssen Säuglinge und Kleinkinder entweder im natürlichen Schlaf oder unter Sedierung, gelegentlich auch in Narkose untersucht werden. Da bei Kleinkindern häufig die Bestimmungsschwelle der Potentiale zur Ermittlung der Hörschwelle von Interesse ist, sind ruhige Untersuchungsbedingungen wichtig.

Die Himstammpotentiale werden auch zur Überwachung des Gehörs bei Operationen in Narkose eingesetzt.

1.3.2.3 Otoakustische Emissionen

Zur Erhöhung der Empfindlichkeit des Gehörs verstärkt die Cochlea schallinduzierte Schwingungen (die sog. Wanderwelle) von niedriger Amplitude biomechanisch. Dabei spielt die Kontraktilität der äußeren Haarzellen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle (sog. kochleärer Verstärker). Die Cochlea selbst erzeugt so Vibrationen des Corti-Organs, die teils spontan, teils bei akustischer Reizung entstehen. Ein Teil der kochleären Schwingungen wird retrograd über die Schalleitungskette zum Trommelfell geleitet, das sie wie eine Lautsprechermembran als Schallwellen in den Gehörgang abgibt. Mit empfindlichen Mikrophonsonden können diese Schallwellen im Gehörgang nachgewiesen werden. Sie werden als otoakustische Emissionen (OAE) bezeichnet und sind als kochleär erzeugte und im Gehörgang nachgewiesene Schallwellen definiert.

OAE sind Ausdruck eines intakten kochleären Verstärkers und damit einer intakten Funktion der Cochlea. Der Hörnerv ist bei der Entstehung der OAE nicht beteiligt. Zum Nachweis im Gehörgang muß aber auch eine normale Funktion des Mittelohrs vorhanden sein, da sonst die kochleären Vibrationen nicht nach außen gelangen könnten. Durch die hohe Empfindlichkeit des kochleären Verstärkers können in der Cochlea zum einen spontane Vibrationen entstehen, die unabhängig von einer äußeren Stimulation sind (spontane OAE). Zum anderen erzeugt die Cochlea nach akustischen Reizen von geringer bis mittlerer Lautstärke regelmäßig Vibrationen, die in verschiedene Klassen eingeteilt werden.

 Spontane otoakustische Emission(SOAE): Sie sind in etwa 50% der normalen Ohren als leise Dauertöne und ohne äußere akustische Stimulation nachweisbar. Ihre klinische Bedeutung ist relativ gering.

 Otoakustische Emissionen nach kurzen (transitorischen) Reizen (transitorisch evozierte OAE: TEOAE): Sie sind von großer klinischer Bedeutung und regelmäßig in gesunden Ohren nachweisbar. Ihr Nachweis erfolgt nach einem kurzen Stimulus mit ähnlichen Mittelungsverfahren, wie sie bereits bei den auditorisch evozierten Potentialen dargestellt wurden.

 Otoakustische Emissionen von Verzerrungs- oder Distorsionsprodukten (Distorsionsprodukte-OAE: DPOAE): Im kochleären Verstärker entstehen Verzerrungen, die am einfachsten bei der Reizung mit zwei Dauertönen nachweisbar sind. Solche Distorsionprodukte entstehen ebenfalls regelmäßig in gesunden Ohren.

 Otoakustische Emissionen bei der Stimulusfrequenz (Stimulusfrequenz-OAE: SFOAE): Ein reiner Ton (Sinusform) erzeugt OAE seiner eigenen Frequenz. Die klinische Bedeutung dieser Emissionen ist gering.

Transistorisch evozierte otoakustische Emissionen (TEOAE) (Abb. 1-16)

Werden Schallwellen im Gehörgang nach dem Ende eines kurzen auditorisch Stimulus mit einer Mikrophonsonde registriert und gemittelt (Mittelungsverfahren s. auditorisch evozierte Potentiale), sind bei gesunden Ohren regelmäßig kochleäre Schallantworten vorhanden. Sie belegen eine intakte Funktion der Cochlea und des Mittelohrs. Bei kochleärer Schwerhörigkeit mit einer Schwellenerhöhung ab etwa 30 dB oder bei Mittelohrstörungen fehlen TEOAE. TEOAE haben bei hörgesunden Säuglingen meist eine größere Amplitude als bei Erwachsenen. Sie können in wenigen Minuten ohne Sedierung und ohne Narkose gemessen werden. TEOAE eignen sich deshalb besonders zur orientierenden Untersuchung des Gehörs bei Säuglingen. Beim Fehlen von TEOAE kann eine Schwerhörigkeit vorliegen, und weitere Untersuchungen des Gehörs (z.B. mittels BERA) sind angezeigt. Der Nachweis von TEOAE belegt andererseits ein normales peripheres Gehör. Seltene und kaum isoliert auftretende neurale und zentrale Schwerhörigkeiten sind allerdings nicht ausgeschlossen.

Andere Klassen der otoakustischen Emissionen

Neben den TEOAE werden auch die DPOAE klinisch eingesetzt. Mit hochautomatisierten Meßsystemen kann mittels DPOAE der kochleäre Verstärker in einzelnen Frequenzabschnitten und in kurzer Zeit gemessen werden. Es wird damit eine objektive Messung durchgeführt, . die in gewissen Belangen dem Tonaudiogramm vergleichbar ist. Die DPOAE können so ein „objektives Audiogramm“ liefern.

Die SOAE haben mit Ausnahme von wenigen Fällen mit pathologischen Emissionen keine klinische Bedeutung. Die SFOAE decken sich in vielem mit den TEOAE, ihre Nachweisbarkeit ist aber technisch schwieriger. Sie werden deshalb in der klinischen Routineuntersuchung nicht angewandt.


Abb. 1-16. Beispiel einer Kurve der transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen (TEOAE). Die Kurve ist die akustische Aufzeichnung im Gehörgang nach einem kurzen Reiz (Click). Die akustische Wellenform des Reizes ist im Kasten oben links dargestellt. Kasten rechts oben: Frequenzanalyse der TEOAE

Anwendung der otoakustischen Emissionen

Die wichtigste Anwendung der OAE ist die Screening-Untersuchung des Gehörs bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern. Mit den TEOAE kann einfach und schnell ein Überblick über die kochleäre Funktion erhalten werden. Der überwiegende Anteil der Schwerhörigkeiten in dieser Altersgruppe ist kochleär bedingt. Die Früherkennung von Schwerhörigkeiten wird damit vereinfacht. Die Lokalisation der Schwerhörigkeit und das Ausmaß können nicht mit den OAE bestimmt werden. Beim Fehlen von OAE müssen deshalb zusätzliche audiologische Methoden wie die Impedanzaudiometrie, die evozierten Potentiale und die Reaktionsaudiometrie eingesetzt werden.

OAE werden auch zur Abklärung von nichtorganischen Schwerhörigkeiten und zur Objektivierung audiometrischer Befunde bei Erwachsenen herangezogen.

Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde

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