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(1) Präventive Aufsicht

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Die in der Praxis wichtigste Form präventiver Kommunalaufsicht ist die Beratung,[259] welche nicht in allen Gemeindeordnungen ausdrücklich geregelt ist[260]. Eine Pflicht zur präventiven Beratung und Betreuung der Gemeinden durch die Aufsichtsbehörden ergibt sich aber auch ohne ausdrückliche Regelung aus der Einbettung der Gemeinde in das Staatsgefüge und ihrer Stellung als Teil der Landesverwaltung[261]. Das Land – im konkreten Fall vertreten durch die Aufsichtsbehörden – und die Gemeinden bilden einen Verwaltungsverbund im Sinne der umfassenden Verantwortlichkeit zur Wahrung und Fortbildung des Gemeinwohls[262]. Die Zielsetzung der Beratungstätigkeit kann unterschiedlich sein; es mag sich im Einzelfall um koordinierende, schlichtende, schützende, vergleichende, rechtsauslegende oder fachlich belehrende Beratung handeln[263]. Die Beratung schließt einen regen Informationstausch zwischen Gemeinde und Landkreis ein[264]. Insofern kommt auch den Informationsrechten der Kommunalaufsicht eine präventive Funktion zu. Die Gemeinden haben durch eine sachgerechte Beratung die Möglichkeit, Rechtsfehler im Vorfeld der Entscheidung zu vermeiden. Dies kann in vielen Fällen dazu führen, dass die repressive Aufsicht gar nicht mehr zum Einsatz kommen muss.

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Zum Bereich der präventiven Aufsicht gehört neben Anzeige- und Vorlagepflichten ein Mitwirkungsrecht der Kommunalaufsicht in Form von Genehmigungsvorbehalten, welche die Kommunalgesetze und auch verschiedene Spezialgesetze für bestimmte gemeindliche Entscheidungen vorsehen. Das gemeindliche Handeln setzt in diesen Fällen ein vorheriges positives Handeln der Aufsichtsbehörde voraus[265]. Genehmigungsbedürftige Maßnahmen der Gemeinden werden erst mit der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht wirksam[266]. Der Genehmigungsvorbehalt kann in zweifacher Hinsicht bestehen: Die Aufsichtsbehörde kann durch die Genehmigung eine Ausnahme von einem generellen Verbot zulassen, oder die Genehmigung kann Voraussetzung für ein bestimmtes Tätigwerden der Gemeinde sein. Der Genehmigungsvorbehalt soll ein rechtmäßiges Verhalten der Gemeinde sicherstellen. Ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die gemeindliche Selbstverwaltung liegt immer nur dann vor, wenn Genehmigungsvorbehalt ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird[267]. Soweit es daran fehlt, kann die Aufsichtsbehörde ein solches Recht nicht für sich reklamieren. Zwar bildet eine Anzeigepflicht im Verbund mit einer mit den allgemeinen kommunalaufsichtlichen Befugnissen einen geringeren Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie als das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Unter Umständen rechtfertigen aber die weitreichenden Gefahren, wie sie etwa mit der kommunalen wirtschaftlichen Tätigkeit in Privatrechtsform für die demokratische Legitimation und die Rechtsstaatlichkeit der Aufgabenerfüllung einhergehen, Genehmigungsvorbehalte[268].

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Kommunalrechtliche Genehmigungsvorbehalte finden sich vornehmlich bei der Satzungsgebung,[269] im gemeindlichen Wirtschaftsrecht[270] und im Haushaltsrecht[271]; hinzu kommen spezialgesetzliche Regelungen. Klar ist, dass die Kommunalaufsicht dann die Rechtmäßigkeit zu kontrollieren hat, im Einzelfall zu klären ist, ob sie darüber hinaus auch Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen darf. Vor diesem Hintergrund lassen sich im Grundsatz zwei Typen von Genehmigungsvorbehalten unterscheiden: die rechtliche Unbedenklichkeitserklärung und die staatliche Mitentscheidung (Kondominium)[272]. Die Antwort auf die Frage, ob der Aufsichtsbehörde ein eigener Ermessensspielraum zukommt oder ob sie auf die reine Rechtskontrolle beschränkt ist, wird dadurch erschwert, dass die bestehenden Genehmigungsvorbehalte keinen oder einen nur unzureichenden Kontrollmaßstab formulieren bzw. die Kontrolldichte nicht ausreichend festlegen[273]. Damit ist die Normauslegung entscheidend. Für eine Reduzierung auch der präventiven Kommunalaufsicht auf die Rechtsaufsicht streiten prinzipiell die (landes-)verfassungsrechtliche Vorgaben.

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Der Großteil der staatlichen Genehmigungsvorbehalte lässt folglich nur eine Rechtskontrolle der gemeindlichen Entscheidung zu; die Genehmigung stellt dann eine rechtliche Unbedenklichkeitserklärung dar[274]. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung, d.h. die Genehmigung ist von der Aufsichtsbehörde zu erteilen, wenn die Maßnahme der Gemeinde nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt. Umgekehrt hat die Kommune einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung, den sie mit der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage durchsetzen kann[275].

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(Ausnahmsweise) lassen sich Genehmigungstatbestände identifizieren, welche der zuständigen Aufsichtsbehörde über die Kontrolle hinaus, ob die gemeindliche Entscheidung die Ermessensgrenzen einhält, auch eigene Zweckmäßigkeitserwägungen gestatten. So kann z.B. bei der Veräußerung historisch, künstlerisch oder wissenschaftlich wertvoller Gegenstände des Gemeindevermögens[276] oder Aufnahme von Krediten[277] die Normauslegung ergeben, dass der Aufsichtsbehörde nicht nur die Prüfung der Rechtmäßigkeit obliegen, sondern die Genehmigung kann darüber hinaus bezwecken soll, die Gemeinden gegen sich selbst zu schützen und insofern unüberlegten Entscheidungen Einhalt zu gebieten[278]. Die Abgrenzung zwischen den Genehmigungsvorbehalten gestaltet sich häufig schwierig, weil der Zweck des Genehmigungsvorbehalts nicht ausdrücklich bezeichnet wird[279]. Bei Vorbehalten zugunsten der Aufsicht im eigenen bzw. weisungsfreien Wirkungskreis der Gemeinden gilt auch ohne ausdrückliche Anordnung wegen der in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verbürgten gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie die Regel, dass die Kommunalaufsichtsbehörde die Genehmigung nur versagen darf, wenn der von der Gemeinde beabsichtigte Akt rechtswidrig ist[280]. Anders stellt es sich bei Genehmigungsvorbehalten im übertragenen Wirkungskreis bzw. bei Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung dar, weil hier die Grenze zwischen kommunaler Zuständigkeit und überörtlicher Zwecksetzung überschritten ist. In solchen Konstellationen mit gleichberechtigter Mitwirkung von Gemeinde und Staat spricht man von einem Kondominium[281]. Hier kann der Gesetzgeber auch normieren, dass eine erforderliche Genehmigung aus Zweckmäßigkeitserwägungen versagt werden darf. Leitend für die Auslegung des Genehmigungsvorbehalts ist somit die Aufgabenart.

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