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a) Örtliche Allzuständigkeit

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Aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgt die universelle („alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“) Zuständigkeit der Gemeinde. Dieser Grundsatz der „örtlichen Allzuständigkeit“ oder der „subsidiären Universalität“ ist bereits in der Stein‚schen Städteordnung aus dem Jahre 1808 anerkannt und seitdem Inhalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie[72]. Daraus folgt eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Gemeinden, deren Verbandskompetenz jedoch ebenso durch die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft begrenzt wird. Dieses Prinzip der Aufgabenverteilung bildet den Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts.

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Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen Gemeinde) betreffen“[73]. Auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es dabei nicht an[74].

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Merkmale der vom Bundesverfassungsgericht in der „Rastede“-Entscheidung entwickelten Aufgabendefinition sind einerseits das betroffene Gebiet, andererseits die Belange der dort lebenden Bürger[75]. Deshalb können die Gemeinden keine allgemeinpolitischen Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit machen[76]. So gehören z.B. die Außenpolitik, die Verteidigungspolitik oder Maßnahmen der Weltwirtschaft nicht zum gemeindlichen Aufgabenkreis[77]. Gleichermaßen fraglich ist eine kommunale Verbandskompetenz in Sachen des globalen Klimawandels[78]. Allerdings können auch Aspekte aus den überörtlichen Politiken den Garantiebereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aktivieren, wenn sie einen Bezug auf ein bestimmtes Gemeindegebiet und die dort gegebenen Verhältnisse aufweisen[79]. Die Gemeinde hat dann die Zuständigkeit zu Gemeinderatsbeschlüssen, in denen sie sich mit ihren Belangen auseinandersetzt[80]. Nach der – recht großzügigen – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich Gemeinden bei örtlich radizierten Gründen auch bereits vorsorglich und ohne unmittelbar zu benennenden Anlass mit der Betroffenheit ihres Verwaltungsraums befassen[81]. Dieselben Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im Hinblick auf örtliche Klimaschutzmaßnahmen[82].

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Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG führt bei der Aufgabenverteilung zu einer Beschränkung des Gesetzgebers, wenn eine Aufgabe zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gerechnet werden kann. Allerdings verfügt der Gesetzgeber bei der Aufgabenqualifizierung über einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Typisierungs- und Einschätzungsspielraum[83]. Liegt keine „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ vor, wird der Schutz der Selbstverwaltungsgarantie nicht ausgelöst, d.h. der Landesgesetzgeber unterliegt keinem Rechtfertigungszwang bei der Aufgabenzuweisung.

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Die Aufgabendefinition der „Rastede“-Entscheidung umfasst einen breit angelegten Wirkungsbereich, der rechtlichen und zeitlichen Veränderungen ausgesetzt ist und deshalb nicht abschließend-enumerativ bestimmt werden kann[84]. Ebenso wenig kann dieser Aufgabenkreis für alle Gemeinden ungeachtet etwa ihrer Einwohnerzahl, flächenmäßigen Ausdehnung und Struktur gleich sein. Illustrativ ist insofern aber Art. 83 Abs. 1 BayVerf, der eine Aufzählung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises enthält. Dasselbe unternimmt § 5 Abs. 1 S. 1 AmtsO SH, der enumerativ einen Katalog an Selbstverwaltungsaufgaben festlegt, die auf ein Amt, eine aus amtsangehörigen Gemeinden bestehende Körperschaft des öffentlichen Rechts, übertragen werden können. Mangels eines fixen Bestands örtlicher Angelegenheiten haben die Gemeinden das Recht, entsprechend den sich wandelnden örtlichen Bedürfnissen jederzeit neue, bislang unbesetzte öffentliche Aufgaben in ihren Bereich zu übernehmen, womit ihnen ein Aufgabenfindungsrecht zukommt[85]. Den Gemeinden ist damit erlaubt, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen[86]. Umgekehrt bereitet die Aufgabe einer Aufgabe durch eine Kommune dann keine rechtlichen Schwierigkeiten, wenn es sich um freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten handelt, weil die Kommune autonom über Ob, Wann und Wie der Wahrnehmung entscheidet[87].

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Das Merkmal der „örtlichen Aufgaben“ wirft angesichts von Wanderungsprozessen und Gemengelagen Abgrenzungsprobleme auf. Von Wanderungsprozessen spricht man, wenn die Zuordnung von Aufgaben in der historischen Entwicklung wechselt (z.B. Versorgung mit leitungsgebundener Energie), von Gemengelagen, wenn an Aufgaben die örtliche und überörtliche Gemeinschaft gleichermaßen interessiert und beteiligt sind (z.B. Planung von Verkehrs- und Versorgungsanlagen)[88]. Bei der Einordnung derartiger Aufgaben spielen Tradition und gängige Praxis ebenso eine Rolle wie die sachliche Angemessenheit der Aufgabenerledigung durch die Gemeinden[89].

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