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1. Grundlagen

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Die bedeutendste Schranke der planerischen Gestaltungsfreiheit ist das Gebot der gerechten Abwägung der von einer Planung berührten Belange. Das Bundesverwaltungsgericht hat die wesentlichen Aspekte des Abwägungsgebots zunächst für die Bauleitplanung formuliert[183] und später auf das Fachplanungsrecht übertragen[184]. Dies ist möglich, da das Abwägungsgebot aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten ist und damit unabhängig von seiner gesetzlichen Anordnung für jede rechtsstaatliche Planung gilt[185]. Aber selbst dort, wo das Abwägungsgebot ausdrücklich angeordnet wird[186], werden seine Anforderungen – wie im Bauplanungsrecht auch – nicht umfassend geregelt. Diese Vorschriften bestimmen vielmehr nur sehr allgemein, dass bei der Planfeststellung „die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen“ sind (§ 17 S. 2 FStrG).

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Im Fachplanungsrecht gelten dementsprechend im Wesentlichen die gleichen von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen wie im Bereich des Bauplanungsrechts[187]. Die Abwägung stellt sich danach als ein gestufter Vorgang dar, der sich in vier Stufen vollzieht:

1. eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt durchgeführt werden, die planende Behörde darf sich nicht irrtümlich für gebunden erachten;
2. alle nach Lage des Falls relevanten Gesichtspunkte sind zu ermitteln und in die Abwägung mit einzubeziehen;
3. die Bedeutung und Gewichtung der betroffenen Belange muss zutreffend erkannt werden;
4. der Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen muss so vorgenommen werden, dass er nicht außer Verhältnis zu ihrer objektiven Gewichtung steht.

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Dieses als Handlungsanweisung an die planende Verwaltung adressierte Abwägungsprogramm wird ergänzt durch die Abwägungsfehlerlehre, die das Abwägungsgebot aus der Rechtsschutzperspektive umreißt. Danach korrespondieren den vier Stufen der Abwägung vier Abwägungsfehler:

1. Abwägungsausfall, wenn eine notwendige Abwägung gar nicht vorgenommen wird;
2. Abwägungsdefizit, wenn einzelne Belange nicht erkannt oder nicht berücksichtigt werden;
3. Abwägungsfehlgewichtung oder -fehleinschätzung, wenn die Bedeutung eines Belanges verkannt wird und
4. Abwägungsdisproportionaliät, wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.

Dabei herrscht auf den verschiedenen Abwägungsstufen jeweils eine unterschiedliche gerichtliche Kontrolldichte. Im Mittelpunkt steht auch hier die Feststellung, dass die Gerichte keine eigene Abwägung vornehmen, sondern die Abwägung der Verwaltung nachvollziehend überprüfen.

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Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angelegte Differenzierung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis gilt für das Fachplanungsrecht in gleicher Weise wie im Bereich des Bauplanungsrechts, wobei das Verhältnis hier wie dort ungeklärt ist[188]. Interessant erscheint vor allen Dingen die Frage, inwieweit sich die Dogmatik des Abwägungsgebots in den Bereichen des Bauplanungs- und des Fachplanungsrechts durch die 2004 in das BauGB eingefügten Regelungen, namentlich § 2 Abs. 3 BauGB und die Neufassung des § 214 Abs. 1 und 3 BauGB, auseinanderentwickelt haben. Der Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB wird diesbezüglich keine besondere Bedeutung zuzumessen sein. Soweit sie dem Bauleitplanverfahren eine Bedeutung für die Abwägung zuspricht, dürfte dies ohne Weiteres auch für die entsprechenden Regelungen des Anhörungsverfahrens in der Planfeststellung gelten. Keine Entsprechung findet hingegen bislang die Neufassung des § 214 BauGB. § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB qualifiziert bestimmte Abwägungsfehler als Verfahrensfehler und § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB erklärt die entsprechenden Fehler in ihrer materiell-rechtlichen Dimension jedenfalls im Hinblick auf ein Rechtsschutzbegehren für unbeachtlich. Damit wird dem Abwägungsgebot zumindest aus dem Blickwinkel der Planerhaltungsregelungen eindeutig eine verfahrensrechtliche Dimension zugewiesen[189], die ihm in dieser Weise im Fachplanungsrecht bislang nicht zugemessen wird. Inwiefern diesen Änderungen praktische Bedeutung zukommen wird, bleibt eine Frage der weiteren Entwicklung.

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